Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Partei lässt Laschet auflaufen Fast allein in der CDU
Mit einem "Brücken-Lockdown" will Armin Laschet die Pandemie bremsen – und in die Offensive kommen. Doch selbst CDU-Ministerpräsidenten wollen ihm nicht folgen. Nun stellt sich die Frage: Wie einsam ist der Parteichef?
Armin Laschet klang entschlossen, als er sich am Ostermontag vor die Presse stellte. Beim Besuch eines Impfzentrums in Aachen sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident: "Geschieht nichts, werden die Zahlen erheblich zunehmen".
Einen Vorschlag, was geschehen könnte, nein, müsste, präsentierte der CDU-Chef gleich mit. Sein Name dafür: "Brücken-Lockdown".
Für etwa zwei, drei Wochen soll es mehr Tests in den Schulen und Kitas geben, die Firmen mehr Homeoffice zulassen, und es könnten nächtliche Ausgangssperren verhängt werden. Zudem solle die Ministerpräsidentenkonferenz vorgezogen werden, so Laschet, am besten noch auf diese Woche.
"Es ist noch sehr viel unklar, was Herr Laschet meint"
Das klang gut, nach einer Idee, einem klaren Plan. Virologen hatten einen scharfen Lockdown zum Brechen der dritten Welle bereits seit Wochen gefordert – nun verkündete auch Armin Laschet diese Forderungen als seine Idee.
Doch auf den Vorstoß des Mannes, der im Herbst Kanzler werden will, folgte erst einmal Kritik.
Michael Müller, der Regierende Bürgermeister von Berlin, erklärte prompt, dass er von dem "Brücken-Lockdown" nichts hält. "Es ist, glaube ich, noch sehr viel unklar, was Herr Laschet damit meint", sagte Müller in der ARD. Ähnlich äußerte sich der SPD-Ministerpräsident von Niedersachsen, Stephan Weil. Der Tenor: Vieles ist noch unklar, ein präzises Konzept fehlt. Denken Sie lieber noch mal nach, Herr Laschet.
Laschet wirkt isoliert, fast allein
Die SPD kann bei solchen politischen Vorstößen kühl sein. Doch die CDU kann noch ein paar Grad weniger aufbieten, dann wird es richtig kalt. Etliche Unions-Ministerpräsidenten machen seit Montag das, was man in der Politik immer tut, wenn man den andern auflaufen lassen will: Man schweigt. Und das ausgerechnet bei einer Idee vom eigenen Chef.
Zwar äußerten sich Volker Bouffier, der hessische Ministerpräsident, und Daniel Günther, Landeschef in Schleswig-Holstein, vorsichtig positiv zu Laschets Vorschlag. Auch Sachsens Regierungschef signalisierte im Laufe des Montags seine Zustimmung. Doch viele andere in der Union tun so, als wäre da am Montag gar nichts passiert. Als hätte es den Vorstoß des CDU-Vorsitzenden gar nicht gegeben. Eine Ministerpräsidentenkonferenz noch in dieser Woche halten inzwischen viele für unwahrscheinlich.
Embed
Laschet wirkt isoliert, praktisch allein in Düsseldorf. Das Schweigen seiner Parteifreunde wächst sich jetzt zur Machtprobe für ihn aus: Mit jeder Stunde, die ohne nennenswerte Unterstützer verrinnt, bröckelt ein Stückchen von seiner Autorität weg.
"Ich weiß nicht, mit wem er gesprochen hat"
Das Schweigen der anderen Ministerpräsidenten könnte auch deshalb so ausgeprägt sein, weil Laschets Vorstoß nicht ausreichend abgestimmt war. In der Politik gilt: Wer eine Idee umsetzen will, telefoniert vorher viel herum und sichert sich die Unterstützung. Dann prescht man vor – und prompt taucht wie zufällig eine Stimme nach der anderen zur Unterstützung auf. So wirkt eine Idee wie ein breiter Konsens. Jetzt heißt es in der Partei: Laschet hat sich vergaloppiert.
Fast wirkt sein Vorstoß so, als ob ihm die Idee auf dem Weg zum Impfzentrum in Aachen eingefallen ist. Viele beklagen parteiintern mangelnde Absprache. Ein CDU-Landeschef sagte t-online: "Ich weiß nicht, mit wem er gesprochen hat."
Es geht sogar noch weiter. In der CDU setzt eine Art Gegenbewegung ein: Im Saarland hat der CDU-Ministerpräsident Tobias Hans am heutigen Tag Geschäfte und Gastronomie geöffnet. Zwar ist das gekoppelt an ein intensives Testkonzept, doch es wirkt wie das diametrale Modell zu Laschets Vorschlag. Vom Runterfahren des Landes hält man in Saarbrücken nichts.
Die Kanzlerchancen dürften nicht wachsen, wenn er sich nicht durchsetzt
Es spricht wohl kaum für die Autorität des CDU-Chefs, wenn unter seiner Führung Ministerpräsidenten bereits parteiintern Opposition betreiben.
Über Laschets Vorschlag schwebt vor allem auch die Frage nach der Unions-Kanzlerkandidatur. Die soll in den nächsten Wochen entschieden werden und Laschet ist erheblich unter Druck. Bereits bei "Anne Will" vor gut einer Woche hatte die Kanzlerin Laschet dafür kritisiert, dass in NRW die Notbremse nicht umgesetzt werde.
Das war ein Tiefschlag für ihn in den letzten Wochen, Laschet liegt in den Umfragen weit hinter seinem schärfsten Rivalen Markus Söder. Sein Vorschlag eines "Brücken-Lockdowns" sollte ihn auch aus der Defensive holen. Doch angesichts seiner Isolation zeigt sich: Das wird schwierig. Seine Kanzlerchancen dürften kaum wachsen, wenn klar ist, dass er seine Ideen nicht einmal parteiintern durchsetzen kann.
In der CDU wächst das Unverständnis. Ein Mitglied der Führung der Unionsfraktion im Bundestag sagte t-online am Dienstag: "Warum arbeiten wir nicht einfach mal nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung?" Gemeint ist damit, dass Laschet mit dem Vorstoß für die nächste Ministerpräsidentenkonferenz schon daneben liegt. Stattdessen sollte der gesamte Prozess eher in den Bundestag verlagert werden, auch wenn ein neuer Lockdown beschlossen wird.
Zu den immer wiederkehrenden Ministerpräsidentenkonferenzen erklärt der ranghohe CDU-Abgeordnete nur: "Dieses Instrument hat doch seine Dysfunktionalität inzwischen bewiesen." Deutlicher kann man kaum ausdrücken, wie wenig man vom Vorstoß des eigenen Chefs hält.
- Eigene Recherche