Was heute wichtig ist Trump nimmt Deutschland ins Visier
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:
WAS WAR?
“Vom Eise befreit sind Strom und Bäche“: Liegt es am Klimawandel, dass mir Goethes Ostergedicht mitten im Wintermonat Februar in den Sinn kommt, oder ist das da draußen eine Laune der Natur? Ob in Hamburg oder Koblenz, in Leipzig oder Ulm: Nahezu bundesweit lachte uns am Wochenende die Sonne entgegen. Und wir lachten zurück. Da ich weder Biologe noch Mediziner noch Chemiker bin, kann ich Ihnen leider nicht erklären, was genau Sonnenstrahlen, was ein ordentlicher Vitamin-D-Schub im menschlichen Körper auslöst.
Aber es muss etwas Wunderbares sein. Beim Spaziergang im Park flitzten mir am Wochenende Heerscharen von Joggern entgegen, freundlich grüßend und federnden Schrittes. Gleich federte ich mit. Neben der Landstraße erspähte ich zwei Motorradfahrer, die kurzerhand ihre Maschinen abgestellt und sich bäuchlings auf den Fahrradweg gelegt hatten, um sich den Pelz bescheinen zu lassen. In einer Seitenstraße hockte ein Pärchen in Ermangelung einer Bank auf einem Kinderschlitten und schlürfte Kaffee. Kommt nach langen Wolkenwochen die Sonne heraus, stachelt sie uns zu kleinen Fluchten an. Wir tun Dinge, die wir sonst nicht tun, wir lachen ein bisschen lauter als gewöhnlich, jedes Glas ist halb voll statt halb leer, und abends gestatten wir uns ein, zwei mehr davon als sonst. Das wärmt unsere Seelen und unseren Bauch. So sieht er aus, des Frühlings erster Hauch.
Als den Meister aller Unerbittlichen habe ich Donald Trump vergangene Woche bezeichnet, und nun bekommt die deutsche Autoindustrie seine Härte zu spüren. Die Zeichen mehren sich, dass die US-Regierung Autoimporte als “Gefahr für die nationale Sicherheit“ einstufen wird. Dann drohen auch Mercedes, VW, BMW und Audi Sonderzölle von bis zu 25 Prozent. Was klingt wie ein Witz, ist knallharter Protektionismus: Trump hat den kleinen Leuten in den gebeutelten “Rust-Belt“-Bundesstaaten versprochen, dass sie ihre Arbeitsplätze in amerikanischen Autofabriken zurückbekommen – also erklärt er den Importnationen Deutschland und China den Handelskrieg. Dass deutsche Autohersteller in den vergangenen Jahren rund 300 Fabriken und mehr als 113.000 Arbeitsplätze in den USA geschaffen haben? Kinkerlitzchen. Dass amerikanische Unternehmen viele der nachgefragten Modelle gar nicht anbieten? Egal. Dass wirtschaftlicher Erfolg in der globalisierten Welt auf Handel, Vernetzung, Schrankenlosigkeit basiert? Papperlapapp. Der Meister hat seine eigene Wahrheit, der Meister diktiert die Regeln.
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Der Vollständigkeit halber sei gesagt, dass die Zölle und Handelsvorschriften zwischen den USA und der EU in der Vergangenheit tatsächlich ungleichmäßig verteilt waren. Schon Barack Obama beklagte sich über Ungerechtigkeiten. Besonnene Köpfe hätten diesen Konflikt mit dem diplomatischen Florett ausfechten und konstruktiv ausräumen können; dazu war sowohl Brüssel als auch Berlin bereit. Aber das würde nicht dem Stil des Unerbittlichen im Weißen Haus entsprechen. Sein Stil ist das “shock and awe“: Den Gegner mit einer plötzlichen Attacke überrumpeln und so in die Knie zwingen. Deshalb schwingt er statt des Floretts den Säbel. Bundeskanzlerin Merkel hat diese Politik in ihrer umjubelten Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz “erschreckend“ genannt. Da wird ihr wohl kaum jemand widersprechen. Aber eine schlüssige Antwort auf die Säbelattacke hat hierzulande eben auch kaum jemand.
WAS STEHT AN?
In Dresden beginnt heute Morgen der Prozess gegen die frühere AfD-Chefin Frauke Petry, die Anklage lautet auf Meineid. Sie soll vor gut drei Jahren als Zeugin vor dem Wahlprüfungsausschuss des sächsischen Landtages falsch ausgesagt und ihre Angaben beeidet haben. Es ging um die Finanzierung des AfD-Wahlkampfs.
Die SPD stellt heute ihr Programm für die Europawahl vor. Zwei zentrale Forderungen kennen wir schon jetzt: Alle Unternehmen sollen angemessene Steuern zahlen (also auch Facebook, Google und Apple), EU-weit soll es einen Mindestlohn geben.
Heute vor 100 Jahren führten die deutschen Länder in der Weimarer Nationalversammlung die Kombination aus Schwarz, Rot und Gold als deutsche Nationalfarben ein. Was manche heutzutage vergessen haben: Die Farben sind kein Symbol für dumpfen Nationalismus, sondern für ein einiges, freies und demokratisches Deutschland. Sollte man vielleicht öfter dran erinnern.
In Ingolstadt macht die CSU heute den Auftakt zu ihren acht Regionalkonferenzen, in denen sie die Partei reformieren will. Ministerpräsident Söder und Generalsekretär Blume geben den Kurs vor.
Die EU-Initiative für ein einheitliches Leistungsschutzrecht mit Upload-Filtern ruft enormen Protest hervor. Mehr als 4,7 Millionen Menschen haben eine Petition dagegen unterschrieben, die heute an Bundesjustizministerin Katharina Barley übergeben wird. Warum das Vorhaben so brisant ist, erklärt Ihnen meine Kollegin Laura Stresing.
