Keine "Happy Days" in Sicht So ist Andreas Scheuer zum Pannen-Minister geworden
Erst der Maut-Skandal, jetzt die Panne mit der StVO-Novelle: Bundesverkehrsminister Scheuer steht immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik. Bisher jedoch ohne Konsequenzen – und vermutlich auch weiterhin.
Es ist ein schöner Sommertag im Fränkischen, die Sonne scheint. Das rhythmische Brummen der vorbeifahrenden Lastwagen mag dem Bundesverkehrsminister wie Musik in den Ohren klingen. Ein "Happy Day", wie Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder es ausdrückt. Einzig der kräftige Wind bläst Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ein bisschen ins Gesicht, als er am Freitag mit Söder und seiner bayerischen Ressortkollegin Kerstin Schreyer (CSU) den symbolischen Spatenstich für den Ausbau eines Teilstücks der Autobahn 3 zwischen Würzburg und Nürnberg tätigt.
Es ist ein Termin, wie ihn ein Verkehrsminister liebt, noch dazu in der Heimat Bayern. Ansonsten aber muss sich Scheuer gerade für ziemlich viele Pannen verantworten: den Schlamassel um die neue Straßenverkehrsordnung mit Unklarheit für Millionen Autofahrer und neue Vorwürfe beim Debakel um die Pkw-Maut.
Scheuer wieder im Fokus der Kritik
Nach dem Beginn der Corona-Krise war Scheuer ein wenig aus den Negativschlagzeilen gekommen, nun aber ist er wieder voll im Fokus. "Andi Scheuer ist ein Minister, der nichts, aber auch gar nichts auf die Kette bekommt, von Skandal zu Skandal stolpert, aber trotzdem großkotzig alle mit anderer Meinung für dumm erklärt", wettert Grünen-Bundestagsfraktionsvize Oliver Krischer.
Auf der Baustelle in Nordbayern herrscht an diesem Freitag zwar scheinbar politisch eitel Sonnenschein: Es wird ein bisschen gefrotzelt, vielleicht ein bisschen zu oft wird das gute Verhältnis betont – vom "lieben Andi" ist da die Rede, wenn es um Scheuer geht. Und Söder, der Franke, bedankt sich beim aus Niederbayern stammenden Bundesverkehrsminister für das Schließen "innerbayerischen Gerechtigkeitslücke", die der lange ersehnte Ausbau der Autobahn-"Leidensstrecke" zwischen Nürnberg und Würzburg darstelle.
Wie es denn um die weniger freudigen Nachrichten aus dem Bundesverkehrsministerium stehe, wird Söder gefragt: "Wir reden heute nur über die guten Nachrichten", entgegnet der Mann, den sich laut Umfragen viele Deutsche als neuen Bundeskanzler vorstellen könnten. Der Vorhang der Polit-Show schließt sich für die Öffentlichkeit, Tacheles dürfte hinter den CSU-Kulissen geredet werden.
Vorwurf: Fehler zu Lasten der Steuerzahler
Es gibt viel zu besprechen. Bei der Aufarbeitung der gescheiterten Pkw-Maut werden neue Vorwürfe gegen Scheuer erhoben. Es geht um interne E-Mails von seinem Abgeordneten-Account und um Kritik an der Kommunikationspolitik des Ministeriums. Scheuer steht vor einem "heißen" Maut-Herbst, im Oktober soll er vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags aussagen. Der Kernvorwurf: schwere Fehler zu Lasten der Steuerzahler. Scheuer weist das zurück.
Dazu gekommen ist ein Chaos um die neue Straßenverkehrsordnung (StVO). Sie ist Ende April in Kraft getreten und soll eigentlich im Kern Fahrradfahrer besser schützen – Scheuer tituliert sich gerne als "Fahrradminister". Doch vor kurzem wurde ein Rechtsfehler entdeckt, der dazu führt, dass schärfere Fahrverbots-Regeln für Raser nichtig sind und vorerst außer Vollzug gesetzt werden mussten. In der Bundesregierung wird die Schuldfrage diskutiert, Scheuer muss mit den Ländern eine Lösung suchen, es gibt aber Uneinigkeit – die Länder hatten die schärferen Regeln erst in die neue StVO gebracht.
Schon vor den rechtlichen Bedenken hatte Scheuer die schärferen Regeln für Fahrverbote bei zu schnellem Fahren als "unverhältnismäßig" kritisiert – auch weil es Proteste von Autofahrern gab. Das brachte ihm nicht nur vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat den Vorwurf ein, dass eine Rücknahme der Sanktionen ein "fatales Signal" für die Verkehrssicherheit wäre.
Verkehrspolitiker mit Leib und Seele
Dabei ist Scheuer ein Verkehrspolitiker mit Leib und Seele. Und er hat durchaus etwas auf der Habenseite in seiner Amtszeit seit März 2018 – etwa die Einigung in einem lange festgefahrenen Rechtsstreit mit den damaligen Betreibern der Lkw-Maut oder deutlich mehr Geld für die Schiene. Und beim jüngst verabschiedeten EU-Mobilitätspakt wurden bessere Arbeitsbedingungen für Fernfahrer erreicht.
Das alles aber bleibt im Schatten der Pannen. "Allein das Desaster um die PKW-Maut reicht für drei Ministerrücktritte", sagt Krischer. Der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic meint immerhin, dass Scheuer die Themen kenne und in manchen Punkten auch etwas bewegt habe. Er habe aber zu viele Fehler begangen. Bei der Maut-Aufarbeitung erinnere das Ministerium an "House of Maut", es werde "getrickst, getarnt und getäuscht".
Kaum noch Rückhalt in der eigenen Partei
Und wie kommt das Ganze in der von Söder geführten CSU an? Scheuers Arbeit in Berlin wird schon lange von vielen als Belastung angesehen. Nachdem er bei der Maut aber nicht als allein Verantwortlicher gesehen wurde, als Väter des Projekts galten der damalige CSU-Chef Horst Seehofer und er jetzige Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, ist die Einschätzung jetzt eine andere: Scheuers Haus habe bei der Umsetzung schlampig gearbeitet, heißt es in der Partei.
Das sei tragisch und peinlich zugleich, zudem strahle es, und das sei das Schlimmste, negativ auf die ganze Partei. Immer wieder verzettele er sich ohne Not. Wer in der CSU nach Scheuer fragt, wird auch schnell an Dauer-Schwierigkeiten bei der Bahn und bei der Dieselkrise oder die Debatte um ein Tempolimit erinnert.
Dabei ist das Verkehrsministerium schon lange in der Hand der CSU und hat für die Partei durchaus eine wichtige Funktion, da der Freistaat bei der Vergabe von Fördergeldern aus Berlin für Straßen und Schienen regelmäßig großzügig bedacht wird. Freilich wird das in Bayern nicht als Ergebnis der CSU-Führung interpretiert, als vielmehr der schnellen Reaktion auf mögliche Projektanträge.
Sorgen um seinen Posten muss sich der umstrittenste CSU-Bundesminister aber wohl trotz seiner Pannen nicht machen. Die von Söder vor Monaten angekündigte Kabinettsumstellung ist nämlich vom Tisch. Hätte Söder die CSU-Ministerien neu vergeben wollen, so hätte Scheuer zweifelsohne Probleme bekommen. Auch sein Parteiamt als Chef des CSU-Bezirks Niederbayern hätte ihm da wohl nicht mehr geholfen. Welche Rolle er jedoch bei künftigen Personaldebatten in Berlin spielen wird, dahinter stehen in München viele Fragezeichen.
- Nachrichtenagentur dpa