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Interview: Alternative Mitte "verkörpert Mehrheit der AfD"


Sprecher der Alternativen Mitte im Interview
"Wir verkörpern die Mehrheit in der AfD"

t-online, Jonas Mueller-Töwe

Aktualisiert am 01.12.2017Lesedauer: 7 Min.
AfD-Bundestagsabgeordneter Berengar Elsner von Gronow: Er ist Sprecher der Alternativen Mitte in NRW, dem größten Landesverband der AfD. Laut Grundsatzpositionen der Alternativen Mitte bekennen sich die Mitglieder uneingeschränkt zum Grundgesetz und lehnen Extremismus ab.Vergrößern des Bildes
AfD-Bundestagsabgeordneter Berengar Elsner von Gronow: Er ist Sprecher der Alternativen Mitte in NRW, dem größten Landesverband der AfD. Laut Grundsatzpositionen der Alternativen Mitte bekennen sich die Mitglieder uneingeschränkt zum Grundgesetz und lehnen Extremismus ab. (Quelle: Jonas Mueller-Töwe/T-Online-bilder)

Kurz vor dem Parteitag der AfD konkurrieren weiter zwei Lager um Ausrichtung und Außenwirkung der Partei: die "Alternative Mitte", deren Mitglieder sich als Liberal-Konservative beschreiben, und der radikale "Flügel" um Björn Höcke. Der Bundestagsabgeordnete Berengar Elsner von Gronow ist Sprecher der Alternativen Mitte in NRW. Im Interview erzählt er, wer in der Partei die Mehrheit verkörpert – und warum es schwerfällt, "lästige Mitglieder" wie Björn Höcke loszuwerden.

Ein Interview von Jonas Mueller-Töwe

t-online.de: Sie sind noch ganz neu im Bundestag. Jamaika scheint geplatzt, Neuwahlen könnten vor der Tür stehen. Fürchten Sie, dass Sie die Büros schon bald wieder räumen müssen?

Berengar Elsner von Gronow: Nein. Die Parteien werden sich ihrer Verantwortung stellen. Der Bundespräsident hat das in sehr deutlichen Worten angemahnt – und die betroffenen Parteien haben kein Interesse an Neuwahlen. Die Umfragen zeigen, es würde sich nicht viel ändern. Man stünde also vor dem gleichen Dilemma wie jetzt.

Trotzdem sind Neuwahlen nicht ausgeschlossen. Könnte das die AfD noch einmal stemmen?

Das könnten wir auf jeden Fall. Wir sind nicht völlig unvorbereitet und sehen dem relativ gelassen entgegen. Zumal uns die meisten Umfragen ein besseres Ergebnis vorhersagen im Falle von Neuwahlen. Davon würden wir so gesehen nur profitieren.

In ihrem Landesverband konkurrierten immer zwei Strömungen: Für die gemäßigte stand Marcus Pretzell, für die radikalere Martin Renner. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass sich die sogenannten Nationalkonservativen nach Pretzells Parteiaustritt durchsetzen könnten?

Die große Mehrzahl der Mitglieder im Westen ist gemäßigt. Es gibt da eher wenige Lautsprecher, die mit abseitigen Standpunkten Politik machen wollen. Die sind bei Weitem nicht so einflussreich, wie das in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Die Repräsentanz der rustikaleren Kräfte auf den Listen war ihrer Bedeutung entsprechend – und damit relativ gering. Nichtsdestotrotz sind sie vertreten. Die Bundestagsfraktion bildet die Mehrheitsverhältnisse in unserer Partei ganz gut ab.

Was ist die Alternative Mitte und wofür steht der "Flügel"?

Es gab für den "Flügel" aus Sicht der Beteiligten gute Gründe. Mit dem Weggang von Professor Lucke ist der Hauptgrund allerdings weggefallen und doch hat der "Flügel" weiter Bestand. Nach Wahrnehmung der Alternativen Mitte hat er sich ein Stückweit zum Selbstzweck entwickelt. Mit einem politischen Schwerpunkt, der nicht von allen in der Partei geteilt wird.

Was ist das für ein politischer Schwerpunkt?

Der nationalkonservative Schwerpunkt. Und insgesamt wird der innerparteilich nicht in der Breite mitgetragen, wie man meinen könnte. Deswegen ist die Alternative Mitte notwendig.

Was ist hingegen der Schwerpunkt der "Alternativen Mitte"?

Der klassische liberale Begriff ist letztendlich verbrannt dank der FDP. Bei uns in der Partei nennt man das nur "liberalala". Wir sehen uns deswegen eher als Freiheitlich-Konservative, als bürgerliche Patrioten.

In Sachsen ist der Landesvorstand um Frauke Petry komplett weggebrochen. In Mecklenburg-Vorpommern hat sich die Fraktion gespalten. Zuletzt hat sich einer der Mitbegründer der Alternativen Mitte, Dirk Driesang, komplett aus der Politik zurückgezogen. Sind die Gemäßigten auf dem Rückzug?

