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Tagesanbruch: Kriminalität in Deutschland – der Staat darf nicht zurückweichen


Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Was heute wichtig ist
Der Staat darf keinen Millimeter zurückweichen

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 16.08.2019Lesedauer: 6 Min.
Polizisten in Stuttgart.Vergrößern des Bildes
Polizisten in Stuttgart. (Quelle: imago images)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Gerecht oder bequem? Das ist die Frage der Stunde. Gehört der Solidaritätszuschlag für alle Bürger abgeschafft oder sollen Gutverdiener ihn weiter bezahlen? Darüber ist ein Streit in der Bundesregierung entbrannt. Die CDU sagt A, die SPD sagt B und sitzt dank Genosse Olaf am längeren Hebel. Es wäre halt so bequem, die verbliebenen Anhänger mit einer verkappten Reichensteuer aufzumuntern und das Geld in sozialdemokratische Sozialreformen zu pumpen, Grundrente, Kitas und so weiter. Gut gemeint, aber nicht gerecht. Gerecht wäre es, eine Steuer, die einst auf Zeit für alle Bürger eingeführt wurde, für alle Bürger auch wieder abzuschaffen. Das würde die Koalitionäre allerdings vor die unbequeme Aufgabe stellen, ihre Spendierhosenpolitik zu überdenken. Denn was die große Koalition immer noch am besten kann, ist das Geldausgeben.


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Den Letzten beißen die Hunde: Das ist das tragende Prinzip bei der Pflege und ihren Kosten. Im Moment läuft das so: Stellen Sie sich vor, Sie kämen mit den Gebrechen des Alters irgendwann nicht mehr zurecht, bräuchten Hilfe und Pflege, vielleicht sogar in einem Heim. Teure Sache. Dann übernimmt die Pflegeversicherung einen Teil der Kosten, Sie zahlen den Rest. Sobald Ihre Kasse leer gefegt ist und Sie Ihren Eigenanteil nicht mehr aufbringen können, springt das Sozialamt ein. Das Amt wiederum holt sich das Geld von Ihren Kindern, soweit möglich, zurück. Die beißt dann der Hund.

Was nach normaler Solidarität mit den eigenen Eltern klingt, wird in vielen Familien als Zeitbombe empfunden. Das Berechnungsverfahren ist kompliziert. Was auf die Betroffenen finanziell zukommt, erfahren sie oft erst, wenn der Bescheid des Sozialamts auf den Tisch flattert – gleich verbunden mit einer üppigen Nachforderung für die bereits verflossenen Jahre, denn die Sozialämter brauchen bis zum Bescheid viel Zeit. Manch alter Mensch möchte es bis dahin gar nicht erst kommen lassen und nimmt Hilfe nicht in Anspruch, um den Kindern nicht zur Last zu fallen.

Damit soll jetzt Schluss sein. Das Bundeskabinett hat beschlossen, dass Kinder nicht mehr länger für die Pflegekosten ihrer Eltern aufkommen müssen, wenn sie weniger als 100.000 Euro im Jahr verdienen. Komplett in trockenen Tüchern ist die Entscheidung noch nicht, denn Bundestag und Bundesrat müssen erst zustimmen, und die Kommunen laufen Sturm. An ihnen wird die Rechnung nämlich hängenbleiben. Deshalb entdecken sie zurzeit die innige Zuneigung der Generationen zueinander und deren Pflicht, füreinander einzustehen. Das ist leider zu kurz gedacht.

Wir brauchen das Rad nicht wieder und wieder neu zu erfinden. Nicht nur beim Altern haben wir es mit Risiken zu tun, die für Einzelne mitunter kaum zu schultern sind. Wir wissen, wie man die großen Unwägbarkeiten des Lebens entschärfen kann – zumindest finanziell. Wer krank wird, braucht den Ruin nicht zu fürchten. Denn die Kosten selbst der aufwendigsten Behandlung, die jeden von uns in die Armut treiben können, werden in der Krankenversicherung auf viele Schultern verteilt. Ein einfaches Prinzip. Nicht so in der Pflege.

Warum nicht? Niemand hat es in der Hand, wie alt man wird und welcher Hilfe man auf diesem langen Weg bedarf. Niemand von uns sollte sich darüber Gedanken machen müssen, ob man sich die Gebrechen des Alters leisten kann – oder ob man zahlt bis zum letzten Hemd. Das Kabinett ist nun den Kindern der eigentlich Betroffenen beigesprungen. Ein guter erster Schritt. Doch ausgerechnet den alten, pflegebedürftigen Menschen wird der Bittgang zum Sozialamt nicht erspart. Die Hunde beißen jetzt sie. Gerecht ist das nicht. Das müssten wir doch besser können.


WAS STEHT AN?

Sucht man nach einem Wort, das die deutsche Seele in diesem Spätsommer 2019 charakterisiert, ist es Verunsicherung. Nach dem politischen Beben durch die Europawahl und vor dem absehbaren Beben durch die Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen, vor dem Hintergrund einer beginnenden Wirtschaftsrezession und internationaler Turbulenzen (Brexit, Italien, Trump) blicken Politiker, Publizisten und Soziologen besorgt auf die Stimmungslage in der Bevölkerung. Viele Bürger wenden sich frustriert vom gesellschaftlichen Diskurs ab, andere verachten Politiker per se, manche sehen Deutschland gar dem Untergang geweiht, ängstigen sich vor Zuwandererhorden, Kriminalität, der Klimakatastrophe, Algorithmen.

