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Tagesanbruch: Österreichs Kanzler Kurz zieht einen folgenreichen Schlussstrich


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Österreichs Kanzler zieht einen folgenreichen Schlussstrich

  • Peter Schink
MeinungVon Peter Schink

Aktualisiert am 20.05.2019Lesedauer: 5 Min.
Sebastian Kurz nach seinem Presse-Statement in Wien.Vergrößern des Bildes
Sebastian Kurz nach seinem Presse-Statement in Wien. (Quelle: Leonhard Föger/reuters)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

nach diesem ereignisreichen Wochenende kommt nun der kommentierte Überblick über die Themen des Tages noch einmal von mir als Stellvertreter.

WAS WAR?

Gratulation, lieber FC Bayern München! Ich bin beeindruckt. Bereits das siebte Jahr in Folge. Das Ding geholt. Respekt.

Am Ende war es vor allem Professionalität, bis zum Schluss Spitzenleistungen abzuliefern. Gepaart mit dem Glück, dass der Herausforderer doch zu oft patzte. Und da beginnt auch schon das Problem: Die Stärke der Bayern war in dieser Saison vor allem die Schwäche der anderen. Da gibt es viel aufzuarbeiten. Unser Taktik-Experte stellte jedenfalls kein gutes Zeugnis aus.


Während in München am Samstagnachmittag das Fernduell um die Fußball-Meisterschaft stattfand, warteten zeitgleich nur vier Autostunden entfernt auf dem Wiener Ballhausplatz Tausende Demonstranten. Nach dem Rücktritt des Vizekanzlers Heinz-Christian Strache wollten die nur noch eines: Neuwahlen.

Es war ein Politkrimi, der sich da am Wochenende in Österreich ereignete. Nachdem Strache durch die Veröffentlichung des Ibiza-Videos diskreditiert zurückgetreten war, hatte die schwarz-blaue Koalition keine Chance mehr.

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Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) versuchte den Samstag über, die FPÖ noch zu einer grundsätzlichen Neuaufstellung zu bewegen. Dann entschließt er sich, die Regierung platzen zu lassen. Als Kurz um 20.16 Uhr vor die Presse tritt, ist es schon reichlich spät geworden. Selbstbewusst führt er aus, wie erfolgreich man mit der FPÖ inhaltlich zusammengearbeitet habe. Zugleich habe man aber immer wieder wegen deren Nähe zum Rechtsextremismus schlucken müssen. Dann kommt der entscheidende Satz: "Genug ist genug."

Kurz bittet den Bundespräsidenten um Neuwahlen.

Alexander Van der Bellen, der Grüne im obersten Staatsamt, tritt wenig später erschüttert und doch erleichtert auf. Und wird dann noch deutlicher: "So ist Österreich einfach nicht", sagt er im Bezug auf Straches Verhalten auf Ibiza. Und sagt damit auch: Die FPÖ gehört für ihn nicht mehr zu Österreich. Sie schadet der Demokratie und dem Land.

Nachdem ich das Video gesehen hatte, war auch meine Wut riesig. Journalisten mundtot machen wollen, Steuergelder versprechen für ein paar Wahlkampf-Euro, Macht erlangen wollen, nur um sie dann zu missbrauchen. Und gleichzeitig nach außen den feschen Patrioten geben. Es sind Abgründe, die sich da auftun. Und auch Straches Behauptung, das Treffen auf Ibiza sei ein unverzeihlicher Ausrutscher gewesen, erweist sich schon am Sonntag nach neuen Veröffentlichungen als unhaltbar.

So ist es das eine, in politischen Fragen wie Migration oder Klimawandel einen anderen Kurs zu verfolgen. Das andere ist es, die Demokratie zu unterminieren. Bei der rechts-nationalistischen FPÖ gehört beides zusammen.

Und Strache hat nichts Besseres zu tun, als sich noch im Abgang als Opfer darzustellen. Ich empfehle, seine persönliche Erklärung noch einmal nachzulesen. Da wird deutlich, wessen Geistes Kind dieser Mann ist.

Dem Entsetzen schließt sich die Furcht an. Dass Straches Denken exemplarisch für andere Rechtspopulisten in ganz Europa steht. Sieht man sich Länder wie Ungarn und Polen an, ist das, was Strache der vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte versprach, dort längst Realität. Wenn Strache missliebige Journalisten bei der "Kronen Zeitung" austauschen und den ORF umbauen will, dann ist so etwas in diesen Ländern längst geschehen.

Es war für mich befremdlich, dass AfD-Chef Jörg Meuthen am Samstag keine distanzierenden Worte zur Causa Strache fand. Sondern der FPÖ als "enger Partner" das Vertrauen aussprach. Strache sei nur eine "singuläre Angelegenheit", so Meuthen. Von einem Demokraten hätte ich da andere Worte erwartet.

Der österreichische Bundeskanzler Kurz drückte es so aus: Sein eigener Antrieb sei immer gewesen, dem Land dienen zu wollen. Er teile deshalb das Demokratieverständnis der FPÖ nicht. Es schade dem Land.