Das sehe ich nicht so. In der Bundestagsfraktion gab es nicht die befürchteten Austritte. Im Großen und Ganzen hat sich die Parteistruktur nicht sehr verändert. Wir haben uns organisiert. Die Menschen sehen, dass sich jetzt etwas für die Bürgerlichen tut – und wir dabei sind, ein Gleichgewicht zum "Flügel" herzustellen.

Wird die Alternative Mitte denn künftig das Außenbild der Partei prägen? Sie haben gesagt, die Lautsprecher sind in anderen Lagern zu finden – und die haben auch den Wahlkampf bestimmt. Reicht es der Alternativen Mitte, als bürgerliches Alibi der AfD zu gelten?

Wir verkörpern die Mehrheit in der Partei. Wir sind also kein "Alibi", im Gegenteil. Wir sind eine bürgerliche Partei und das wollten wir den Wählen auch klarmachen. Wir wollen das umsetzen, was programmatisch beschlossen wurde – und keine Parallelprogramme oder Schwerpunkte, die für uns Freiheitlich-Konservative nicht mitzutragen wären.

Wagen wir das Gedankenspiel: Es kommt zu Neuwahlen. Wird der Wahlkampf dann ähnlich ablaufen? Erst provozieren, dann zurückrudern. Den Rechten schmeicheln, die Gemäßigten beruhigen?

Wir mussten provozieren, sonst wäre nicht mehr über uns berichtet worden. Weite Teile der Medien berichteten Anfang des Jahres nur noch, wenn es etwas Negatives gab. Deswegen mussten wir überspitzte Formulierungen wählen, über die dann im Sinne einer Skandalisierung berichtet wurde. Die Provokation war ein aus der Not geborenes Mittel. Das entspricht natürlich nicht dem, was wir machen wollen - nämlich fundierte, sachliche und kompetente Politik.

Die anderen Parteien haben eine pöbelnde, inkompetente Krakeeler-Gruppe im Bundestag erwartet. Das hat sich nicht bewahrheitet.

Also ist das Kalkül aufgegangen? Der Flügel ging auf Stimmenfang und die Fraktion wird von Gemäßigten dominiert…

Das war nicht unbedingt ein Kalkül. Die Wahlen waren demokratisch und so hat sich diese Zusammensetzung eben ergeben. Die rustikaleren Kräfte in der Fraktion mäßigen sich jetzt auch. Man musste bei Wahlkampfauftritten eben seine Klientel bedienen. Ich bin zuversichtlich, dass wir die nächsten vier Jahre gute Politik machen werden. Wir sind auf dem besten Weg, uns dauerhaft zu etablieren.

Sprechen wir über die Vorstandswahlen. Was halten Sie von einem Bundesvorstand Björn Höcke?

Davon bin ich nicht überzeugt. Aber alle Strömungen in der Partei sollten angemessen berücksichtigt werden. Wenn die Vorstandsmitglieder auch nicht immer einer Meinung sind, müssen sie sich miteinander vertragen, um arbeitsfähig zu sein. Wir sind recht zuversichtlich, dass das klappt.

Ich spitze das Mal ein bisschen zu: Ist die Kandidatur von Björn Höcke möglicherweise eine Nebelkerze?

Hat er gesagt, dass er kandidieren will?

Das Gerücht hält sich hartnäckig. Wenn er dann schließlich nicht kandidiert, kann die Alternative Mitte damit leben, dass das Ausschlussverfahren gegen ihn nicht mehr durchgesetzt wird?

Die Ausschlussverfahren sind Sache der Schiedsgerichtsbarkeit in unserer Partei. Das liegt dann beim neuen Bundesvorstand. Ich glaube, Herr Höcke wird nicht kandidieren. Denn er ist ja ein kluger Kopf: Er wird seine Chancen realistisch einschätzen. Nichtsdestotrotz werden andere Kandidaten antreten, die ihm politisch nahe stehen. Gemäß ihrer Bedeutung allerdings in niedriger Anzahl. Wir werden in weiten Teilen einen gemäßigt bürgerlichen Vorstand haben. Und alle werden lernen, miteinander zu arbeiten.

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Und wenn das Schiedsgericht entscheiden sollte: Björn Höcke bleibt in der Partei? Dann ändert sich für Sie und die Alternative Mitte nichts? Das Verfahren gegen Jens Maier ist ja bereits fallen gelassen worden.

Das muss man dann letztendlich akzeptieren. Die Schiedsgerichtsordnung haben wir alle einmal beschlossen. Das heißt: Man müsste sich diesen Entscheidungen beugen. Schauen Sie sich an, wie schwer es anderen Parteien fällt, lästige Mitglieder loszuwerden – Sarrazin, Edathy und so weiter. Das ist auch nicht gelungen. Sie sind immer noch Mitglieder ihrer Partei. Das Parteienrecht setzt da sehr hohe Hürden. Da können wir uns nicht drüber hinweg setzen.

Sie sehen nicht die Gefahr, dass sich die Partei radikalisiert, wenn diese Ausschlussverfahren scheitern?

