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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Coronavirus-Pandemie Was droht, wenn eine bundesweite Ausgangssperre kommt?
Mit der steigenden Anzahl von Infizierten wächst hierzulande die Sorge vor weiteren Einschnitten im Privatleben. Steht Deutschland eine Ausgangssperre bevor?
Um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, haben Bund und Länder bereits umfangreiche Maßnahmen vereinbart. Eine Ausgangssperre wie in anderen Staaten gehört aktuell noch nicht dazu. Sie wäre aber denkbar, falls die bisher beschlossenen Schritte sich als nicht ausreichend erweisen, um einen raschen Anstieg der Infektionen zu verhindern. Welche rechtlichen Grundlagen für eine Ausgangssperre gibt es in Deutschland? Und was passiert, wenn eine Ausgangssperre verhängt wird?
Was bedeutet "Nationaler Notstand" und wann kann er ausgerufen werden?
"Der Nationale Notstand ist mehr eine Umschreibung als ein feststehender Rechtsbegriff", sagt Staatsrechtler Joachim Wieland von der Uni Speyer im Gespräch mit t-online.de. Für besondere Krisensituationen sieht das deutsche Grundgesetz eine sogenannte "Notstandsverfassung" vor. Diese greift dann, wenn sich das Land beispielsweise im Verteidigungsfall befindet, von inneren Unruhen oder Naturkatastrophen erschüttert wird. Für solche Ernstfälle existiert kein gesondertes Gesetz – stattdessen werden solche Fälle mit Ausnahmeregelungen in einzelnen Artikeln geregelt. Eine Krisensituation durch eine Pandemie ist im Grundgesetz nicht berücksichtigt.
Welche Befugnisse hat die Bundesregierung im Falle des Notstands?
Wird Deutschland von Naturkatastrophen oder Unglücken getroffen, greift Artikel 35 des Grundgesetzes. Dieser besagt, dass die Bundesregierung den Landesregierungen Weisungen erteilen kann. Darüber hinaus wird die Bundesregierung befähigt, den Ländern zur Unterstützung der Polizeikräfte Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der Bundeswehr zur Verfügung zu stellen.
"Im Hinblick auf eine mögliche Ausgangssperre sind das aber keine Befugnisse, die berechtigen würden, uns alle auf die häuslichen Bereiche zu beschränken", sagt Wieland. "Das sind Bereiche, in denen es darum geht, die Kräfte zusammenzufassen. Man könnte die Bundeswehr einsetzen, wie das beispielsweise Helmut Schmidt schon bei der Hamburger Flutkatastrophe getan hat." Dieses Ausnahmerecht gilt aber nur dann, wenn die Bundesländer die Lage nicht mehr eigenständig schultern können.
Ob solche Maßnahmen auch im Fall der Coronavirus-Pandemie sinnvoll sind, erscheint fraglich, zumal laut Wieland das Personal für die Bekämpfung einer Pandemie ohnehin bei den Ländern vorhanden ist. Rechtliche Grundlagen bieten das Infektionsschutzgesetz oder die Katastrophenschutzgesetze der Länder. "Diese erlauben es den Landesregierungen, schnell auf alle verfügbaren Kräfte wie das Rote Kreuz oder das technische Hilfswerk zuzugreifen."
Kann in Deutschland eine Ausgangssperre verhängt werden?
Um eine weitere Verbreitung des Coronavirus einzudämmen, ist es auch hierzulande rechtlich möglich, eine Ausgangssperre zu verhängen. Diese könnte laut Wieland auf das Infektionsschutzgesetz gestützt werden. Im Infektionsschutzgesetz stehen spezielle Regelungen für infizierte Personen. So könnte die zuständige Behörde – unter gewissen Voraussetzungen – Menschen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind.
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"Um eine Ausgangssperre auch für Nicht-Infizierte zu erreichen, müsste man aber auf das Polizeirecht zurückgreifen", sagt Verfassungsrechtler Wieland. Das zuständige Bundesland müsste dafür eine entsprechende Verordnung auf polizeirechtlicher Grundlage erlassen. Damit dies für ganz Deutschland gilt, müssten alle Länder mitziehen. Der Bund kann das nach geltender Rechtslage nicht anordnen. "Er kann koordinieren und Empfehlungen aussprechen oder dafür sorgen, dass sich die Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin absprechen", sagt Wieland.
Eine Ausgangssperre müsste man sich allerdings auch hierzulande mit Ausnahmen für wichtige Erledigungen, Arztbesuche oder den Weg zur Arbeit vorstellen. Solche Regelungen gibt es zum Beispiel in Frankreich oder Spanien.
Wäre eine Ausgangssperre zeitlich befristet?
Das Polizeirecht besagt, dass Maßnahmen wie eine Ausgangssperre verhältnismäßig sein müssen. "Eine Ausgangssperre ist ein sehr weitreichender Eingriff. Man darf ihn nur so lange aufrechterhalten, wie es zwingend erforderlich ist, um eine Pandemie zu bekämpfen", sagt Wieland. Eine kalendermäßige Befristung gibt es nicht.
Wie gut ist Deutschland rechtlich auf eine Pandemie vorbereitet?
Es gibt in Deutschland keine speziellen Pandemie-Vorschriften. Es gibt aber das allgemeine Polizeirecht, das so allgemein gefasst ist, dass es auf jede Gefahr angewendet werden kann. Die rechtlichen Möglichkeiten, auf eine Pandemie zu reagieren, sind vorhanden. Sie sind nur nicht auf einen solchen Fall konkret zugeschnitten.
"Alle Maßnahmen, die notwendig werden könnten, kann man auf der Grundlage des geltenden Rechts ergreifen", sagt Rechtsexperte Wieland.
- Eigene Recherchen
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- Berliner Morgenpost: "Braucht Deutschland bald erstmals seine Notstandsgesetze?"