Lieferkettengesetz vertagt Unionspolitiker bremsen bei Gesetz gegen Kinderarbeit und Ausbeutung
Keine Kinderarbeit bei globalen Zulieferern deutscher Unternehmen: Dafür will die Koalition mit einem neuen Gesetz sorgen. Doch bei der Union wird gebremst, Firmen sollen aus der Haftung raus. Die Opposition warnt.
Die Koalition hat das geplante Gesetz zur Einhaltung von Menschenrechten in internationalen Lieferketten quasi in letzter Minute von der Tagesordnung des Bundestags gestrichen. In der Anhörung zu dem Gesetzentwurf seien noch Fragen der Unternehmenshaftung aufgeworfen worden, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt am Dienstag in Berlin. "Die werden jetzt noch inhaltlich bewertet und diskutiert."
Wie es in Koalitionskreisen hieß, sahen Unionsabgeordnete noch Diskussionsbedarf. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte: "Wir haben lange verhandelt in der Bundesregierung und Lösungen gefunden." Er sagte: "Wenn der Koalitionspartner noch zwei, drei Tage länger braucht, ist das nicht dramatisch, das kommt vor." Bei den Verhandlungen zwischen Arbeits-, Entwicklungs- und Wirtschaftsministerium seien auch die Regierungsfraktionen eingebunden gewesen. Das Gesetz müsse kommen. "Alles andere wäre nicht redlich."
Zeit für Beschluss drängt
Kinderarbeit, Ausbeutung und Naturzerstörung bei der globalen Produktion von Waren sollen durch das Gesetz eingedämmt werden. Laut der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hieß es in Unionskreisen, dass eine zivilrechtliche Haftung ausgeschlossen werden müsse. Eine solche würde etwa greifen, wenn Unternehmen wissentlich Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen haben.
Nach dieser Woche sind noch zwei weitere Sitzungswochen des Bundestags geplant, in denen das Gesetz nach jetzigem Plan verabschiedet werden könnte. Dann folgen die Sommerpause, die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs und das Ende der Legislaturperiode.
Unternehmen sollen Missstände beseitigen, verpflichtend
Von 2023 an sollen Firmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten ihre gesamte Lieferkette im Blick haben, aber abgestuft verantwortlich sein. Ab dem Jahr 2024 kommen alle Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten dazu. Wird einer Firma ein Missstand in der Lieferkette bekannt, soll sie verpflichtet werden, für Abhilfe zu sorgen.
Zudem sollen Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften die Möglichkeit bekommen, Betroffene vor deutschen Gerichten zu vertreten, wenn es Verstöße gegen Standards in Lieferketten gibt und der Betroffene zustimmt. Bisher konnten Geschädigte selbst klagen, was aber in der Praxis an den Lebensumständen scheiterte.
Wirtschaft warnt vor Schäden, Initiative widerspricht
Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger, sprach angesichts der geplanten Verpflichtung der Unternehmen, Verantwortung für die Lieferketten zu übernehmen, von einer "objektiven Unmöglichkeit". BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter erläuterte, den Unternehmen werde mehr zugetraut als staatlichen Stellen. Es drohe ein Rückgang von Investitionen im Ausland.
Die Initiative Lieferkettengesetz, die von zahlreichen Organisationen wie "Brot für die Welt", Misereor oder dem WWF Deutschland getragen wird, widerspricht der Darstellung der BDA, Unternehmen müssten für ein Fehlverhalten von Dritten geradestehen. "Eine Haftung müssen Unternehmen nur befürchten, wenn sie ihre eigenen Sorgfaltspflichten verletzt haben und dadurch kausal ein Schaden entstanden ist, der vorhersehbar und vermeidbar war", heißt es in einer Veröffentlichung der Initiative aus dem September. Eine Klagewelle drohe nicht.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte: "Man kann nur an die Union appellieren, dass sie aufhören soll, sich dem lobbyistischen Druck zu beugen." Der Obmann der Linken im Ausschuss für Menschenrechte, Michel Brandt, sagte: "Um Unternehmen vor jeglicher Haftung durch das Lieferkettengesetz zu schützen, stellt die Koalition das gesamte Vorhaben kurz vor Ende der Legislaturperiode infrage."
- Nachrichtenagentur dpa
- Veröffentlichung der "Initiative Lieferkettengesetz"