Ich denke nicht. Das würde voraussetzen, dass sich etwas an unserem Programm ändert oder an der personellen Zusammensetzung. Wir haben seit den Wahlen aber einen Mitgliederzustrom. Wenn jetzt bürgerliche Mitglieder vermehrt in die Partei eintreten, können diese natürlich auch die zukünftige Ausrichtung der Partei mitbestimmen. Deshalb bin ich zuversichtlich.

Aber könnten nicht gerade Bürgerliche davon abgeschreckt sein, dass Jens Maier mit Pegida auftritt, Herr Höcke einen Stellvertreter dort hinschickt? Auch der Unvereinbarkeitsbeschluss mit den vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären steht zunehmend unter Beschuss.

Es ist doch viel wichtiger, dass wir solide arbeiten. Die Fälle, die Sie ansprechen, werden von politischen Gegnern gerne hochgespielt. Ich kann nur jedem raten, in die Partei einzutreten. Wir sind die drittgrößte im Bundestag und brauchen viel mehr Mitglieder. Für die kommende Kommunalwahl beispielsweise unheimlich viele Mandatsträger.

Ich war auf einer AfD-Veranstaltung in Magdeburg. Da wurde der Ex-RAF-Terrorist und Neonazi Horst Mahler auf der Bühne als "politischer Gefangener" bezeichnet. Landesvorsitzender André Poggenburg ist nicht eingeschritten. Das ist also der "Flügel", mit dem sich Bürgerliche arrangieren müssten.

Die Meinungsfreiheit in unserer Partei wird von einigen so aufgefasst, alles sagen zu können und zu dürfen, was man irgendwo mal gehört hat. Ich glaube, das ist ein Missverständnis. Die Partei hat eine Grundlinie und Regularien und die gilt es zu achten. Viele vergessen das immer wieder und schießen übers Ziel hinaus. Ich würde mir wünschen, dass solche Äußerungen innerparteilich schwerer geahndet werden.

Es sind zum Glück hauptsächlich Einzelne, die immer wieder damit auffallen und dafür dann aus der falschen Ecke Applaus kriegen. Auch vielfach von Gästen solcher Veranstaltungen, während AfD-Mitglieder das nicht gutheißen oder gleich fernbleiben.

Frau von Storch hat gesagt, man müsse sich härter zum Rechtsradikalismus abgrenzen und nicht alles tolerieren, bei dem gerade so nicht der Staatsanwalt kommt. Würden Sie das unterschreiben?

Wir haben ganz klare Linien, die in unserem Programm begründet sind. Letztendlich auch vom Menschlichen, vom Anstand her. Es gibt Dinge, die sollte man nicht sagen. Wir müssen eine zukunftszugewandte Politik machen. Wir haben dringende Probleme zu klären, die direkt jetzt anstehen. Wenn wir die nicht anpacken, werden sie unserem Land nachhaltig schaden. Da müssen wir uns nicht mit abseitigen Themen beschäftigen, die viele zu ihrem Steckenpferd gemacht haben.

Der Parteitag steht an. Wie muss sich die Partei personell und inhaltlich aufstellen?

Wir haben die Inhalte mit unserem Grundsatzprogramm sehr deutlich festgelegt. Der Bundesparteitag wird jetzt einen Vorstand wählen, mit dem wir alle Beteiligten befrieden. Es darf nicht zu einer Spaltung oder unterschiedlichen Ausrichtung kommen. Das müssen wir aber abwarten. Anders als bei anderen Parteien wird das nicht vorher ausgekungelt. Es bleibt spannend.

Sähen Sie sich durch Jörg Meuthen als alleinigen Parteivorsitzenden repräsentiert?

Das ist noch nicht ausgemacht. Auch wenn er es sich vielleicht wünschen würde. In der Politik spielen auch immer persönliche Befindlichkeiten eine Rolle, Animositäten untereinander, persönliche Machtansprüche. Ich halte eine Mehrfachspitze weiter für vernünftig. Der Vorstand wird mehrheitlich bürgerlich besetzt sein, die anderen finden aber auch Berücksichtigung. Das ist für die Einheit der Partei sehr wichtig.

Also eine Doppelspitze?

Davon gehe ich aus. Das würde ich auch begrüßen.

Wen könnten Sie sich da als Repräsentanten der sogenannten Moderaten vorstellen?

Überrascht und gefreut hat mich der Entschluss von Georg Pazderski, für den Parteivorsitz zu kandidieren. Er ist unbelastet und in weiten Teilen der Partei sehr respektiert. Er hat sich nie von einer der Gruppierungen vereinnahmen lassen und damit seinen Landesverband vereint. Es wäre ein großer Gewinn für alle in der Partei, wenn er das auch als Bundesvorsitzender schaffen würde – etwa in einer Zweier-Spitze mit Jörg Meuthen.

Frau Weidel hat eine Kandidatur angeblich schon ausgeschlossen…

In dieser Partei ist fast nichts ausgeschlossen. Vorher darüber zu reden, bringt in der Regel aber nichts. Das würde extern und auch parteiintern gegebenenfalls gegen die Kandidaten verwendet.

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