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Illegale Parteispende? AfD-Meuthen und die Gelder aus der Schweiz


Illegale Spende aus der Schweiz?
AfD-Chef Meuthen unter Verdacht

t-online, Justus von Daniels, Marcus Bensmann, correctiv.org

30.08.2017Lesedauer: 5 Min.
Hat AfD-Chef Jörg Meuthen illegale Parteispenden angenommen?Vergrößern des Bildes
Hat AfD-Chef Jörg Meuthen illegale Parteispenden angenommen? (Quelle: Britta Pedersen/dpa-bilder)
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AfD-Parteichef Jörg Meuthen ist in eine privat finanzierte Wahlkampagne eingeweiht gewesen. Das könnte laut Experten eine illegale Parteispende sein. Auch bei einer Kampagne in NRW soll die AfD informiert gewesen sein. Die Spur führt in die Schweiz.

Im Januar 2016 erhält das lokale Wochenblatt „Brettener Woche“ einen Auftrag für eine Wahlanzeige des AfD-Spitzenkandidaten Jörg Meuthen. Nach CORRECTIV und „Frontal21“ vorliegenden Dokumenten inserierte die Schweizer Werbeagentur Goal AG für insgesamt 4.500 Euro sechs Anzeigen des AfD-Politikers für die Landtagswahl in Baden-Württemberg. Die Agentur hat die AfD auch in anderen Wahlkämpfen schon unterstützt.

Meuthen sagt auf Anfrage, dass er mit der Anzeigenaktion nichts zu tun hatte. „Die Goal AG hat auf eigenes Betreiben, ohne eine Beauftragung meinerseits oder seitens der Partei Alternative für Deutschland oder eines ihrer Landesverbände (...) Zeitungsanzeigen und Plakate mit für meine Wahl werbenden Motiven und Texten gestaltet und finanziert.“

In der Anzeige ist unter anderem ein Bild von Meuthen neben dem Wahlspruch „Jetzt AfD wählen“ zu sehen. Auch ein Partei-Logo ist auf der Anzeige. Für die Wähler ist nicht erkennbar, dass es sich nicht um eine offizielle Wahlwerbung der Partei handeln soll.

Auftraggeber der Zuwendungen verschleiert

Es besteht offensichtlich ein Interesse in der Partei, die Auftraggeber der Zuwendungen aus der Schweiz zu verschleiern. Grundsätzlich müssen Spenden von den politischen Parteien ausgewiesen werden. Zusätzlich müssen Parteien bei einer Spende ab einem Betrag von 10.000 Euro Name und Adresse der Spender aufführen.

Für beide Seiten wäre es deutlich einfacher, eine Spende anzugeben: Die Schweizer Werbefirma könnte die Spende steuerlich absetzen. Für die Partei wiederum sind Spenden in der Bilanz positiv: je mehr Spenden eine Partei erhält, desto mehr Zuschüsse gibt es vom Staat. Der einzige Grund, eine Leistung nicht als Parteispende anzunehmen, ist, dass man die Herkunft verschleiern will.

In einem Fall hat Meuthen Unterstützung durch die Goal AG bereits eingeräumt. So habe die Firma ihm eine Webseite eingerichtet. Dabei habe es sich um einen „Freundschaftsdienst“ von Alexander Segert, dem Chef der Goal AG, gehandelt, sagte Meuthen dem Verein Lobbycontrol im Mai 2017. Und weiter: „Eine weitere Zusammenarbeit mit der Goal AG besteht nicht.“

Meuthen übernahm per Unterschrift die Haftung

Wirklich nicht? Dem Recherchezentrum CORRECTIV und „Frontal21“ liegt nun eine Erklärung vor, die den Aussagen von Meuthen widerspricht. Die Erklärung lag dem Anzeigenauftrag, in dem die Schweizer Werbefirma als Inserent aufgeführt ist, an das Wochenblatt „Brettener Woche“ bei. Unterschrieben von Meuthen persönlich, am 11. Februar 2016.

In dieser Erklärung übernimmt Meuthen die Haftung für die Inhalte von „Werbematerial (Prospekte/Flyer u.ä.) und/oder Anzeigen“. Die Erklärung belegt, dass der AfD-Chef in die Werbeaktion eingebunden war. Ob auch andere Zeitungen derartige Erklärungen erhielten, ist bisher nicht bekannt.

Die Schweizer Goal AG hat schon mehrere Wahlkämpfe der AfD mit Anzeigen und Plakaten unterstützt. Doch die AfD will von einer Zusammenarbeit offiziell nichts wissen und die finanziellen Kosten der Anzeigen und Plakate nicht als Spende deklarieren.

Experten: Verdacht auf illegale Parteispende

Wie viel Geld die Schweizer für die Zeitungsanzeigen bezahlt haben, will Meuthen nicht beantworten. Nur soviel: Die Werbeaktionen „der Goal AG stellen nach eingeholter sorgfältiger juristischer Beurteilung weder eine Parteispende für die AfD noch eine Spende für mich persönlich dar“, sagte der AfD-Vorsitzende auf Anfrage.

