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US-Wahl nach Trumps Corona-Erkrankung: Ein Schatten breitet sich aus


Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Was heute wichtig ist
Ein Schatten liegt jetzt über der Wahl

  • Peter Schink
MeinungVon Peter Schink

Aktualisiert am 06.10.2020Lesedauer: 6 Min.
US-Präsident Donald Trump: Bei einem Wahlkampf-Auftritt am 30. September.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Donald Trump: Bei einem Wahlkampf-Auftritt am 30. September. (Quelle: ap)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages, heute stellvertretend für Florian Harms:

WAS WAR?

In einer Redaktion wie der unseren beginnt der Tag früh. Aus der Nacht übernehmen die Kollegen das Nachrichten-Geschäft von unserer famosen Kollegin Anna-Lena Janzen aus Melbourne, um 8.30 Uhr tagt die Redaktion und diskutiert die wichtigsten Themen des Tages. Wenig später steht bereits der (immer vorläufige) Plan für den Tag. Ein Mix an eigenen Stücken und Themen, an Terminen und Ereignissen.

Doch die vier Links (FDJ, Berliner Grüne, Berg-Karabach und Fußball-Transfers) spiegeln nicht den Schwerpunkt unserer Arbeit in den vergangenen Monaten. Seit einem halben Jahr steht die Corona-Pandemie im Zentrum.

Knapp 9.000 Artikel haben meine Kollegen mit dem Schlagwort "Corona" versehen. Jeden Tag versucht die Redaktion das Wichtige zu selektieren, einzuordnen, zu erklären. Journalistisches Handwerkszeug eben, in Journalistenschulen und Volontariaten lernt man das.

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Und doch bringt uns das Virus täglich ganz persönlich an unsere Grenzen. Home-Office, Video-Konferenzen, Maskenpflicht im Büro, Abstand halten. Wir müssen Entscheidungen treffen, die wir so noch nie treffen mussten. Dabei Widersprüche aushalten. Wie viele Aerosole entstehen im Büro? Wie gut können wir lüften? Wie oft Händewaschen? Definitive Antworten fehlen manchmal.

Und dann fährt ein mit Corona infizierter US-Präsident mal eben zur Belustigung seiner Anhänger ums Militärkrankenhaus. Er entblödet sich nicht, das Leben seiner Personenschützer zu gefährden, um Punkte zu sammeln.

Die Nachricht erreicht uns gestern vor der Morgenkonferenz. Wir sind im ersten Moment sprachlos. Ist der Mann nicht Vorbild für Millionen von Menschen? Der Kollege Stefan Rook hat dann doch die passenden Worte gefunden am gestrigen Vormittag. Für Trump gilt wie für alle anderen Nachrichten auf dieser Welt: selektieren, einordnen, erklären.

Doch für die US-Demokratie entsteht ein gravierendes Problem. Trumps Erkrankung bestimmt derzeit die gesamte öffentliche Debatte. Das Land diskutiert nur das eine Thema in vielen Facetten: Seit wann wusste Trump von seiner Infektion? Wie schlecht war sein Gesundheitszustand wirklich? Muss Mike Pence auch in Quarantäne? Kann der US-Präsident an der nächsten TV-Debatte teilnehmen, wo er das Krankenhaus jetzt wieder verlassen hat?

Es sind noch 28 Tage bis zur Wahl. Debatten über Inhalte finden in diesen Tagen nicht statt.

Joe Biden ließ am Wochenende erklären, er habe alle negative Wahlwerbung gegen Trump stoppen lassen. Dies müsse ein "amerikanischer Moment" sein. Er wolle für den Präsidenten beten, nicht ihn angreifen. Biden hätte auch sagen können: DAS ist gute amerikanische Sitte. Seht her, ich treffe Entscheidungen wie ein Patriot (im Gegensatz zu meinem Herausforderer). Es bleibt Biden aber auch nichts Besseres, schließlich muss er sich zur aktuellen Situation ja irgendwie verhalten. Themen setzen kann er nicht.

