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SPD-General Lars Klingbeil: "Nicht warten, bis nächster Politiker ermordet wird"


Interview
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Anti-Hass-Initiative
"Wir können nicht warten, dass der nächste Politiker ermordet wird"

  • David Ruch
InterviewEin Interview von David Ruch und Florian Harms

Aktualisiert am 26.01.2020Lesedauer: 10 Min.
Lars Klingbeil im Interview: Auch bei der Union sieht er inzwischen eine größere Bereitschaft, den Mindestlohn deutlich zu erhöhen.Vergrößern des Bildes
Lars Klingbeil im Interview: Auch bei der Union sieht er inzwischen eine größere Bereitschaft, den Mindestlohn deutlich zu erhöhen. (Quelle: Urban Zintel für t-online.de)

Die SPD wagt den Spagat zwischen Erneuerung und Regierungsverantwortung. Generalsekretär Lars Klingbeil erklärt im Interview mit t-online.de, wie die Genossen endlich wieder auf die Erfolgsspur kommen wollen – und erläutert seine parteiübergreifende Initiative gegen Hass.

Mitte Januar schossen Unbekannte auf das Bürgerbüro des SPD-Bundestagsabgeordneten Karamba Diaby. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der im Senegal geborene Politiker auch Morddrohungen erhielt. Sein Parteikollege Christoph Landscheidt sah sich Anfeindungen aus der rechten Szene ausgesetzt, er wollte sich deshalb einen großen Waffenschein erstreiten.

Amts- und Mandatsträger in Deutschland sind immer häufiger Drohungen und Beleidigungen ausgesetzt. In manchen Regionen ist es deshalb schon schwierig geworden, kommunale Ämter zu besetzen, weil sich kaum noch jemand traut. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil besorgt diese Entwicklung zutiefst. Er hat deshalb eine parteiübergreifende Initiative angestoßen, um den Schutz für diese Menschen zu verbessern. Im Interview mit t-online.de kündigt er nun erste Schritte an und sagt auch, wer dabei mitmacht.

Ausführlich spricht der SPD-General auch über den Start der neuen Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sowie über den Spagat zwischen dem Wunsch nach Erneuerung und der Verantwortung als Regierungspartei. Und er erklärt, wie 75 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz Erinnerungskultur gelebt werden kann.

t-online.de: Herr Klingbeil, nach einem monatelangen Auswahlprozess haben die beiden neuen SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans angekündigt, alles anders zu machen: Sie wollten den Mindestlohn sofort auf zwölf Euro anheben, Milliardeninvestitionen durch neue Schulden finanzieren, das Klimapaket noch mal aufschnüren. Nun geht aber im Wesentlichen alles weiter wie bisher. Was läuft schief?

Lars Klingbeil: Ich finde schon, dass sich etwas verändert hat. Ich merke, dass die Partei sehr viel Kraft aus dem Verfahren gezogen hat. Der Parteitag hat für Veränderungen am Klimabeschluss gestimmt, was wir mit dem Ergebnis im Vermittlungsausschuss auch geschafft haben. Und wir werden nächste Woche im Koalitionsausschuss auch mit der Union über weitere Themen reden.

Was genau wollen Sie der Union abtrotzen?

Vier Themen sind uns als SPD sehr wichtig. Darauf haben wir uns auf dem Parteitag mit allen verständigt: Das sind die Veränderung der Arbeitswelt, die Digitalisierung, Investitionen und der Bereich Klimaschutz. Hier werden wir darauf drängen, dass es Veränderungen über den Koalitionsvertrag hinaus gibt. Die Zeit hat sich ja weitergedreht.

Bitte konkreter.

Beim Thema Investitionen sagen mittlerweile alle Experten, dass da was passieren muss. Olaf Scholz tut schon sehr viel, er investiert bis 2021 insgesamt fast 160 Milliarden Euro, ein Drittel mehr als in der letzten Legislaturperiode. Aber wir, auch Olaf Scholz, wollen eine Verstetigung von Investitionen. Die Kommunen bauen Stellen ab, weil ihnen die Planungssicherheit fehlt. Wenn wir Deutschlands Zukunft gestalten wollen, muss das jetzt ein Jahrzehnt der Investitionen werden.

