Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Tagesanbruch Was heute Morgen wichtig ist
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:
WAS WAR?
63 Milliarden US-Dollar berappte der Leverkusener Bayer-Konzern im Sommer 2016, um den amerikanischen US-Saatgutriesen Monsanto zu übernehmen. Die teuerste Auslandsübernahme eines deutschen Unternehmens. Das Management um Werner Baumann wollte so die Zukunft des Pharmakonzerns sichern. Den amerikanischen Markt besser erschließen. Einen gefährlichen Konkurrenten fressen, bevor man selbst gefressen wird. Vom Wachstum der Weltbevölkerung profitieren: Im Jahr 2050 werden zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben; um sie zu ernähren, muss die landwirtschaftliche Produktion enorm gesteigert werden. Das geht mit gentechnisch verändertem Saatgut und Unkrautvernichtern wie dem umstrittenen Glyphosat einfacher und schneller. Beides hatte Monsanto.
Zwei Jahre später sorgt Bayer nun wieder für Schlagzeilen: Gestern hat der Konzern angekündigt, 12.000 Arbeitsplätze zu streichen und mehrere Geschäftsfelder zu verkaufen. In Leverkusen versucht man, den Kahlschlag als durchdachte Strategie darzustellen, aber davon sollte man sich nicht blenden lassen. Ein Wort reicht, um den Kern des Problems zu beschreiben: Managementfehler. Mehrere gerade erst zugekaufte Medikamente sind am Markt gefloppt, allein dafür muss Bayer 3,3 Milliarden Euro abschreiben. Der Börsenkurs ist eingebrochen. Und in den USA muss sich Bayer mit mehr als 9.000 Klägern auseinandersetzen, die Glyphosat für krebserregend halten. Große Chefs ganz klein.
Noch ein weiteres deutsches Unternehmen sorgte gestern für Schlagzeilen. Ermittler der Staatsanwaltschaft durchsuchten die Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt. Der Verdacht: Das Institut könnte noch bis in die jüngste Vergangenheit hinein Kriminellen bei der Geldwäsche geholfen haben. "Anklage ist noch nicht erhoben, ein Urteil ist noch nicht gefällt worden. Die Deutsche Bank muss als unschuldig gelten, solange das der Fall ist – oder das Geldhaus selbst Versäumnisse einräumt", schreibt unsere Wirtschaftskolumnistin Ursula Weidenfeld zutreffend. Aber falls der Vorwurf sich bestätigt, wäre es die endgültige Bankrotterklärung.
Denn auch die Krise der Deutschen Bank ist im Kern auf Managementfehler zurückzuführen. Getrieben von Ehrgeiz, Gier und ihren Aktionären versuchten die Herren in den Glitzertürmen, das ehrwürdige Geldhaus Anfang der Nullerjahre zur weltweit führenden Investmentbank hochzujazzen. Dann kam die Finanzkrise, und die hochfliegenden Pläne stürzten ebenso in den Keller wie der Aktienkurs. Heute gilt die Deutsche Bank selbst als Übernahmekandidatin – wenn sie in der bestehenden Form überhaupt noch zu retten ist. Auch hier: Große Chefs ganz klein.
Zwei deutsche Traditionskonzerne, eine Tendenz. Wenn unternehmerischer Mut in Größenwahn umschlägt, bleiben Vernunft, Vorsicht und Seriosität auf der Strecke. Und das Geld der Aktionäre. Und zigtausend Mitarbeiter.
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WAS STEHT AN?
Ein ehemaliger Immobilienhai, der jeden Tag mit neuen Enthüllungen zu seinen windigen Deals rechnen muss und nebenher die stärkste Armee der Welt befiehlt. Ein ehemaliger Geheimdienstler, der sein Riesenreich wie einen Mafiastaat führt. Ein Diktator, der die Weltwirtschaft erobern will, sich aber in einen Handelskrieg verstrickt. Ein Autokrat, der jeden Kritiker einsperrt, der nicht bei drei auf den Bäumen ist. Eine angeschlagene Einzelkämpferin, die ihre Zeit damit vergeuden muss, ihr Land in die Isolation zu führen. Ein Ölmilliardär, der Kinder bombardieren lässt und vermutlich einen Journalisten in Stücke schneiden ließ. Ein verblasster Strahlemann, der gar nicht so schnell gucken kann, wie sich die Leute von ihm abwenden. Und mittendrin die mächtigste Deutsche, die die Interessen von 82 Millionen Bundesbürgern vertreten soll, obwohl jeder weiß, dass sie schon bald aufs Abstellgleis rollt.
Es ist ein ganz besonderes Grüppchen, das heute in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires zusammenkommt. 64 Prozent der Weltbevölkerung und 80 Prozent der globalen Kaufkraft vertreten die Staats- und Regierungschefs der G20, aber wenn man sich ihre Protagonisten ansieht, hat man nicht den Eindruck, dass die wirtschaftliche Macht mit politischer Bedeutung korreliert. Die meisten der Damen und Herren sind entweder tief in politische Konflikte oder persönliche Krisen verstrickt – oder ihre Zeit läuft absehbar ab. Das sollten wir bedenken, wenn wir uns von all den Eilmeldungen aufschrecken lassen, die bis morgen Abend auf unsere Smartphones prasseln werden, wenn wir die wohltönenden Communiqués lesen und die schönen Bilder sehen. Und so stehen sie dann da: Trump, Putin, Xi, Erdogan, May, Salman, Macron, Merkel (wenn sie es denn nach der Panne ihres Airbus noch geschafft hat) und die anderen. Große Chefs ganz klein.
Wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf, dann achten Sie bei den Video- und Fernsehbildern besonders darauf, welcher der Herren und welche der Damen sich traut, dem saudischen Kronprinzen die Hand zu geben. Genau, Mohammed bin Salman heißt er. Genau, das ist der, der vermutlich Jamal Khashoggi ermorden ließ, der den Jemen in Schutt und Asche bomben lässt – und der nun mit großer Entourage und noch größerem Brimborium in Buenos Aires gelandet ist. Mancher Diplomat munkelt: Der Scheich bestand nur deshalb auf dem pompösen Empfang am Flughafen, damit aller Welt klar ist, dass es sich um einen Besuch nach diplomatischen Regeln handelt. Dann darf er nämlich nicht verhaftet werden. Dabei wäre das die beste Maßnahme, die dieser G20-Gipfel beschließen könnte.
Entschuldigen Sie bitte, ich werde unsachlich. Das können die Chefs ja gar nicht beschließen. Haben ja nicht die Prokura. Und sind ja auch viel zu sehr mit ihren Handelsquerelen und dem Ukraine-Konflikt beschäftigt. Aber vielleicht rafft sich ja eine der Damen oder einer der Herren dazu auf, Herrn Salman zwischendurch unter vier Augen ein paar unmissverständliche Worte zu sagen.
Währenddessen werden draußen vor dem Gipfelgebäude die Proteste toben. Wer könnte es den Demonstranten verdenken, solange diese Herrschaften da drinnen über die Steuerung von Handel und Wohlstand in der Welt bestimmen?
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Auf der letzten CDU-Regionalkonferenz in Berlin haben heute Abend Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn noch einmal die Chance, ihre Parteifreunde von sich zu überzeugen. Ende kommender Woche entscheidet dann der Parteitag in Hamburg, wer die neue Nummer eins wird (und mit wem wir künftig als Kanzlerkandidat rechnen dürfen).
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Die SPD-Jusos wollen heute auf ihrem Bundeskongress in Düsseldorf zum gefühlt siebenhundertdreißigsten Mal über den Zustand der SPD diskutieren.
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Auf der Innenministerkonferenz in Magdeburg geht es heute um Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan, einen Punktekatalog für kriminelle Ausländer und Pyrotechnik in Fußballstadien.
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Am Bundesverfassungsgericht steht heute der geplante Richterwechsel an: Ferdinand Kirchhof geht, Stephan Harbarth kommt (und wird gleich zum Vizepräsidenten befördert).
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Jahrelang haben Stuttgarter Bürger dafür gekämpft, dass das ehemalige "Hotel Silber" vor dem Abriss bewahrt wird. Nun haben sie sich durchgesetzt, und das ist gut so: Im ehemaligen Gestapo-Hauptquartier in Stuttgart wird eine Gedenkstätte eröffnet. Die Nazis organisierten dort die Deportation von Juden und Homosexuellen. Im Keller wurden zahlreiche Menschen verhört, gefoltert und ermordet.
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An diesem Wochenende können die Wintersportler richtig durchstarten. Was liegt also näher, als auf t-online.de eine neue Wintersportkolumne zu beginnen? Eben. Spitzensportler aus den Disziplinen Biathlon, Ski alpin, Bob, Rodeln und Skispringen schreiben ab jetzt bei uns über ihre Sportarten. Den Anfang macht Uschi Disl, die mit neun Olympia-Medaillen und acht WM-Titeln zu den erfolgreichsten Biathletinnen aller Zeiten gehört. Sie blickt auf den Weltcup-Auftakt in Slowenien und schreibt über die umjubelte … ach, lesen Sie lieber selbst.
Apropos Biathlon: Mein Kollege Alexander Kohne hat Sprint-Weltmeister Benedikt Doll zum Gespräch getroffen. Der kann nicht nur super flitzen und super schießen, sondern auch super kochen. Glauben Sie nicht? Es ist angerichtet.
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WAS LESEN?
Wenn Sie jeden Morgen den Tagesanbruch lesen, dann interessiert es Sie vielleicht, nach welchen Prinzipien wir in der t-online.de-Redaktion arbeiten. In unserem neuen Redaktions-Blog geben wir nun regelmäßig Einblicke in unsere Arbeit. Zum Auftakt habe ich versucht, unsere journalistischen Leitlinien zusammenzufassen. Ich bin neugierig, was Sie davon halten. Schreiben Sie mir gern.
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456 Bundesligaspiele, 194 Tore, sechs Mal Deutscher Meister, sechs Mal DFB-Pokalsieger, Champions-League-Sieger: Mein Kollege David Digili hat einen echten Superstar des Fußballs zum Interview getroffen und ihm nicht nur interessante Zitate über mehrere Top-Trainer entlockt, sondern auch eine super Suppen-Anekdote. Doch, genau, es geht um Suppe. Viel Essen heute im Sport.
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WAS AMÜSIERT MICH?
Heute hauen wir mal richtig auf den Putz. Schlagen auf die Pauke. Lassen das Blech scheppern. Sie merken schon, ich rühre hier die Werbetrommel für ... Nein, Sie merken es nicht, Sie möchten bloß, dass ich jetzt bitte aufhöre mit diesen komischen Metaphern. Okay. Nur noch ein klitzekleiner Trommelwirbel! Und dann darf endlich der richtige Schlagzeuger ran.
Ich wünsche Ihnen einen fetzigen Tag und dann ein behagliches Adventswochenende. Wenn Sie mögen, können Sie ab Samstagmorgen hier die neue Tagesanbruch-Wochenend-Radiosendung hören. Am Montag schreibt entweder mein Stellvertreter Florian Wichert oder mein Stellvertreter Peter Schink den Tagesanbruch (die beiden wollen es noch ausfechten; im Tischtennis, glaube ich). Ich bin dann ab Dienstag wieder für Sie da.
Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de
Mit Material von dpa.
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