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Söder und Laschet zanken ums Kanzleramt: Ein Streit wie im Sandkasten


Wird Laschet wirklich Kanzlerkandidat?
"Welch Chaos"


19.04.2021Lesedauer: 5 Min.
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Dramatische Debatte: Armin Laschet sichert sich Rückhalt vom CDU-Bundesvorstand. (Quelle: reuters)
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Von Armin Laschet heißt es: Er gibt die Spitzenkandidatur selbst dann nicht her, wenn Markus Söder mit dem Fallschirm überm Kanzleramt abspringt. In der Nacht erzielte der CDU-Chef einen wichtigen Sieg. Aber reicht das? Heute ist der Tag der Entscheidung.

An diesem Dienstagmorgen geistert eine Zahl durch die CDU. Die Zahl lautet: 77,5 Prozent. Und an der Zahl hängen drei Fragen:

Ist das eigentlich viel oder wenig?

Ist der Wert hoch genug, um darauf einen geschlossenen Wahlkampf aufzubauen?

Oder anders gefragt: Kann Armin Laschet damit wirklich Bundeskanzler werden?

77,5 Prozent.

Das ist der Anteil der Stimmen, den Armin Laschet gestern nach einem sechsstündigen Kampf dem CDU-Präsidium abringen konnte: 31 Vorstände votierten für Laschet, neun für Söder und sechs enthielten sich. Enthaltungen werden für das Ergebnis bei der CDU nicht mitgerechnet. Und weil manch einer inzwischen ja alles für möglich hält: Das gilt in der Partei nicht erst seit gestern Abend.

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Die entscheidende Frage ist nun, ob der Rückenwind aus der CDU-Spitze für Laschet stark genug ist, um das Rennen zwischen ihm und seinem CSU-Kontrahenten zumindest für dieses Jahr zu entscheiden. Denn in der CDU ist die Sehnsucht nach Söder weiterhin groß. Es gärt.

Söder selbst hat sich bislang nicht geäußert. Er lauere in München, vermuten manche.

Auch wenn noch angezweifelt wird, ob das Votum um kurz nach Mitternacht überhaupt rechtlich konform war, ist das politische Signal eindeutig: Parteichef Armin Laschet war der Kanzlerkandidatur noch nie so nah. Aber er ist immer noch nicht am Ziel. Er muss noch diesen Dienstag überstehen. Mindestens. Und dabei ist er nicht nur auf die Reaktion von Söder angewiesen. Auch die Bundestagsfraktion trifft sich am Nachmittag. Und dort dürfte der CSU-Chef eine Mehrheit haben.

Es wird nicht einfach für Laschet. Wieder einmal.


Von Geschlossenheit in der Frage der Kanzlerkandidatur ist die Union noch weit entfernt. Wie groß die parteiinternen Gräben mittlerweile sind, zeigte sich bereits gestern Abend, als über Laschets mögliche Kanzlerkandidatur diskutiert und schließlich abgestimmt wurde.

Viele Vorstandsmitglieder übten sich in der Disziplin des politischen Spagats. So wie Norbert Röttgen, der sagte, er stehe für Laschet. Na klar. Aber die Basis. Die sei nun mal eindeutig für Söder.

Ähnlich drückte sich der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther aus: Laschet sei sein persönlicher Favorit, doch die Stimmung in seinem Landesverband sei pro Söder. Auch Julia Klöckner argumentierte so, sie ist CDU-Chefin in Rheinland-Pfalz und Bundeslandwirtschaftsministerin.

Die Funktionäre versicherten ihre Loyalität, doch deuteten sie gleichzeitig immer wieder auf die brodelnde Basis: Armin, es hilft ja nichts, die da unten wollen dich nicht.

Es war eine bemerkenswerte Kehrtwende. Nachdem der Vorstand sich noch vor einer Woche praktisch geschlossen hinter Laschet gestellt hatte, gab es nun viele Verweise auf den Gegenwind von unten. Doch der Parteichef ließ sich nicht beirren, auch weil einflussreiche CDU-Funktionäre ihm beisprangen. Nachdem die Sitzung bereits knapp eine Stunde gelaufen war, sagte Laschet deutlich, dass er heute eine Abstimmung über seine Kandidatur wolle.

Das Moment liegt nun bei Laschet

Laschet hat ein sehr gutes Gespür dafür, wann es eng für ihn wird. Und in diesen Tagen wird es sehr eng. Er musste am Montagabend eine Entscheidung erzwingen, obwohl viele im Vorstand dagegen waren. Es war seine letzte Möglichkeit, irgendwie in die Offensive zu kommen. In Laschets Lager weiß man: Jeder Tag, an dem keine Entscheidung fällt, spielt Söder in die Karten.