Ihr Problem ist doch die permanente Diskrepanz: Einerseits sehnen sich viele SPD-Mitglieder nach einem Aufbruch, andererseits stecken Sie in der Ehe mit der Union und müssen ständig Kompromisse machen. Also doch alles wie vorher.

Auf dem Parteitag ist die klare Entscheidung getroffen worden, in der Regierung zu bleiben. Aber natürlich gibt es die Erwartung, dass jetzt Taten folgen. Beim Klimaschutz haben wir gezeigt, dass das möglich ist. Auch beim „Arbeit von Morgen“-Gesetz von Hubertus Heil geht es um Dinge, die nicht im Koalitionsvertrag stehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Union bei einem Thema wie Zukunftsinvestionen die Augen verschließt.

Die Nachbesserungen beim Klimaschutz gingen ja vor allem auf das Konto der Grünen im Bundesrat, da schmücken Sie sich doch mit fremden Federn.

Die SPD hat mit dem Parteitag und auch mit der Wahl der neuen Parteivorsitzenden Dynamik in die Klima-Debatte gebracht. Und außerdem haben wir mit unseren starken SPD-Ministerpräsidenten den Kompromiss im Bundesrat ganz entscheidend mit ausgehandelt, der am Ende auch von den Grünen getragen wurde.

Lars Klingbeil (41) ist seit gut zwei Jahren Generalsekretär der SPD. Seine politische Laufbahn begann er als Mitglied des Stadtrates in seiner Heimatstadt Munster. Von 2001 an arbeitete er für zwei Jahre im Wahlkreisbüro von Kanzler Gerhard Schröder. Seit 2009 ist er Mitglied des Bundestages. Klingbeil profilierte sich als Netzpolitiker. Er gehört dem konservativen Seeheimer Kreis in der SPD an.

Um den Mindestlohn von zwölf Euro, den Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zur Voraussetzung für die Fortsetzung der großen Koalition gemacht hatten, ist es hingegen ziemlich still geworden. Da haken Sie nicht nach. Knicken Sie vor der Union ein?

Die Frage nach einem Einkommen, von dem Menschen vernünftig leben können, wird von uns permanent gestellt. Selbst in der Union mehren sich Stimmen, die sagen, beim Mindestlohn muss etwas passieren, wie man beim CDU-Parteitag sehen konnte, wo ein Beschluss zur Anhebung gefasst wurde. Wenn der Bericht der Mindestlohnkommission und die Evaluierung des Ministeriums vorliegen, werden wir die Diskussion in der Koalition führen. Die Politik muss dafür sorgen, dass Menschen, die sich anstrengen und die etwas leisten, davon auch vernünftig leben können. Mit zwölf Euro Mindestlohn wird das viel stärker realisiert werden können.

Die Forderungen Ihrer neuen Parteispitze gingen aber noch darüber hinaus: höhere Rentenbeiträge für Reiche, mehr Steuern für Spitzenverdiener und Unternehmenserben, weniger Rüstungsexporte. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hat das alles kurzerhand abgelehnt. Wie lösen Sie diesen Widerspruch auf?

Ich halte es für richtig, dass die neuen Vorsitzenden die Beschlüsse des Parteitags selbstbewusst nach außen tragen. Sie wurden dafür gewählt, die SPD als eigenständige Partei sichtbar zu machen. Im Übrigen hat Herr Ziemiak schon oft gesagt: Das geht nicht. Und dann hat man sich doch vernünftig an einen Tisch gesetzt und eine Lösung gefunden. Ich vertraue einfach darauf, dass der Union klar ist, dass wir jetzt die Weichen bei der Bildung, beim Klimaschutz, bei der Digitalisierung und für neue Arbeitsplätze stellen müssen, um als Wirtschaftsstandort nicht für Jahre in Rückstand zu geraten.

Noch mal: Sie haben einerseits eine Parteispitze, die der SPD eine neue Richtung geben will, und Sie haben andererseits SPD-Minister, die der Kabinettsdisziplin unterworfen sind. Halten Sie diesen Spagat bis zur nächsten Bundestagswahl durch?

