Dubiose Geldquelle in der Schweiz AfD hat Spenden für Guido Reil noch nicht zurückgezahlt
Für Parteichef Meuthen hat die AfD den Wert einer dubiosen Spende an die Bundestagsverwaltung gezahlt. Nun rückt eine Plakataktion für Bundesvorstand Reil in den Fokus.
Die AfD hat der Bundestagsverwaltung bisher erst einen Teil der fragwürdigen Spenden erstattet, die die Partei aus der Schweiz erhielt. Zur Erinnerung: Anfang August zahlte die Partei für ihren Chef Jörg Meuthen 5.352,25 Euro an die Bundeskasse. Das ist der Gegenwert jener Unterstützung, die Meuthen für seinen Wahlkampf in Baden-Württemberg 2016 von der Schweizer Werbeagentur Goal AG erhalten hatte. Die Bundestagsverwaltung prüft derzeit, ob es Anhaltspunkte für illegale Parteienfinanzierung gibt.
Reil schätzte Wert auf etwa 50.000 Euro
Noch nicht überwiesen hat die Partei hingegen den Wert von Spenden, die der AfD-Bundesvorstand Guido Reil aus der gleichen Quelle im Jahr 2017 erhielt. Das teilte die Bundestagsverwaltung auf Anfrage des Recherchebüros Correctiv mit. Reil selbst hat den Wert dieser Hilfe für seine Kampagne im Landtagswahlkampf NRW einmal auf etwa 50.000 Euro geschätzt.
Die Bundestagsverwaltung prüft derzeit, ob die Gelder aus der Schweiz eine illegale Parteienfinanzierung darstellen. Wer hinter den Geldern der Goal AG steckt, ist nicht bekannt. Parteienfinanzierung aus dem Ausland ist zudem nicht erlaubt.
Die AfD hält die Spenden für korrekt, überwies den Gegenwert der Wahlkampfhilfe für Parteichef Meuthen aber vorsorglich an den Bundestag. Wenn die Verwaltung des Parlaments die Spenden als illegal einstufen sollte, müsste die Partei das Doppelte des Wertes zurückzahlen – es sei denn, die Spende ist vorsorglich ausgeglichen worden. Wie es die AfD jetzt im Fall Meuthen getan hat.
In einem Telefonat mit Correctiv konnte der Parteivorsitzende Meuthen nicht sagen, ob die AfD den Gegenwert der Goal-Spende an Reil ebenfalls an die Bundestagsverwaltung zahlen wird.
Der vielleicht entscheidende Tag
Correctiv hatte die finanzielle Hilfe der Goal AG für die Wahlkämpfe der beiden Politiker aufgedeckt. Sie sind bis heute die einzigen beiden AfD-Politiker, bei denen eine derartige Wahlkampfhilfe durch die Schweizer Werbeagentur bekannt wurde.
- Illegale Spende? AfD-Chef Meuthen unter Verdacht
Für die Verbindung zwischen dem heutigen Parteichef Meuthen und Reil, einem Bergmann aus Essen, ist vielleicht der 13. Mai 2017 das entscheidende Datum. Beide sitzen einen Tag vor der Landtagswahl in NRW in einem Restaurant zusammen. Reil trinkt Bier. Der Essener AfD-Chef und heutige Bundestagsabgeordnete Stefan Keuter postet ein Foto von der Begegnung auf Facebook. "Abendessen mit Prof. Jörg Meuthen und Guido Reil", verkündet Keuter stolz.
Das Treffen zeigt zugleich den rasanten Wandel von Guido Reil. 2016 ist der Bergmann und Gewerkschafter aus Essen noch in der SPD. Dann tritt er in die AfD ein.
Dort gehört er anfänglich zu dem Lager um die damalige Parteichefin Frauke Petry. Petry will damals verhindern, dass der schon seit Jahren ablaufende Rechtsruck der AfD erst ganz am rechtsradikalen Rand endet. Im Frühjahr 2017 eskaliert ein Machtkampf zwischen Petry und ihrem Co-Chef Meuthen. Petry will den Führer des rechtsradikalen Flügels, Björn Höcke, aus der Partei werfen. Meuthen ist dagegen.
Als am 8. April 2017 die AfD ihren NRW-Wahlkampf in Reils Stimmbezirk Altenessen startet, ist Reil noch klar im Lager Petrys zu finden. Er stellt sich gegen Höcke: "Jemand, der den Holocaust und die Nazi-Gräuel versucht klein zu reden oder anders darzustellen, hat in der AfD nichts zu suchen", sagt Reil. Überraschend ist auch Meuthen auf Einladung von Keuter bei dieser Veranstaltung zu Besuch.
Zum Parteitag hat Reil die Lager gewechselt
Zwei Wochen später findet in Köln der denkwürdige AfD-Parteitag statt, auf dem Meuthen den Machtkampf gegen Petry gewinnt. Ihr Versuch scheitert, die AfD auf eine realpolitische Linie einzuschwenken. Meuthen erniedrigt die Parteichefin auf offener Bühne.