Die Entscheidung ging gut für Laschet aus. Damit ist klar: Das Momentum liegt nun bei ihm. Erstmals in diesem beispiellosen Machtkampf. Laschet setzte sich knapp durch, indem er stur blieb und sich nicht beirren ließ. Und vielleicht erfüllt es ihn auch mit etwas Genugtuung, dass selbst sein Rivale Söder ihn unterschätzt hat.

Denn der macht in diesen Tagen auch sprichwörtlich vor allem Wind.

Erst flog Söder am Sonntagabend – im Privatjet und begleitetet von medialem Karacho – aus Bayern in Berlin ein. Dort traf er sich mit Laschet in der Nacht zum Montag zu Verhandlungen über die sogenannte K-Frage, doch es gab keine Einigung. Daraufhin sauste Söder, wieder im Privatjet, am nächsten Tag wieder zurück.

Und Armin Laschet? Er blieb einfach in Berlin, wo er mantraartig sein Credo wiederholt: Ich will Kanzlerkandidat werden. Es sei ihm, heißt es intern, auch egal, wenn Markus Söder direkt über dem Kanzleramt mit einem Fallschirm abspringe.

Die Standfestigkeit Laschets hat selbst die hartgesottensten Politprofis in Söders Lager überrascht. Doch das heißt nicht, dass man dort aufgibt. Das Söder-Lager ist auch nach der Entscheidung des Vorstands von gestern Abend nicht gezähmt.

"Mitglieder beruhigen"

Da ist zum Beispiel Christian von Stetten. Neben Carsten Linnemann ist er einer der mächtigsten Männer des Wirtschaftsflügels der Union. Und von Stetten hat einen klaren Favoriten für das Amt des Bundeskanzlers: Söder. Deshalb hat der 50-Jährige eine Liste unter den Unions-Bundestagsabgeordneten organisiert, er will unbedingt ein Votum in der Fraktion erzwingen.

Dort soll über Laschet am Dienstag abgestimmt werden. Ob es tatsächlich dazu kommt, ist noch offen. Auf der Liste stehen mittlerweile über 70 Namen, es sind mehrheitlich Söder-Befürworter. Ebenfalls völlig offen ist, ob sie sich hinter das Votum des Parteivorstands stellen oder am Dienstagnachmittag in der Fraktionssitzung die offene Revolte wagen.

Bereits am gestrigen Abend verfolgte manch ein Abgeordneter die Debatte gar nicht, sondern war in seinen Wahlkreis gefahren: "Mitglieder beruhigen", heißt dieses neue Verfahren in der CDU, und das machen etliche Abgeordnete.

Denn die Mitglieder sind alles andere als ruhig, an der Basis herrscht in weiten Teilen die pure Wut. Dort argumentiert mancher, es werde jetzt zum zweiten Mal gegen den Willen der Mitglieder Laschet durchgesetzt: Das erste Mal sei schon bei der Wahl zum Vorsitz gewesen, als Friedrich Merz dem Votum der Delegierten auf dem Parteitag unterlag. Langsam reicht es den CDU-Mitgliedern.

Und die öffentlichen Scheinwerfer werden sich auch heute nach München richten, zu Markus Söder. Anfang der vergangenen Woche hat er vollmundig das CDU-Präsidium und den Vorstand der Partei als "Hinterzimmer" abgetan, die Formulierung bewegte sich irgendwo an der Grenze zwischen Dreistigkeit und Populismus.

Söder setzte das CDU-Haus in Flammen

Gestern, genau eine Woche später, dann die Kehrtwende: Söder erklärte, er werde selbstverständlich ein Votum akzeptieren, auch wenn es gegen ihn ausfällt. "Ich habe ausdrücklichen Respekt vor allen Gremien", erklärte er. Nur, damit da keine "Missverständnisse aufkommen".

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Denn Markus Söder wirkt wie einer, der vergangenen Montag das Haus der Union in Brand steckte, bis die Flammen hochschlugen. Genüsslich schaute er sich den Brand mehrere Tage an und erzählte der CDU, ihr Wasser könne eh nichts löschen. Gestern dann überreichte er freundlich lächelnd einen Eimer mit echtem Löschwasser: Hier bitte sehr, hier kommt euer wahrer Feuerwehrmann.

Was wird Markus Söder am Dienstag tun? Stellt er sich öffentlich hinter Laschet? Aus ranghohen Kreisen der CDU ist zu hören, dass Söder nur dann glaubwürdig seine Unterstützung versichern könnte, wenn er sich vor der Fraktionssitzung für Laschet ausspricht. Seine Anhänger hoffen, dass Söder einfach schweigt. Doch er hat bereits für 13 Uhr angekündigt, sich zu äußern.

Friede kommt zumindest nicht so schnell in der Partei auf. Ein Vizelandeschef der Union schickte am Ende des Montagabends fassungslos eine SMS mit zwei Worten über den eigenen Parteivorstand herum: "Welch Chaos."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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