Kandidatur für SPD-Vorsitz Wer ist die Nahles-Rivalin Simone Lange?
Der Machtwechsel in der SPD sollte schnell durchgezogen werden. Doch eine Bürgermeisterin fordert Andrea Nahles heraus – und bringt die Parteispitze damit in Bedrängnis.
Andrea Nahles war Juso-Chefin, Generalsekretärin, Bundesministerin für Arbeit und Soziales, sie ist Fraktionschefin der SPD im Bundestag, gilt momentan als wichtigste Politikerin der Sozialdemokraten und ist eigentlich vom Vorstand auserwählt, bald auch die Partei zu führen.
Simone Lange war Vorsitzende des SPD-Kreisverbands Flensburg, Landtagsabgeordnete in Schleswig-Holstein und ist Oberbürgermeisterin von Flensburg.
Und sie bewirbt sich um den Vorsitz der ältesten und mitgliederstärksten Bundestagspartei. Gegen Andrea Nahles.
Wer ist diese Frau, die in einen völlig aussichtslosen Kampf zieht? Warum tut sie das? Ist der Kampf wirklich so aussichtslos?
Wer ist Simone Lange?
Lange ist südlich von Weimar, in Rudolstadt in Thüringen, geboren und aufgewachsen. Nach der Wende ging sie nach Kiel und ließ sich dort zur Polizistin ausbilden. Bis 2012 arbeitete sie als Kriminalbeamtin in Flensburg, ist also keine klassische Berufspolitikerin. In die SPD trat sie 2003 ein, fünf Jahre später wurde sie in die Flensburger Ratsversammlung gewählt, 2012 dann in den Landtag. Seit 2017 ist sie Oberbürgermeisterin von Flensburg – als erste Frau und als überparteiliche Kandidatin. Vorgeschlagen wurde sie von SPD, CDU und Grünen.
Politisch steht sie eher links in der SPD. Neben Polizeipolitik und Innerer Sicherheit kümmerte sie sich auch um Gleichstellungspolitik. Sie setzt sich für Flüchtlinge ein, sagte einmal der "Zeit", als ehemalige DDR-Bürgerin wisse sie, wie es ist, aus einem anderen Land zu kommen, "wie sich Vorbehalte anfühlen und wie lange es dauert, bis man angekommen ist". Sie kritisiert Grenzkontrollen und sprach sich für einen Modellversuch mit einem bedingungslosen Grundeinkommen aus.
Wie begründet sie ihre Kandidatur?
"Das Amt der Bundesvorsitzenden ist von weitreichender Bedeutung für die gesamte Partei und das gesamte Land und darf nicht von einer kleinen Gruppe intern festgelegt werden", schreibt sie in ihrem offenen Brief. Sie könne die "Ohnmacht vieler Mitglieder" gegenüber der Berliner Spitze nachvollziehen. Eine Einzelkandidatur werde dieses Gefühl nur bestätigen.
Martin Schulz und Andrea Nahles waren übereingekommen, dass sie ihm als Parteichef nachfolgen solle. Große Teile der SPD-Spitze unterstützen Nahles, darunter Generalsekretär Lars Klingbeil und der Parlamentarische Geschäftsführer Carsten Schneider. Eigentlich soll Nahles schon heute zur kommissarischen Parteichefin gemacht werden, um dann auf einem Parteitag bald offiziell gewählt zu werden.
Diese Absprachen kritisierte Lange schon am Morgen der Einigung über eine große Koalition auf Twitter:
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Bereits am Tag nach dem Bonner Parteitag, auf dem die Delegierten mit knapper Mehrheit der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zugestimmt hatten, kritisierte sie die Entscheidung durch die Blume:
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Sie scheint einer großen Koalition also auch grundsätzlich kritisch gegenüberzustehen. "Kommt VERhandeln eigentlich von VERkaufen?", schrieb sie, gefolgt von einem weinenden Emoticon.
Was heißt das für die SPD?
Auf einem Parteitag können sich Mitglieder um den Parteivorsitz bewerben. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das noch andere Genossen tun werden. Dass irgendjemand eine echte Chance gegen Nahles hat, scheint derzeit ausgeschlossen. Auch der wachsende Widerstand in einigen Landesverbänden gegen Nahles Inthronisierung richtet sich weniger gegen die Kandidatin als gegen das Verfahren.
Viele verstehen nicht, warum nicht einer der sechs stellvertretenden Vorsitzenden die Stellvertretung des Vorsitzenden übernimmt, bis ein Parteitag abstimmen kann.
Langes Kandidatur könnte hier etwas verändern: Bislang sah es so aus, als sei Nahles Wahl auf dem Parteitag nur eine Formsache. Dann hätte man sie auch jetzt schon küren können, um weniger Wechsel zu erzeugen. Doch da es jetzt eine Gegenkandidatin gibt, sähe es so aus, als nehme die Parteispitze die Entscheidung der Delegierten vorweg, würde sie Nahles kommissarisch zur Parteichefin machen. Dass Lange keine echte Chance haben dürfte, spielt dabei keine Rolle.
Entweder ihre Kandidatur erzwingt eine Planänderung der Spitze. Oder Nahles wird trotzdem eingesetzt. Dann könnte die Kritik der Basis, die schon Martin Schulz aus allen Ämtern gedrängt hat, noch schärfer werden.
- Brief von Simone Lange
- Lebenslauf
- Twitter-Account von Simone Lange
- Artikel in Die Zeit über die Landtagswahl in Schleswig-Holstein
- dpa, afp