Einsatz in Afghanistan wird beendet Bundeswehrabzug vielleicht schon bis Mitte August
Bis zum geschichtsträchtigen 11. September will Joe Biden die US-Truppen aus Afghanistan führen. Für Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer ist klar: Spätestens dann werden auch die deutschen Soldaten abgezogen.
Die Bundeswehr könnte nach den Plänen der Bundesregierung bis Mitte August aus Afghanistan abgezogen werden. Das sagte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Mittwoch in einer telefonischen Unterrichtung der Fachpolitiker aller Bundestagsfraktionen zu den Abzugsplänen, wie die Nachrichtenagentur dpa von mehreren Teilnehmern erfuhr.
Die USA haben sich den 11. September als Abzugstermin für ihre Truppen vorgenommen – den 20. Jahrestag der Terroranschläge von New York und Washington. Daraufhin beschlossen am Mittwoch die Außen- und Verteidigungsminister der Nato, dass alle Bündnistruppen das asiatische Krisenland nach 20 Jahren verlassen.
Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Truppensteller des Nato-Einsatzes in Afghanistan. Derzeit sind noch 1.100 deutsche Soldaten dort stationiert. Insgesamt sind es 10.000 Soldaten der Nato.
Deutschland sichert Unterstützung im zivilen Bereich zu
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte in den ARD-"Tagesthemen", die Entscheidung für den gemeinsamen Truppenabzug sei von allen 30 Nato-Verbündeten mitgetragen worden. Es werde ein geordneter Abzug, bei dem die Sicherheit der Soldaten gewährleistet sei.
Maas sicherte Afghanistan eine Fortsetzung der Unterstützung im zivilen Bereich für die Zeit nach dem Abzug zu. "Wir geben jedes Jahr fast eine halbe Milliarde Euro aus, um Aufbauleistung in Afghanistan zu leisten, und das wird weitergehen." Er setze außerdem darauf, dass bei den Friedensverhandlungen in Katar nachhaltige Ergebnisse erzielt würden, damit nach dem Truppenabzug nicht wieder Chaos in Afghanistan ausbricht. "Das müssen wir unbedingt verhindern."
Verlustreichster Einsatz der Geschichte
Für die Bundeswehr steht damit der verlustreichste Einsatz ihrer Geschichte vor dem Ende. 59 deutsche Soldaten ließen in Afghanistan ihr Leben, davon wurden 35 in Gefechten oder bei Anschlägen getötet. Afghanistan ist zudem der zweitlängste Auslandseinsatz der Bundeswehr nach der Kosovo-Mission, die bereits 1999 begann.
Die Bundesregierung hatte sich zuletzt dafür ausgesprochen, das Ende des Nato-Einsatzes in Afghanistan vom Erfolg der Friedensverhandlungen zwischen den Taliban und der Regierung in Kabul abhängig zu machen. Die Gespräche kamen aber zuletzt nicht voran.
US-Truppenabzug bis spätestens 11. September
Der US-Regierungsvertreter begründete den neuen Termin für ein Ende des Einsatzes damit, dass ein überhasteter und schlecht koordinierter Abzug die internationalen Truppe gefährden könnte. Er betonte, der 11. September sei das späteste Datum, um den Abzug abzuschließen. Das Ziel könnte bereits deutlich früher erreicht werden. Die Aufständischen hatten zuletzt neue Gewalt gegen Nato-Truppen angedroht, sollte die Frist bis zum 1. Mai nicht eingehalten werden.
Eine US-initiierte Afghanistan-Konferenz in Istanbul Ende des Monats soll den afghanischen Friedensprozess beschleunigen. In den vergangenen Tagen und Wochen hatte es zahlreiche Konsultationen zwischen Vertretern der USA, der Türkei, der Vereinten Nationen, der afghanischen Regierung und der Taliban gegeben, um die für mehrere Tage geplante Konferenz vorzubereiten und die Positionen der Konfliktparteien einander anzunähern.
Taliban verweigern Gespräche
Als Reaktion auf die neuen Pläne der USA schlossen die Taliban am Dienstag aber ihre Teilnahme an einer geplanten Friedenskonferenz vor einem vollständigen Abzug der internationalen Truppen aus. Man werde an keiner Konferenz teilnehmen, die Entscheidungen über Afghanistan treffen soll, bis sich alle ausländischen Streitkräfte komplett aus dem Land zurückgezogen hätten, schrieb ein Sprecher des politischen Büros der Taliban in Doha, Mohammad Naeem, auf Twitter.
Der US-Regierungsvertreter warnte die Taliban vor Angriffen auf internationale Truppen während des Abzugs. Man habe die Aufständischen wissen lassen, dass die USA in einem solchen Fall hart zurückschlagen würden, sagte er. Mit Blick auf die Frauenrechte in Afghanistan fügte er hinzu, die USA würden sich mit allen diplomatischen, humanitären und wirtschaftlichen Mitteln für deren Schutz einsetzen. Experten warnen davor, dass die Errungenschaften seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 bei einem voreiligen Truppenabzug zunichte gemacht werden könnten.
Trump schloss Abkommen für Abzug bis 1. Mai
Unter Donald Trump hatten die USA sich in einem im Februar vergangenen Jahres in Doha vereinbarten Abkommen mit den Taliban verpflichtet, ihre Truppen und die ihrer internationalen Verbündeten bis zum 1. Mai vollständig aus Afghanistan abzuziehen. US-Regierungsvertreter verwiesen in den vergangenen Wochen allerdings darauf, dass es schon aus logistischen Gründen schwierig werde, die Frist einzuhalten. Zugleich warfen sie den Taliban vor, ihre Verpflichtungen nicht zu erfüllen, weil sie die Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zivilisten nicht einstellten und dem Terrorismus nicht abschwörten.
Die Taliban hatten in dem Abkommen von Doha versprochen, dass von Afghanistan keine Terrorbedrohung gegen die USA und ihre Verbündeten mehr ausgehen werde. Außerdem haben sie Friedensverhandlungen mit der Regierung in Kabul zugesagt, die zu einem dauerhaften Waffenstillstand und einem politischen Fahrplan für die Zukunft führen sollten. Eine innerafghanische Verhandlungslösung ist aber weiterhin nicht in Sicht.
Nach offiziellen Angaben befinden sich derzeit noch rund 2.500 US-Truppen in Afghanistan. Zum Höhepunkt vor zehn Jahren waren es rund 100.000 amerikanische Soldaten.
Die Anschläge vom 11. September 2001, für die das Terrornetz Al-Kaida verantwortlich gemacht wurde, hatten den Einmarsch der US-geführten Truppen in Afghanistan im Monat darauf ausgelöst. Der internationale Militäreinsatz führte zum Sturz des Taliban-Regimes, das sich geweigert hatte, Al-Kaida-Chef Osama bin Laden auszuliefern.
- Nachrichtenagentur dpa