Es ist ein undurchsichtiges Gebräu, das in vielen Köpfen brodelt, und es entlädt sich in den Echokammern des Internets, aber auch an den Stammtischen und auf der Straße. Wenn dann noch abscheuliche Gewalttaten wie die Morde an Walter Lübcke und an einem Jungen auf dem Frankfurter Bahnhof tagelang die Schlagzeilen bestimmen, drängt sich vielen Menschen das Gefühl auf, dass unser Land in Schieflage gerät, dass der gesellschaftliche Frieden ernsthaft gefährdet ist. Mit dem abnehmenden Sicherheitsgefühl schwinden auch das Zutrauen in die Mitbürger und das Vertrauen in die Mächtigen, die Dinge zum Guten regeln zu können. Wer sich ohnehin ängstigt, der wähnt hinter jeder Ecke einen Schatten. Hinzu kommt der Eindruck, dass sich viele Politiker lieber mit ihrer Karriere, Talkshow-Auftritten oder Pipifaxthemen beschäftigen, statt die wirklich drängenden Probleme anzupacken. Selbstverständlich haben nicht alle Bürger diese Wahrnehmung, aber es sind doch so viele, dass daraus eine destruktive Teilnahmslosigkeit, eine unangenehme Gereiztheit und vielleicht auch eine Gefahr für unsere demokratische Kultur erwachsen.

Was hilft gegen den Blues? Konstruktives Denken, sicher. Gespräche allerorten, gerade auch mit Menschen, die anderer Meinung sind als man selbst. Hin und wieder auch die Einsicht, dass es den meisten von uns im globalen Vergleich immer noch blendend geht. Qualitätsmedien, die differenziert und wahrheitsgetreu berichten, statt schrillen Schlagzeilen hinterherzuhecheln. Besseres politisches Personal, na klar, das auch, aber wer will sich diesen Knochenjob heute noch antun? Jeder, der sich dafür nicht zu schade ist, verdient unseren Respekt.

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All das und mehr mag helfen – aber was in meinen Augen den größten Einfluss auf eine positive Stimmungslage in der Bevölkerung hat, ist etwas anderes: Die Bürger müssen das Gefühl haben, dass der Rechtsstaat einwandfrei und ohne Ansehen der Person allerorten funktioniert, dass jedwede Straftat schnell und konsequent geahndet wird, dass genügend Sicherheitskräfte da sind, um Kriminalität zu verhindern. Seien es Einbrecher, Schlägertypen oder Vergewaltiger, seien es Finanzbetrüger, Hassprediger oder Hacker, seien es rechtsradikale Mörder, islamistische Terroristen, arabische Clans oder Asylsuchende, die sich nicht an die Regeln halten: Der Staat muss ihnen entschlossen die Stirn bieten. Der Staat darf keinen Millimeter zurückweichen.

Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, scheint nicht überall zu funktionieren – zumindest fühlt es sich so an, was widersprüchlich ist, denn die tatsächlichen Kriminalitätsfälle gehen zurück. Wie erklärt sich das und wie wollen die Sicherheitsbehörden sicherstellen, dass Gewaltverbrechen, der militante Rechtsextremismus, Hassbotschaften im Internet unsere Gesellschaft nicht weiter erschüttern? Niemand kann auf diese Fragen besser Antworten geben als der Chef des Bundeskriminalamts. Anderthalb Stunden hat sich Holger Münch für das Gespräch mit meinem Kollegen Lars Wienand und mir genommen. Wenn Sie ein Interesse an einem sicheren Land haben, darf ich Ihnen unser Interview heute Morgen ans Herz legen: bitteschön.


"Heut' ist der schönste Tag in meinem Leben", sang der wunderbare Joseph Schmidt. Es mag banal klingen, aber Millionen Fußballfans mögen heute in den Chor einstimmen: Zumindest der schönste Tag des Jahres könnte heute sein, denn endlich beginnt die Bundesliga wieder. Wer kickt sich ganz nach vorn: die Borussen (gern)? Wieder die Bayern (och nö)? Etwa die Eintracht (jaaa!)? Unser Sportteam unter der Leitung des Teufelskerls Robert Hiersemann serviert Ihnen jedenfalls ab heute wieder ein Programm der Extraklasse: News, Analysen, Interviews bis zur Winterpause. Zum Einstand hat unser Sportchef ein Interview mit dem belgischen Superstar Romelu Lukaku geführt. Der lehrt Verteidiger in ganz Europa das Fürchten und ist mit seinen 26 Lenzen auf dem Transfermarkt schon mehr als 200 Millionen Euro wert. Nicht leicht, so einen Weltklassesportler vors Mikrofon zu bekommen und ihm auch noch brisante Aussagen zu entlocken. Aber für einen Teufelskerl eine lösbare Aufgabe.


WAS LESEN?

Ich gestehe: Bislang habe ich Leonardo DiCaprio für einen überschätzten Wicht gehalten. Die "Titanic"-Schmonzette, der blasse Gatsby, ein müder Gangster in New York: Nein, so einer kann nicht mit den ganz Großen mithalten, den De Niros, Hoffmans, Pacinos, Walkens. So dachte ich bisher. Aber dann lief gestern Quentin Tarantinos neuer Film in den Kinos an, und ich ergatterte tatsächlich eine Karte für die Spätvorstellung. Nun, ich habe meine Meinung geändert. Wie Leo durch dieses grandiose Hollywood-Epos wirbelt, wie er greint und jauchzt und stöhnt, wie er Brad Pitt, Margot Robbie und sogar Al Pacino locker an die Wand spielt, das ist eine Leistung der Extraklasse. Wie hat er das gemacht? Das hätte ich ihn gern gefragt, aber ich bin ja nur ein überschätzter Wicht. Meine Kollegin Janna Specken hat mehr Ahnung: Sie hat Leo, Brad, Margot und Quentin getroffen.


WAS AMÜSIERT MICH?

Ich wünsche Ihnen einen entspannten Wochenausklang. Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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