Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Tagesanbruch Was heute Morgen wichtig ist

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:
WAS WAR?
Angela Merkel kommuniziert durch Sprache, aber ein bisschen auch durch die Farbe ihrer Blazer, die sie in nahezu sämtlichen Schattierungen besitzt. Will sie die Grünen umgarnen, trägt sie Grün, bei der FDP ist es Gelb und bei der SPD – genau: ein schönes, tiefes Rot. Man kann es also als nette Geste werten, für welchen Blazer sich die Kanzlerin bei der gestrigen Generaldebatte im Bundestag entschied. Schließlich ist sie auf die SPD angewiesen, wieder mal. Ohne Zustimmung der Genossen kann sie den mühsam errungenen Asylkompromiss nicht umsetzen. Sprache, Blazer – aber natürlich kommuniziert Angela Merkel auch durch Gesten. Einen Eindruck davon bekommt, wer sich die Fotos der Debatte ansieht. Hier ist eine Auswahl: Merkel …
… während der Rede von AfD-Chef Gauland:
… während der Rede des heimlichen CSU-Chefs Dobrindt:
… während der Rede von FDP-Chef Lindner:
… im Gespräch mit jemandem, mit dem sie sich ersichtlich gut versteht (mit dem anderen nicht mehr so sehr):
... und schließlich bei ihrer eigenen Rede (die dokumentierte, welch weiten Weg Merkel seit ihrem Einzug ins Kanzleramt gegangen ist).
Merke: Inhalte sind das A, und der Ton ist das O. Aber Körpersprache ist mindestens das P, Q, R, S, T, U, V, W, X, Y und Z.
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WAS STEHT AN?
Erinnern Sie sich noch an das aufsehenerregende Treffen von Donald Trump und Kim Jong Un in Singapur? Nordkorea wolle sein Atomwaffenarsenal vollständig aufgeben, verkündete der amerikanische Präsident mit stolzgeschwellter Brust und pries sich selbst als genialen "Deal Maker". Drei Wochen später bestätigt sich nun, was schon damals viele Beobachter glaubten: Es war wohl alles nur Show. In Wahrheit schert sich das Regime in Pjöngjang offensichtlich einen feuchten Kehricht um amerikanische Abrüstungswünsche. Statt seine Atomanlagen einzumotten, baut es sie sogar weiter aus.
Heute fliegt US-Außenminister Pompeo nach Pjöngjang, um mal nach dem Rechten zu sehen – oder nein: wohl eher, um sich ebenso wie sein Chef von den gewieften nordkoreanischen Diplomaten einlullen zu lassen. Denn das scheint die Strategie von Kims Leuten zu sein: dem narzisstischen Herrn Trump publicityträchtige Handschlagbilder zu spendieren, die Amerikaner dann in jahrelange Abrüstungsverhandlungen zu verwickeln, dabei immer neue Wenns und Abers und Vielleichts aufzutischen, währenddessen im Stillen weiter aufzurüsten – und irgendwann ist Trump weg. Und das Problem für das Regime auch.
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CDU und CSU haben sich auf ein Kompromisschen in der Asylpolitik verständigt, schön und gut. Aber nun fängt die eigentliche Arbeit erst an: Sie müssen weitere EU-Staaten überzeugen, dabei mitzumachen (oder zumindest so zu tun). Kanzlerin Merkel empfängt heute den ungarischen Premier Orban. Das wird ein spannender Termin, denn kein anderer europäischer Regierungschef hat Merkels liberale Flüchtlingspolitik so heftig attackiert wie der Mann aus Budapest. Ob er heute konziliantere Töne anschlägt? Wohl nur, wenn Merkel ihm als Gegenleistung irgendetwas verspricht (vielleicht zum Beispiel: dass die EU ihre Drohung fallen lässt, ihre Fördermilliarden an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien in Ungarn zu knüpfen? Wer weiß).
Innenminister Seehofer wiederum reist heute nach Wien, um die Suppe auszulöffeln, die er sich selbst eingebrockt hat: Er will und soll und muss versuchen, mit dem österreichischen Kanzler Kurz und dessen FPÖ-Innenminister Kickl ein bilaterales Abkommen über die Rückführung registrierter Asylbewerber zu verhandeln. Weil Herr Kurz ein Freund klarer Worte ist, hat er seinem Gast vorab per Twitter schon mal gezeigt, wo der Hammer hängt.
Keine Frage: Das deutsche Innenministerium landet nach der euphorisch verkündeten CDU/CSU-Einigung im Asylstreit langsam, aber sicher auf dem Boden der Tatsachen – und beginnt nun, beflissen die Erwartungen zu dämpfen. Befragt, wann denn mit den Abkommen mit Österreich und Rom zu rechnen sei, verlegt man sich aufs sprachliche Mäandern: "Einen Zeitplan für die Vereinbarungen kann man derzeit nur prognostizieren, das wäre nicht ganz glücklich", sagt eine Sprecherin.
Ob das die Wähler der CSU glücklich macht?
Auch die Antworten auf die Fragen, wie, wo, wann und wie schnell die "Transitzentren" an der bayerisch-österreichischen Grenze eingerichtet werden, sind heute kaum klarer als gestern. Immerhin hat sowohl Merkel als auch Seehofer inzwischen klargestellt, dass sich Asylbewerber dort nicht länger als zwei Tage aufhalten sollen.