Die AfD hat vor der Europawahl ein Problem. Sie hat sich entschieden, mit den europäischen Rechtspopulisten eine gemeinsame Fraktion im EU-Parlament bilden zu wollen.

Am Samstag standen in Mailand bei einer gemeinsamen Europawahl-Veranstaltung alle zusammen: Georg Mayer von der FPÖ, Matteo Salvini von der Lega in Italien, Marine Le Pen aus Frankreich, die Chefin des Rassemblement National, vormals Front National, Geert Wilders von der niederländischen Partij voor de Vrijheid und auch Jörg Meuthen von der AfD.

Ziemlich schlechte Gesellschaft.

Frei nach Alexander Van der Bellen fällt mir da ein: "So ist Europa nicht."


Immerhin, am Abend dieses ereignisreichen Tages traf sich dann auch noch ein anderes Europa. Der Eurovision Song Contest gastiert in Tel Aviv, verwandelt von dort aus Wohnzimmer und Kneipen in ganz Europa in eine Party-Meile. Schrill und schräg in der Darbietung.

Bei der Eurovision gehören jedenfalls auch Israel und Australien wie selbstverständlich zu Europa. Und Conchita Wurst hat fünf Jahre nach dem gewonnenen Finale noch einmal einen Auftritt. Es spielt keine Rolle, dass der Künstler aus Österreich stammt. (Auch nicht, dass das Land in diesem Jahr nicht im Finale dabei ist.)

Madonna ist auch dabei. Und muss sich anschließend heftige Kritik für ihren Auftritt anhören. Passt eigentlich nicht zum ESC.


WAS STEHT AN?

In dieser Woche eine ganze Menge.

In Österreich droht die FPÖ nun mit dem Rücktritt aller Minister. Sebastian Kurz wird sie vermutlich nicht aufhalten wollen.

In Berlin diskutieren am Montagabend um 21 Uhr alle Parteivorsitzenden der im Bundestag vertretenden deutschen Parteien über Europa. So ein Gipfeltreffen hat Seltenheitswert.

Und auch sonst ist am Montag einiges los: In Genf tagt das höchste Gremium der WHO, in Kiew wird der neue Präsident Wolodymyr Selenskyj vereidigt, in London beraten die Tory-Minister über Theresa Mays neue Brexit-Abstimmungspläne.

Am Donnerstag wird die Bundesrepublik Deutschland dann 70 Jahre alt. Ein Grund zum Feiern, da sind sich alle einig. Ein Anlass, um kritisch auf die Gegenwart zu blicken. Und ein Grund, sich für die Zukunft zu engagieren.

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Am Ende der Woche wird dann gewählt. Nicht nur die Europawahl, auch die Landtagswahl in Bremen und etliche Kommunalwahlen stehen an. Die ersten EU-Staaten führen die Wahl zum Europa-Parlament am Donnerstag durch. Wir sind dann am Sonntag zu den Wahlurnen gerufen.

Ich bin vor allem auf die Wahlbeteiligung gespannt. Die war bislang ja immer recht niedrig. Diesmal könnte sich das ändern. Es wäre ein Zeichen, dass sich eine europäische Öffentlichkeit formt. Eine Gesellschaft, die gemeinsamen Debatten über die wichtigen Themen führt. Daran hat es in Europa viel zu lange gemangelt. Für eine echte europäische Identität wäre das dringend nötig.


WAS LESEN?

Falls Sie die Lage in Österreich interessiert, empfehle ich einen Blick auf die Website der Boulevard-Zeitung "Krone". Sie spiegelt in diesen Tagen die Stimmung im Land auf beeindruckende Weise.

Im Audio-Tagesanbruch haben wir am Wochenende über die Wahl in Bremen gesprochen. Deshalb möchte ich Ihnen im Nachgang noch sehr herzlich die Reportage des Kollegen Johannes Bebermeier ans Herz legen. Seine Beobachtung des Wahlkampfs von SPD-Spitzenkandidat Carsten Sieling erklärt vieles.

Etwas Neues ausprobiert haben die Kollegen Lukas Martin, Benjamin Zurmühl, Arno Woelk und Philip Friedrichs. Sie haben Fragen von Ihnen eingesammelt, um sie einem Kreuzfahrtschiff-Animateur zu stellen. Großartige Einblicke, die Andreas Hompesch uns mit seinen Antworten gewährt.

Die Kollegin Franzi von Kempis greift ein wichtiges Thema auf: Den Streik der katholischen Frauen vergangene Woche. Die sich für Veränderungen in der Kirche stark machen, statt einfach auszutreten. Ein wichtiges Signal, ein Weckruf.


WAS AMÜSIERT MICH?

Sie haben vielleicht schon von diesem Beruf gehört: Sound Designer. Ich rede aber nicht von Filmmusik, sondern von Produkten wie Staubsaugern oder Kartoffelchips. Ein wunderbares Video, das uns zeigt, warum wir auf Fake Sounds stehen (engl.).

In diesem Sinne wünsche ich eine spannende Woche. Morgen schreibt wieder Florian Harms an dieser Stelle.

Ihr

Peter Schink
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Twitter: @peterschink

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