Es kommt darauf an, als Team zu kommunizieren, was in der Regierung gerade an Gestaltung möglich ist, und wo wir als SPD darüber hinaus hinwollen. Das ist kein Widerspruch. Jedes Gesetz, das wir durchgebracht haben, ist ein Schritt in die Richtung, in die wir gehen wollen.

Wie soll denn die Grundrente noch klappen? Die Deutsche Rentenversicherung hat soeben gewarnt, sie lasse sich in der von Arbeitsminister Hubertus Heil geplanten kurzen Zeitspanne gar nicht mehr umsetzen.

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Die Grundrente wird kommen, das hat die Regierung gemeinsam so entschieden. Die Hinweise, die jetzt von der Rentenversicherung kommen, gehören zum normalen Verfahren. So sehen wir, wo wir noch nacharbeiten müssen.

Auch beim Thema Steuern gibt es viele offene Fragen: Saskia Esken fordert eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, um mit dem zusätzlichen Geld neue Investitionen zu finanzieren. Unter den rund vier Millionen Deutschen, die den Spitzensteuersatz bezahlen, sind allerdings viele Leute, die 5.000 bis 6.000 Euro monatlich verdienen. Die träfe eine Erhöhung mit voller Wucht. Halten Sie es wirklich für richtig, diese Bürger aus der Mittelschicht noch stärker zur Kasse zu bitten?

Sie haben da leider einen Teil vergessen. Wir wollen, dass der Spitzensteuersatz erst bei 90.000 Euro jährlich beginnt. Das würde die von Ihnen genannten Einkommen massiv entlasten. Bedingung wäre für uns dann auch eine Erhöhung des Satzes für die wirklich Reichen in diesem Land. Mit diesem Vorschlag sind wir schon in die Koalitionsverhandlungen gegangen. Aber die Union hat sich dem verweigert.

Wir haben den Eindruck, die SPD ist vor allem gut darin, Geld zu verteilen. Warum überlegen Sie nicht mal, einfach mehr Bürgern mehr von ihrem verdienten Geld zu lassen?

Ich glaube, die meisten Bürger haben ein hohes Vertrauen in die Kompetenz des Finanzministers und wissen, dass er einen guten Job macht.

Weil er halt einen riesigen Spielraum hat. Noch nie hat ein Bundesfinanzminister so viel Geld eingenommen und konnte so viel ausgeben wie Olaf Scholz.

Er ist der Finanzminister, der das Investitionsvolumen massiv hochgefahren hat. Und zusätzlich haben wir die Menschen entlastet: Wer ein Jahreseinkommen bis 100.000 Euro hat, wird von den Pflegekosten für Angehörige befreit, das Kindergeld steigt und der Soli wird für 90 Prozent der Steuerzahler abgeschafft. Familien und Beschäftigte erhalten insgesamt die größte Netto-Verbesserung für den eigenen Geldbeutel seit über 10 Jahren.

Wie müsste denn eine Steuerreform aussehen, die von der SPD zu 100 Prozent mitgetragen wird?

Die Mitte entlasten und die Superreichen in diesem Land stärker in die Verantwortung nehmen.

Das ist doch aber in dieser Legislaturperiode unrealistisch.

Wenn dann, weil die Union ihre Position seit den Koalitionsverhandlungen hier nicht geändert hat.

Themenwechsel: Wir erleben immer öfter, dass Politiker bedroht oder sogar angegriffen werden. Sie haben eine überparteiliche Initiative gestartet, die etwas dagegen unternehmen will. Wie genau soll die funktionieren und was soll sie bewirken?