Umgeschwenkt ist auch der Bergmann Reil: Er jubelt Meuthen zu. Er habe den Parteitag "gerockt", sagt Reil gegenüber dem Fernsehsender Phoenix über Meuthen.
Um im Lager von Meuthen anzukommen, fehlt nur noch die Kehrtwende in der Causa Höcke. Am 1. Mai sagt Reil gegenüber Correctiv, dass Höcke wohl in der Partei verbleiben werde, denn in der AfD hätten viele Menschen Platz. Zwei Wochen später trinkt er am Vorabend der Landtagswahl jenes Bier mit Meuthen. Reil steht auf der Landesliste für die Wahl in NRW und ist Direktkandidat in Essen.
In jenen Wochen seiner Wandlung bekommt Reil einen Anruf. Am Telefon ist die Schweizer Agentur Goal AG. Sie will die Wahlkampagne von Reil mit Plakaten unterstützen. Die Agentur wolle für Reil in dessen Wahlkreis im Essener Norden Plakate schalten. Alles sei bezahlt, nur die Auftraggeber wurden nicht genannt, erinnert sich Reil im Juli 2017 gegenüber Correctiv. Reil unterschreibt eine "Nutzungserlaubnis" und schickt Fotos von sich an die Goal AG.
Den Wert der Spende schätzt Reil später selbst auf 50.000 Euro. Die Plakate zeigten den Bergmann in Outdoor-Jacke mit dem Spruch: "Wirklich einer von uns!" Dazu das AfD-Logo. Über 40 Plakate hingen 20 Tage vor der Wahl in der Essener Innenstadt. Reil ließ eine Anfrage für diesen Text unbeantwortet.
Unbekannte Spender für die AfD
Es ist ein Privileg, dass Reil Hilfe von der Goal AG erhielt, die immer mehr ins Zentrum einer sich anbahnenden Parteispendenaffäre rund um die AfD rückt. Bis heute sind nur zwei Fälle bekannt, in denen die Schweizer Agentur die Kampagne eines AfD-Politikers finanzierte. So zahlte die Goal AG 2016 Werbeplakate von Meuthen im Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg. Und dann 2017 die Plakate von Reil im Landtagswahlkampf NRW.
Embed
Die Goal AG sowie ein Verein mit Sitz in Stuttgart finanzieren seit 2016 mit ihren Spenden die Wahlwerbung der AfD. Hinter der Schweizer Agentur sowie dem "Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit", der eine Unterstützerzeitschrift herausgibt, verbergen sich unbekannte Spender.
Von den Kampagnen für Meuthen und Reil abgesehen agiert die Agentur im Hintergrund. Sie dient sonst angeblich nur als Postadresse des Stuttgarter Vereins.
Meuthen: Unterstützung ist "Freundschaftsdienst"
Meuthen erklärte die Unterstützung der Agentur für seine persönliche Kampagnen später damit, dass es sich um einen "Freundschaftsdienst" von Goal-Chef Alexander Segert gehandelt habe. Zu den Hintergründen der Freundschaft will er nichts sagen. Die Goal AG bestreitet, je einen Auftrag von der AfD erhalten zu haben.
Die AfD tut bis heute so, als habe sie mit den Aktivitäten des Vereins und der Schweizer Werbefirma nichts zu tun. Denn Spenden aus dem Ausland sowie Wahlkampfwerbung von unbekannten Spendern sind Verstöße gegen das Parteiengesetz, die mit hohen Geldstrafen belegt sind. Die Bundestagsverwaltung überwacht die Einhaltung der Regeln.
Und Spenden aus unklarer Herkunft machen die Parteispitze der AfD momentan nervös. Nach Aussagen der Bundestagsverwaltung zahlte die Partei ihr am 7. August "ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung" den Gegenwert der Wahlwerbung von der Goal AG zurück.
Die Schweizer Werbeagentur hatte 2016 im Wahlkampf in Baden-Württemberg die Homepage von Meuthen erstellt sowie Werbeplakate geschaltet und bezahlt. Dafür hat Meuthen nun 5.352,25 Euro überwiesen. Meuthen sagt gegenüber Correctiv, dass er die Hilfe durch die Goal AG für seinen Wahlkampf nach wie vor nicht für Parteienfinanzierung halte. Allerdings sei die Bundestagsverwaltung anderer Auffassung. Er wolle den Goal-Chef Segert davon überzeugen, wenn nötig die Spender zu nennen, sagt Meuthen weiter. Die Vorbereitungen dazu liefen.
Damit stellt sich umso mehr die Frage, was die Partei mit der finanziellen Hilfe für Reil vorhat.
- Die Autoren sind Journalisten des gemeinnützigen Recherchezentrums Correctiv.org. Die Redaktion von Correctiv.org finanziert sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Ihr Anspruch: In monatelanger Recherche Missstände aufdecken und unvoreingenommen darüber berichten. Wenn Sie Correctiv.org unterstützen möchten, werden Sie Fördermitglied. Informationen finden Sie unter correctiv.org/unterstuetzen