Wonach entscheiden die Wählerinnen und Wähler in den USA also am 3. November, wenn sie ihre Stimme geben? Der Wahlkampf wird überlagert von der Frage, wie sich der US-Präsident bei einer einzigen Angelegenheit (seiner Corona-Erkrankung) verhält. Andere Themen geraten ins Abseits: Krankenversicherung, Rassismus, soziale Ungleichheit, Waffenbesitz, Infrastruktur, Einwanderung, Klimakrise.

Natürlich waren US-Wahlkämpfe immer sehr an den Kandidaten ausgerichtet. Doch Trumps Corona-Erkrankung und sein Umgang damit haben eine Debatte ausgelöst, die geeignet ist, auch noch das Letzte Stück Inhaltlichkeit aus dem Wahlkampf zu entfernen. Wahlkämpfe brauchen – hier wie drüben – eine Auseinandersetzung um Inhalte. Denn die freie Willensentscheidung der Wähler (eine Grundlage für die Demokratie) setzt voraus, dass sie sich eine fundierte Meinung bilden können. Über Inhalte und Personen.

Wir würden es uns aber zu leicht machen, immer nur mit dem Finger über den Großen Teich zu zeigen. Auch hierzulande nimmt Corona als Thema einen sehr großen Teil der Debatte ein – profitiert hat davon im Sommer vor allem Inszenierungsmeister Markus Söder mit immer neuen Ankündigungen. Die Bundestagswahl ist nur noch ein Jahr entfernt. Und wir müssen aufpassen, nicht nur über Personen, sondern auch über Inhalte abzustimmen.

Immerhin: Von den Zuständen in den USA sind wir noch weit entfernt. Solange können sie uns noch eine Mahnung sein.


WAS STEHT AN?

Im Durchschnitt kostet die stationäre Pflege eines Angehörigen etwa 2.000 Euro. Gesundheitsminister Jens Spahn wusste also, welche Debatte er auslösen würde, als er am Wochenende ankündigte, die Zuzahlung für die reinen Pflegekosten künftig auf 700 Euro begrenzen zu wollen. Die Deckelung soll ein wesentlicher Bestandteil der Pflegereform werden, die er diesen Herbst auf den Weg bringen will.

Der Einstieg in diese Debatte lohnt sich, denn natürlich ist für viele Menschen ein Pflegeplatz schon jetzt unbezahlbar. Tendenz steigend. So war die Kritik von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil auch nicht sehr grundsätzlich. Er lobte den "mutigen" Entwurf von Spahn und mahnte mehr Gerechtigkeit an: "Wenn alle den gleichen Beitrag für die stationäre Pflege bezahlen – egal ob Verkäuferin oder Millionär – empfinde ich das als ungerecht." Das klang ein wenig, als sei der SPD gerade ein Wahlkampf-Thema abhandengekommen.

Dabei hat die SPD auf einer Klausur im September vor einem Jahr bereits die "Pflegevollversicherung" diskutiert und im Dezember auf einem Parteitag beschlossen. Demzufolge sollte der Pflegebeitrag in einem ersten Schritt gedeckelt und dann ganz abgeschafft werden. Der Vorschlag geht also deutlich weiter.

Lars Klingbeil hätte den Spahn-Vorstoß also viel deutlicher kritisieren können. Nur, dass bei der SPD-"Pflegevollversicherung" die Millionäre gar nichts mehr bezahlen müssten. Das hat die Partei womöglich im vergangenen Dezember nicht bedacht.


Regierungssprecher Steffen Seibert drückte es am Montag vor Journalisten so aus: Jedes Bundesland könne Beherbergungen von Reisenden aus Risikogebieten unterbinden, "auch aus dem Inland". Nachdem Schleswig-Holstein nun Touristen aus vier Berliner Bezirken nicht mehr im Land haben will, hagelt es Kritik. Von allen Seiten.