Es geht mir darum, jetzt ein öffentliches Signal zu senden. Dafür habe ich alle Generalsekretäre der Parteien – bis auf die AfD – angeschrieben und sehr schnell, sehr positives Feedback erhalten. Wir werden uns am kommenden Donnerstag parteiübergreifend zusammensetzen und beraten, was wir auf unserer Ebene anstoßen können und müssen. Wenn ich daran denke, was mein Bundestagskollege Karamba Diaby gerade aushalten muss – Morddrohungen und Schüsse auf sein Bürgerbüro in Halle. Da läuft es mir eiskalt den Rücken runter. Wir können nicht einfach darauf warten, dass der nächste Politiker oder Ehrenamtliche Opfer von Gewalt oder gar ermordet wird. Wir haben alle die Pflicht, etwas zu tun. Und es geht ja nicht nur um die Politik. Ich war an Heiligabend in einer Rettungswache in meinem Wahlkreis. Dort haben mir Einsatzkräfte von Übergriffen im ländlichen Raum berichtet, man kann sich das gar nicht vorstellen. Da findet gerade an vielen Stellen eine ungeheure Verrohung in Deutschland statt. Wir müssen den Menschen, die uns helfen und die sich für unser Land engagieren, zeigen, dass der Staat, dass die Gesellschaft hinter ihnen steht und alles tut, um sie zu beschützen.

Bitte konkreter: Was genau planen Sie?

Wir müssen zum Beispiel etwas dagegen tun, dass Fälle von Beleidigung von Gerichten nicht als Bagatelle abgetan werden. Die SPD-Justizministerin Lambrecht ist gerade dran, den Paragraphen 188 des Strafgesetzbuchs zu ändern, der bislang Bundes- und Landespolitiker besonders schützt, Kommunalpolitiker aber noch nicht. Dann brauchen wir sicher auch mehr Schwerpunktstaatsanwaltschaften. Wir überlegen auch, welchen Schutz wir als Partei unseren Amts- und Mandatsträgern bieten können. Weiß eigentlich jeder Kommunalpolitiker, an wen er sich in der Partei wenden kann, wenn er bedroht wird? Und außerdem wollen wir beim Thema Hassrede die Plattformen stärker in die Pflicht nehmen.

…also Facebook, Twitter und Co. Das ist ein endloser Streit: Die amerikanischen Plattformbetreiber und deutschen Politiker schieben die Verantwortung hin und her. Und die meisten Gerichte wissen nicht, wie sie die Flut von Anzeigen bewältigen sollen.

Die sozialen Medien sind quasi öffentliche Räume. Deshalb stehen die Plattformen natürlich in der Pflicht. Wir werden sie jetzt dazu zwingen, strafrechtlich relevante Kommentare nicht nur zu löschen, sondern auch beim BKA zu melden.

Aber das allein reicht doch nicht, um die zunehmende Verrohung aufzuhalten.

Natürlich sind das alles nur einzelne Stellschrauben. Es gibt keinen Königsweg. Es geht um eine Vielzahl von Maßnahmen. Wir müssen auch aufpassen, wie wir in der Politik miteinander reden. Wir haben mittlerweile eine Verachtung des politischen Kompromisses.

Woher kommt die?

Das hat ganz viel mit der Debattenkultur zu tun. Man will immer 100 Prozent, man erwartet auch von den Politikern immer 100 Prozent. Wer nicht derselben Meinung ist, der ist der Feind. Davon müssen wir wegkommen. Deutschland ist in den vergangenen Jahrzehnten dadurch stark geworden, dass wir immer wieder in der Mitte der Gesellschaft Kompromisse ausgelotet haben. Das ist verlorengegangen. Aber das gilt es zurückzuholen. Entscheidend ist, dass jetzt etwas passiert gegen die Bedrohungen und Beleidigungen. Wir brauchen einen Aufstand der Vernünftigen, die sagen: Wir lassen das nicht zu!

Die AfD haben Sie bei Ihrer Initiative aber nicht eingebunden. So grenzen Sie doch selbst andere aus.

Wenn ich ein Feuer löschen will, dann kann ich nicht die Brandstifter mit ins Boot holen.

Sind die aus Ihrer Sicht ausnahmslos alle Brandstifter, die AfD-Leute?

Es gibt kein Gut und kein Schlecht in der AfD. Diese Partei steht für die Verrohung des politischen Diskurses, diese Partei grenzt aus. Es gibt Hinweise, dass sie Verbindungen in rechte Terrornetzwerke hat. Ich kann bei dieser Partei nicht differenzieren.