Das sehen Parteienexperten anders. „Es drängt sich hier der Verdacht einer illegalen Parteispende auf,“ sagt die Parteienrechtlerin Sophie Schönberger von der Universität Konstanz. „Es handelt sich auf alle Fälle um eine Parteispende, wenn in dieser Form in der Anzeigenkampagne für Herrn Meuthen und gleichzeitig für die AfD Werbung gemacht wird.“

Die AfD würde gegen das Parteiengesetz verstoßen, wenn sie eine finanzielle Unterstützung nicht als Spende angibt. Dafür reicht es, wenn der Parteivorstand in die Spende eingebunden ist.

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Annette Sawatzki von Lobbycontrol sieht in den Anzeigen für Meuthen eine solche Parteispende: „Herr Meuthen unterschreibt eine Freistellungserklärung, dass eine Agentur in seinem Namen Wahlkampfmaßnahmen durchführen darf. Die Schweizer Agentur schaltet dann Anzeigen im Wert von 4.500 Euro. Das ist nicht mehr eine von Herrn Meuthen unabhängige Aktivität, sondern eine, die in seinem Namen und in seinem Auftrag erfolgt.“ Jörg Meuthen war zum Zeitpunkt seiner Unterschrift für die Anzeigenkampagne sowohl Landessprecher in Baden-Württemberg als auch Co-Vorsitzender der Bundespartei.

Die Distanzierung der AfD von der großzügigen Wahlhilfe aus der Schweiz folgt einem Muster. Auch in anderen Wahlkämpfen gab es nachweislich ein Wahlsponsoring durch die Goal AG.

Auch in NRW Hinweise auf illegale Spenden

Im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen im Mai diesen Jahres plakatierte die Goal AG für den Kandidaten Guido Reil dutzende Plakate. Reil sollte als ehemaliges SPD-Mitglied ein Zugpferd im NRW-Wahlkampf werden. Nach Aussage von Reil hatte die Goal AG ihm die kostenlose Aktion angeboten. Auch Reil unterschrieb wie Meuthen eine Freistellungserklärung.

Der Landtagskandidat sagte später in einem Interview mit CORRECTIV: Auf seine Nachfrage hin habe eine Mitarbeiterin der Schweizer Agentur mitgeteilt, dass die Aktion schon bezahlt sei, sie den Auftraggeber aber nicht nennen könne. Er habe sich bei einem Mitglied des Landesvorstandes und seinem Kreisvorsitzenden Stefan Keuter rückversichert, ob er das Angebot annehmen könne.

Keuter sagte dazu auf Anfrage, dass es diesen Anruf nicht gegeben habe und er die Goal AG nicht kenne. Diese Aussagen von Reil liegen CORRECTIV auf Tonband vor. Sie sind unmissverständlich. Die Anwälte der AfD ließen mitteilen, dass sich Reil "gegenüber CORRECTIV gegebenenfalls missverständlich ausgedrückt hat".

Reil selbst ist nicht im Parteivorstand, insofern ist nicht klar, ob diese Spende der Partei oder nur dem Kandidaten zuzurechnen ist. Doch die Werbeplakate waren offenbar Thema im Kreisvorstand der AfD in Essen.

Das versichert ein Teilnehmer von Sitzungen in einer eidesstattlichen Erklärung, die CORRECTIV vorliegt. Der Kreisvorsitzende Keuter habe "auf einer der Vorstandssitzungen des Kreisverbandes der AfD in Essen vor der Landtagswahl in NRW gesagt, dass er Sponsoren kenne, die insbesondere Herrn Guido Reil dadurch fördern wollen, dass sie Großplakate aufstellen lassen und finanzieren wollen".

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Dubioser Verein unterstützt den Wahlkampf

Keuter äußerte sich auf Anfrage dazu nicht. Auch die Goal AG hat auf Fragen zu den Werbemaßnahmen für Reil und AfD-Chef Meuthen nicht geantwortet.

Es gibt noch weitere Stränge in die Schweiz zur Werbeagentur Goal AG. Ein in Stuttgart ansässiger Verein, der dank anonymer Spender AfD-Wahlkämpfe mit dem Druck hunderttausender kostenloser Zeitungen und ebenfalls mit Plakaten unterstützt, hat eine Weiterleitung seiner Bürokommunikation zur Goal AG eingerichtet. Goal-Chef Segert hat mittlerweile eingeräumt, dass ihn der AfD-Unterstützerverein „Recht und Freiheit“ mit der Bürologistik sowie den Anzeigen für die AfD beauftragt hat. Mit der Partei habe der Verein aber nichts zu tun, so Vereinschef David Bendels.

Wieviel Geld die anonymen Spender für die AfD-Wahlhilfe über den Umweg Schweiz zukommen lassen, ist schwer zu schätzen. Für die Plakate und Werbeanzeigen dürften jedoch weit mehr als 50.000 Euro anfallen. Gegenüber CORRECTIV sagte Vereinschef Bendels über die Spender des Vereins mit Blick auf den Bundestagswahlkampf: „Die Geldgeber wollen auch weiterhin anonym bleiben.“

Ob die Zuwendungen gegen das Parteiengesetz verstoßen, müßte nun die Bundestagsverwaltung prüfen.

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