Der FC Liverpool gegen den FC Bayern, Teammanager Jürgen Klopp gegen Trainer Niko Kovac, England gegen Deutschland, Premier League gegen Bundesliga: Wer sich auch nur ein klitzekleines bisschen für das schönste Spiel der Welt begeistern kann, der fiebert dem morgigen Dienstag entgegen. Formal ist es das Hinspiel im Achtelfinale der Champions League. In Wahrheit ist es der Auftakt zum Duell des Jahres – und eine Steilvorlage für unseren “Zweikampf der Woche“: Mein Kollege Florian Wichert sieht Liverpool vorn und nennt dafür fünf schlagende Argumente. Heiko Ostendorp hält hart dagegen.
WAS LESEN?
Falls sie oft oder auch nur gelegentlich mit dem Auto fahren, werden Sie es mitbekommen haben: Die Tage unserer Führerscheine sind gezählt. Ob rosa, grau oder plastikweiß, die alten Lappen werden durch einheitliche EU-Ausweise ersetzt, und wer den Umtausch verpasst, muss blechen. Darüber kann man sich ärgern – oder amüsieren. Denn ist das nicht eine wunderbare Gelegenheit, die alten Lappen hervorzukramen und die Fotos von damals mit heutigen Passbildern zu vergleichen? So dachten wir uns das in unserer Redaktionskonferenz, und so hat es unser Autoredakteur Markus Abrahamczyk dann umgesetzt. Wenn Sie sich über das Ergebnis genauso amüsieren wollen wie ich, klicken Sie bitte hier. Dann erfahren Sie auch, wer der Typ da oben auf dem Foto ist (beziehungsweise war).
Donald Trump will eine Mauer bauen, 1.600 Kilometer lang soll sie sein – können wir Europäer die Dimension dieses Mammutbauwerks eigentlich begreifen? Die Kollegen der “WAZ“ haben einen ebenso einfachen wie überraschenden Weg gefunden, uns schnell auf die Sprünge zu helfen.
Bei manchen Themen ist es geradezu verführerisch leicht, sich zu echauffieren. Nehmen wir also für einen Moment auf der moralisch erhobenen Tribüne Platz und blicken auf die Niederungen des alltäglichen Irrsinns. Heute: die Smartwatch für Kinder. Ersonnen zur lückenlosen Überwachung des Aufenthaltsorts der lieben Kleinen. Bevor ich jetzt die Posaune heraushole und überbesorgte Helikopter-Eltern dem öffentlichen Spott überantworte, möchte ich lieber ein paar technische Takte sagen. Also: Mithilfe einer Smartwatch kann man feststellen, wo das Kind sich befindet, man kann es anrufen und mit ihm sprechen. Ich habe diese Beschreibung bewusst unpersönlich gehalten: "Man" kann das. Also die Eltern. Oder jemand anderes, wenn er sich zur Infrastruktur des Anbieters Zugang verschafft.
Leider haben die Gerätschaften aus dem "Internet der Dinge", vom smarten Türschloss über die Webcam bis zur vernetzen Kinderuhr, in der Vergangenheit immer wieder haarsträubende Sicherheitslücken aufgewiesen. Diese Geräte gelten inzwischen als Risiko für das gesamte Internet, weil sie sich schnell kapern und für Sabotageakte nutzen lassen. In Japan sind gerade staatliche Hacker tätig geworden, um gefährdete Geräte aufzuspüren und zu entschärfen. Denn die Regierung fürchtet, dass sonst im kommenden Jahr die Olympischen Spiele in Tokio lahmgelegt werden könnten. Ja, wegen dieser kleinen Alltagsgeräte, kein Scherz.
Gegenwärtig liegen die Sorgen allerdings näher: Das europäische Warnsystem zum Schutz der Verbraucher vor unsicheren Produkten (RAPEX) hat soeben eine Kinderüberwachungsuhr auf den Index gesetzt, weil sich nach Einschätzung der Behörde Unbekannte Zugang zu den Funktionen der Uhr verschaffen können, um den Aufenthaltsort des jeweiligen Kindes zu überwachen, Gespräche zu belauschen, sich sogar als Stimme aus der Uhr an das Kind zu wenden. Ein Albtraum. Der Hersteller wehrt sich mit dem Hinweis, dass die Ortungsfunktion viel zu ungenau sei, um diese sinnvoll gebrauchen zu können. Das beruhigt nun eher bedingt.
Aber vielleicht ist das Ganze ja nur ein bedauerlicher Einzelfall? Schön wär's. Die Kollegen der Computer-Zeitschrift “c't“ haben schon vor einem Jahr lausig gesicherte Server in China aufgespürt, über die eine weitere Tracking-Uhr ihre Dienste abwickelte. An Schulranzen, die sich per GPS orten lassen, ist ähnliche Kritik laut geworden. Wir lernen also: Die lückenlose Verortung ist ein zweischneidiges Schwert, solange die Absicherung bei den Anbietern so löchrig ausfällt wie ein Schweizer Käse. Vielleicht ist das ja sogar eine Entlastung: Besorgte Eltern müssen nicht damit hadern, ob George Orwell im Familienleben einen Platz haben soll. Denn er soll. Aber lieber im Bücherregal als am Kinderarm.
WAS AMÜSIERT MICH?
Musik kann man hören, aber man kann sie auch sehen. Und manchmal kann man sogar sehen, was man hört (oder hören, was man sieht). Klingt kompliziert? Stimmt. Dabei ist es so einfach.
Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Tag.
Ihr
Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de
Mit Material von dpa.
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