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Tagesanbruch: Wie Youtuber Rezo Angela Merkels Politik zerlegt


Was heute wichtig ist
Wie ein 26-Jähriger Merkels CDU zerlegt

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 22.05.2019Lesedauer: 6 Min.
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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
YouTuber Rezo: Mit seiner Kritik an der CDU wurde er einem breiten Publikum bekannt.Vergrößern des Bildes
YouTuber Rezo: Mit seiner Kritik an der CDU wurde er einem breiten Publikum bekannt. (Quelle: imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Sie drucken Wahlplakate mit nichtssagenden Slogans, debattieren im öffentlich-rechtlichen Rentnerfernsehen, werfen mit Phrasen von "Frieden und Wohlstand" um sich – und zerstören gleichzeitig die Stabilität unseres Landes, unsere Zukunft, unseren Planeten: Das ist das Bild, das der 26-jährige YouTuber Rezo aus Wuppertal von der Christlich Demokratischen Union Deutschlands zeichnet. "Die Zerstörung der CDU" heißt seine knapp einstündige Abrechnung mit der Partei, die seit bald 14 Jahren die Geschicke Deutschlands lenkt.

Ein YouTuber redet über Politik?, denken Sie jetzt vielleicht, was belästigt der Harms mich heute Morgen mit so einem Quatsch? Die CDU zerstört unser Land – geht’s auch eine Nummer kleiner? Nein, geht es heute Morgen mal nicht. Der Mann mit dem Künstlernamen Rezo ist erstens nicht irgendwer, auf seinen sozialen Kanälen erreicht er mehr als zwei Millionen junge Menschen. Darunter dürften viele sein, deren Aufmerksamkeit CDU, CSU, SPD, AfD, FDP, Grüne, Linke schon längst verloren haben. Zweitens kommt sein Film nicht als windige Meinungsblökerei daher, im Gegenteil: Er hat recherchiert, Fakten zusammengetragen, Statistiken besorgt, die belegen sollen: Ob in der Sozial-, Klima-, Bildungs-, Digital-, Migrations- oder Außenpolitik – CDU, CSU und auch die mitregierende SPD versagen angesichts der riesigen Herausforderungen unserer Zeit auf ganzer Linie.

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Man muss ihm nicht per se zustimmen, um trotzdem schon nach wenigen Minuten festzustellen: Rezo macht einen Punkt. Und noch einen. Und noch einen. Und noch einen. Da schreibt man als Morgenkommentator seit Jahren gegen Missstände in der Politik an, und dann kommt so ein YouTuber daher und bringt mal eben das Wesentliche schlagfertig auf den Punkt: zack, zack, zack. Schon fast drei Millionen Aufrufe verzeichnet sein Video seit dem Wochenende, im Minutentakt werden es mehr. Falls Sie es noch nicht gesehen haben, finden Sie es hier.

Noch mal: Man muss nicht alles, was er sagt, auf die Goldwaage legen, und man muss auch nicht jede seiner Meinungen teilen. Aber bei gesundem Menschenverstand fällt es an vielen Stellen schwer, es nicht zu tun. Ich sage es mal so: Dieser Film hat das Potenzial, den Ausgang der Europawahl in Deutschland stärker zu beeinflussen als Zigtausende nichtssagende Wahlplakate und langatmige Debatten im Fernsehen.


Die entscheidende Frage beantwortet der YouTuber allerdings nicht: Warum machen die Regierungsparteien in Deutschland keine konsequente, mutige Politik, warum gehen sie nicht entschlossener gegen offensichtliche Missstände vor? "Politik ist die Kunst des Möglichen", hat schon der alte Bismarck geraunt. Schon klar. Die Bundesregierung muss viele widersprüchliche Interessen in Bund und Ländern, Wirtschaft und Gesellschaft berücksichtigen. Auch klar. So eine Koalitionsregierung ist auf Kompromisse angelegt, und die münden eben oft in halbherzige Entscheidungen. Ja, ja. Aber in außergewöhnlichen Zeiten wie jetzt, in denen Klimakrise, Digitalisierung und Globalisierung unsere Welt auf den Kopf stellen, reichen diese Erklärungen nicht mehr. Deshalb schlage ich das Buch "Zukunftsblind. Wie wir die Kontrolle über den Fortschritt verlieren" von Benedikt Herles auf und lese dort, wie der Start-up-Investor ein Staatsdilemma beschreibt:

"Wir erleben gerade ein politisches Innovator’s Dilemma. In Deutschland hat dieses vier Ursachen: Erstens die Vermeidung von politischen Programmen, die Wähler potenziell überfordern oder gefühlte Gewissheiten infrage stellen könnten. Zweitens die Verankerung der Parteiendemokratie in einer industriegesellschaftlichen Arbeitswelt, die es so schon längst nicht mehr gibt. Drittens den Wohlstand und die scheinbare ökonomische Stärke der Bundesrepublik. Und schließlich viertens eine auf ältere Bevölkerungsschichten ausgerichtete Politik, die der Wandel naturgemäß weniger berührt."

Wie Herles seine Thesen begründet, können Sie hier nachlesen. Mir bleibt zu bemerken: Ein 26-jähriger YouTuber und ein Start-up-Investor vermögen die Missstände unserer Zeit besser auf den Punkt zu bringen, als viele wahlkämpfende Politiker.


WAS STEHT AN?