Schleswig-Holsteins SPD-Fraktionschef Ralf Stegner spricht von "Kleinstaaterei", Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei fordert zwischen den Ländern "abgestimmte, einfache Regeln", FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae nennt es "ein großes Problem". Die verschiedenen Regelungen der Bundesländer seien schädlich für die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen insgesamt.

Thomae fordert, die Bewegungsfreiheit "wirklich nur im Ausnahmefall" einzuschränken. Ich bin nicht sicher, ob die föderalen Fürsten in den Bundesländern in den kommenden Tagen einen gemeinsamen Weg bei der Pandemie-Bekämpfung finden. Nötig wäre es: In vielen Teilen Deutschlands stehen die Herbstferien an.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Heiko Maas wollen in Berlin der Opposition in Belarus aus der Ferne helfen. Beide treffen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja zu Gesprächen. Vermutlich wird Merkel ihr vom Freiheitskampf der DDR-Bürger im Jahr 1989 erzählen.

Tichanowskaja hofft, dass Merkel auch 2020 etwas für die Freiheit tun wird. Bei ihrer Ankunft in Berlin am Montagabend sagte sie: "Ich hoffe sehr, dass führende Persönlichkeiten Deutschlands imstande sind, diese Situation zu beeinflussen und den Anfang von Verhandlungen begründen." Merkel wird es hören.


In Stockholm wird um 11.45 Uhr der Physik-Nobelpreisträger bekannt gegeben. Der erste Nobelpreis für Physik ging 1901 an Wilhelm Conrad Röntgen. Seine "X-Strahlen" wurden später nach ihm in Röntgenstrahlen umbenannt. Was heute weniger bekannt ist: Er verzichtete darauf, seine Erfindung zu patentieren. Röntgenapparate verbreiteten sich deshalb sehr schnell.


WAS LESEN ODER ANSCHAUEN?

Unsere Kollegin Anna Aridzanjan schrieb gestern lakonisch auf Twitter: "So sieht es aus, wenn man mit Streubomben beschossen wird." Das von ihr mitverbreitete Video zeigt eine Straße in Stepanakert, wie sie auch in Düsseldorf oder Stuttgart aussehen könnte. Dann schlagen Streubomben ein. Es ist ein grauenhaftes Szenario. Den Konflikt erklärt ihnen unsere Kollegin Marianne Max noch einmal ausführlich.


Ich weiß nicht, wie regelmäßig Sie das Infektionsgeschehen in Deutschland beobachten. Zu Beginn der Pandemie war es die Verdopplungszeit, dann stand lange der R-Wert im Fokus. Inzwischen haben wir gelernt, mit Inzidenzen umzugehen.

Meine Kollegin Nicole Sagener geht nun der Frage nach: Folgt Deutschland den falschen Werten zur Einschätzung der Corona-Pandemie? Wir brauchen andere Kennwerte für das aktuelle Corona-Risiko, meinen Experten. Ein aufschlussreicher Text.


Die Bundesregierung ist nach wie vor bemüht, Russland zur Aufklärung im Fall Nawalny zu bewegen. Inzwischen zumindest mit einem Teilerfolg. Russland hat die Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) um Unterstützung gebeten. Jedoch erst, nachdem Deutschland an die OPCW ein Hilfe-Ersuchen geschickt hatte. Dieses liegt t-online nun vor, der Kollege Jonas Müller-Töwe hat das Schreiben im Wortlaut dokumentiert. Von der Untersuchung der OPCW hängt auch ab, ob neue Sanktionen gegen Russland verhängt werden.


WAS AMÜSIERT MICH?

US-Präsident Donald Trump hätte eigentlich den Nobelpreis verdient. In seiner Welt.

Ich wünsche Ihnen einen gesunden Start in den Tag. Morgen schreibt mein Kollege Luis Reiß an dieser Stelle.

Ihr

Peter Schink
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Twitter: @peterschink

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