Sigmar Gabriel hat vor gut zwei Jahren im t-online.de-Interview über die AfD gesagt, das seien „echte Nazis“. Würden Sie das auch so sagen?

Für mich sind das die Brandstifter.

Und mit denen soll und kann man überhaupt nicht reden?

Ich sehe keine Plattform, auf der man mit Leuten reden kann, die den politischen Diskurs in diesem Land zerstören und die anständigen Demokraten mundtot machen wollen.

Haben Sie den Eindruck, dass auch AfD-Funktionäre die Hassstimmung schüren?

Ich muss mir doch nur ansehen, wie einzelne Abgeordnete der Partei auf den Angriff auf Karamba Diabys Büro reagiert haben. Da wurden Fragen gestellt, ob da wirklich Schüsse gefallen seien, ob er das nicht selbst gemacht habe. Unfassbar abstoßend! Ich erwarte Solidarität, wenn ein Mandatsträger und seine Mitarbeiter angegriffen werden!

Am Montag jährt sich die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz zum 75. Mal. Jüdische Mitbürger berichten von stark zunehmendem Antisemitismus in Deutschland.

Ich nehme das auch so wahr. Ich habe am Tag nach dem Angriff auf die Synagoge in Halle mit dem Geschäftsführer des Zentralrates der Juden telefoniert, der mir geschildert hat, was die Menschen in der Synagoge durchgemacht haben. Es war eines der bedrückendsten Gespräche, die ich im vergangenen Jahr geführt habe. Wir haben danach Innenminister Seehofer aufgefordert, viel genauer hinzuschauen, was sich am rechten Rand zusammenbraut.

Am Freitag hat er die Neonazi-Organisation „Combat 18“ verboten.

Und ich bin ihm dafür dankbar. Aber das darf jetzt keine Einzelaktion bleiben. Die rechten Strukturen wachsen kontinuierlich, sie vernetzen sich international. Es gibt Todeslisten. Es wird gezielt Antisemitismus geschürt.

Was ist die richtige Antwort darauf?

Sie kann nur ein konsequenter Rechtsstaat und eine Stärkung der Prävention sein. Es ist ein Armutszeugnis für dieses Land, wenn Juden mir sagen, sie würden sich fragen, ob sie in diesem Land noch leben können.

Von vielen Bürgern kommt das Argument: Aber es gibt ja auch Linksextremismus.

Ich bin gegen jede Form von Gewalt und natürlich muss sich ein Staat mit allen Formen von Gewalt auseinandersetzen. Aber schaut man objektiv auf die vergangenen Jahre, dann ist eindeutig der Rechtsterror das Problem. Das belegen die Zahlen: Die Mehrheit der politisch motivierten Angriffe auf Amts- und Mandatsträger kamen 2019 von rechts. Aber leider war man auf dem rechten Auge blind.

Wer war blind?

Bei den staatlichen Strukturen gab es ein Defizit. Wenn der Innenminister jetzt einen Ausbau der Kapazitäten gegen rechts fordert, dann ist das auch ein Zeichen, dass man jetzt erst richtig anfängt, die nötigen Strukturen aufzubauen.

Rund um Gedenktage wie die Auschwitz-Befreiung am Montag hört man häufig: Nun lasst uns doch endlich mit den alten Geschichten in Ruhe! Was entgegnen Sie solchen Menschen?

Was in diesem Land passiert ist und was von unserer Eltern- und Großelterngeneration ausgelöst worden ist, verpflichtet uns historisch. Ich möchte in einem Land leben, in dem nie wieder Minderheiten diskriminiert werden, in dem Demokratie und Meinungsfreiheit herrschen.

Dafür muss man wissen, was damals passiert ist. Sollte es deshalb für Schüler verpflichtende Besuche in KZ-Gedenkstätten geben?

Ich finde ja. Wir leben in einer Umbruchphase, weil die Zeitzeugen immer weniger werden. Deshalb werden diese Erinnerungsorte immer wichtiger. Jede Schulklasse sollte einmal so erschütternde Orte wie ein KZ besucht haben.

Herr Klingbeil, vielen Dank für das Gespräch.

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