Das Scheinwerferlicht richtet sich auf Berlin, Wiesbaden und Frankfurt: Heute bitten Daimler und Commerzbank ihre Aktionäre zur Hauptversammlung, morgen die Deutsche Bank. Auf allen drei Bühnen geht es um brisante Themen. Bei Daimler sollen die Aktionäre die Aufspaltung des Konzerns in drei AGs unter dem Dach einer Holding abnicken und Dieter Zetsches Nachfolger Ola Källenius applaudieren. Bei der Commerzbank sollen sie ihrer Erleichterung Luft machen, dass die ungeliebte Fusion mit der Deutschen Bank vom Tisch ist, und möglichst wenige Fragen nach der fehlenden Alternativstrategie stellen. Bei der Deutschen Bank sollen sie über den ins Bodenlose fallenden Kurs und das Scheitern von Aufsichtsratschef Paul Achleitner hinwegsehen.

Neu ist, dass sich immer mehr Aktionäre weigern, das sorgfältig inszenierte Theaterstück der Konzernchefs mitzuspielen. Wenn die Darsteller auf der Bühne keine Helden mehr sind, sondern verunsichert wirken und selbst mehr Fragen als Antworten haben, verlangt das Publikum sein Geld zurück. "Die Aktionäre treten kritischer auf", schreibt unsere Wirtschaftskolumnistin Ursula Weidenfeld. "Bei den Hauptversammlungen der großen deutschen Aktiengesellschaften weht ein neuer Wind. Der Unternehmenskultur kann das nur gut bekommen." Womöglich droht Achleitner dasselbe Schicksal wie Bayer-Boss Baumann: Die Anteilseigner könnten ihm die Entlastung verweigern.

Noch vor 20 Jahren hätten wir trotz aller Krisen die Kraft der drei Schwergewichte aus der Deutschland AG beschworen. Hätten ihnen zugetraut, zu neuen Rekorderfolgen durchzustarten. Heute kann man den drei Leichtgewichten eigentlich nur noch wünschen, dass sie ihre hausgemachten Probleme gerade noch in den Griff bekommen, bevor sie vom Wind der Globalisierung in die Nische der Bedeutungslosigkeit geweht werden. Die Digitalisierung verschlafen, in Abgas-, und Zinsbetrugsskandale verstrickt, mit windigen Geschäften Milliarden verzockt, das Image ruiniert: Wenn man sich anschaut, was aus den einstigen Säulen deutscher Wirtschaftskraft geworden ist, kann man sich eigentlich nur noch zwischen Ärger, Kopfschütteln oder Mitleid entscheiden. Aber so ist das eben, wenn Hybris das Geschäftsgebaren bestimmt, wenn Bequemlichkeit und Gier Pioniergeist und gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein ersetzen. Dann geht das Scheinwerferlicht irgendwann aus.

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Moment, bin ich zu pessimistisch? Zumindest Daimler scheint die Zeichen der Zeit doch erkannt zu haben, kooperiert mit Digitalkonzernen, experimentiert mit neuen Geschäftsmodellen, fördert die Elektromobilität. Bleibt das Licht in Stuttgart also länger an? Der Individualverkehr wird sich verändern – aber wie genau und wie schnell, wissen wir jetzt noch nicht. Vielleicht bekommen wir heute zumindest einen Einblick, und zwar in Leipzig: Auf dem Weltverkehrsforum der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit geht es um den "Verkehr für eine Welt im Wandel". Wissenschaftler, Unternehmer und Politiker diskutieren über Herausforderungen und Chancen. Die Daimler-Manager Zetsche und Källenius sucht man in der Rednerliste allerdings vergebens.


Morgen vor 70 Jahren wurde das Grundgesetz erlassen. Bundespräsident Steinmeier ehrt deshalb im Schloss Bellevue Akteure der politischen Bildung. Gestern versprach ich Ihnen an dieser Stelle unsere große Erzählung zum Leben der Fünfzigerjahre. Hier finden Sie den Link, hinter dem Sie in eine Welt eintauchen können, die uns heute fern vorkommen mag, aber unser Leben bis heute beeinflusst. Anschließend mögen Sie sich vielleicht zu Gemüte führen, was Benedikt Höwedes zum 70-jährigen Jubiläum des Grundgesetzes zu sagen hat. Ein Fußballer schreibt über Politik? Und wie!


WAS LESEN?

Claus Ruhe Madsen hat einen großen Bart, großen Humor und große Pläne: Der Däne will Oberbürgermeister von Rostock werden. Im Falle seines Wahlsiegs wäre er der erste OB einer deutschen Großstadt ohne deutschen Pass. Wie tickt der Mann und was treibt ihn an? Den Kollegen der "Ostsee-Zeitung" hat er sich offenbart.


Warum reden EU-Politiker ständig darüber, die Hass- und Desinformationsschleuder Facebook in die Schranken weisen zu wollen – aber dann passiert fast nichts, verlaufen ehrgeizige Vorschriften gegen den Digitalkonzern im Sande? Der Journalist Nico Schmidt zeigt: Das ist alles andere als ein Zufall.


WAS AMÜSIERT MICH?

Was ist klein, hat vier Beine, hält einen Weltrekord und rast auf dem Skateboard? Genau, das kann nur Otto sein. Er hat es sogar ins Guinness Buch der Rekorde geschafft. Lassen wir also jenen historischen Moment noch einmal hochleben, als ein Hund Geschichte schrieb und sich den Titel "längster menschlicher Tunnel, der von einem Skateboard fahrenden Hund durchquert wurde" erkämpfte. Bahn frei für den Champion!

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