Das tun die beiden weniger aus Menschenliebe, sondern in der Hoffnung, damit die SPD zu beruhigen. Die Genossen haben nämlich klargestellt, dass sie keinen geschlossenen "Haftzentren" zustimmen, in denen Menschen über einen längeren Zeitraum festgehalten werden. Für alle wankelmütigen Genossen hat der heimliche Immer-noch-Vorsitzende Sigmar Gabriel gestern noch einmal klargemacht, Pardon: klargetwittert, wo der Hammer hängt. Leichter wird es dadurch für die SPD-Abgeordneten nicht: Sollen sie den CDU/CSU-Asylkompromiss mittragen oder nicht? Mein Kollege Jonas Schaible sagt: ja. Mein Kollege Johannes Bebermeier sagt: nein. Beste Voraussetzungen also für unser Format Pro & Kontra. Und für mein Fazit: Wer diesen kurzen Artikel gelesen hat, kann sich nicht nur schnell eine eigene Meinung bilden, sondern versteht auch, warum es beim Koalitionsausschuss heute Abend im Kanzleramt hoch hergehen dürfte.
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343.600.000.000 Euro – ganz schön viel, oder? Finde ich auch. Über diese Summe entscheiden die Abgeordneten des Deutschen Bundestages heute Abend. Es ist der Bundeshaushalt, und zum fünften Mal in Folge soll dieser ohne neue Kredite auskommen (was man kritisch sehen kann, was aber tatsächlich eine Leistung ist). Die Finanzplanung bis 2021 wollen die Abgeordneten in ihrer letzten Sitzung vor der Sommerpause auch gleich noch beschließen. Und wenn sie ihre Hausaufgaben gemacht haben, warten auf viele schon die Ferien.
Vorher aber noch schnell der Überblick, wofür die 343,6 Milliarden Euro ausgegeben werden sollen:
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WAS LESEN UND ANSCHAUEN?
Bestseller, Bestseller, Bestseller: Was im Buchhandel die Auflage ist, ist im Online-Journalismus der Klick. Nach Seitenaufrufen, Website-Besuchen und Lesern pro Monat lässt sich der Erfolg eines Digitalmediums bemessen, und da liegt, man kann das einfach mal konstatieren, t-online.de in Deutschland ganz weit bzw. sogar ganz vorn. Das liegt an der Arbeit unserer Journalisten, Produktmanager, IT- und Projektentwickler. Und an unseren Kolumnisten. Ganz vorn dabei: unser geschätzter Kollege Gerhard Spörl. Geben Sie doch einfach mal bei Google seinen Namen ein, klicken Sie auf "News" und führen Sie sich seine Texte zu Gemüte: informativ, erhellend, aufschlussreich. Und: ein Bestseller nach dem anderen.
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Die Kollegen der BBC haben eine wunderbare Serie: Sie heißt "Die merkwürdigsten Museen der Welt". Für die neueste Folge sind die Reporter nach Zagreb gefahren. In einer sorgfältig kuratierten Ausstellung fanden sie dort zum Beispiel: einen Stöckelschuh, eine Stoffraupe, eine Taschenuhr – und eine Axt. Was verbindet diese scheinbar gewöhnlichen Gegenstände? Ganz einfach: Jedes hat eine Geschichte von Euphorie und Schmerz zu erzählen. Denn es sind die Erinnerungen von Menschen, deren Herz erst in Liebe entflammte – und dann gebrochen wurde.
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Wir Menschen sind eine unterhaltsame Spezies. Wir gießen gerne und regelmäßig eine dunkle, trübe Flüssigkeit in uns hinein, die zwar köstlich schmeckt, aber farblich zwischen schlammigem Brackwasser und Altöl changiert. Wir tun das häufig als Kompensationsritual für fehlenden nächtlichen Schlaf. Dann kommen wir ins Grübeln und betreiben mit großem wissenschaftlichem Aufwand Studien, die belegen sollen, dass die braunschwarze Brühe irgendwie doch nicht total ungesund ist.
Das Tolle daran? Es funktioniert. Amerikanische Forscher haben in einer Untersuchung der Daten von 500.000 Personen festgestellt, dass Kaffeekonsum – auch hoher Kaffeekonsum – mit einer spürbaren Erhöhung der Lebenserwartung einhergeht. Das Blöde daran? Dass beides miteinander einhergeht, heißt leider nicht, dass Kaffeetrinken auch der Grund für die hohe Lebenserwartung ist. Wir kennen das aus anderen Bereichen: Zum Beispiel ist es umso wahrscheinlicher, an Lungenkrebs zu erkranken, je mehr Feuerzeuge im Haushalt zu finden sind. Trotzdem verursachen Feuerzeuge ziemlich sicher keinen Lungenkrebs.
Beim Kaffee ist immerhin bekannt, dass er entzündungshemmend wirkt, die Gefäße im Körper geschmeidig hält, Zuckerhaushalt und Leber positiv beeinflusst. Laut der aktuellen Studie kommt es nicht auf individuelle Eigenheiten des Stoffwechsels an, auch sonst ist alles ziemlich egal: Aufgebrüht wirkt der Kaffee am besten, löslicher Kaffee geht aber auch. Entkoffeiniert? Auch. Altöl mit Film? Das müssen wir offen lassen.
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WAS AMÜSIERT MICH?
Ich schaue ja wirklich gern Weltmeisterschaftsfußball und freue mich über begnadete Spieler. Aber wieso sind so viele von denen an Unterarm, Oberarm und/oder Schulter bunt bemalt? Ach so, gehört das vielleicht zur Einstellungsvoraussetzung für Profikicker?
Ich wünsche Ihnen einen kunterbunten Tag.
Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de
Mit Material von dpa.
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