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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bauernproteste Klöckners Agrarpolitik stößt auch bei Parteien sauer auf
Die Politik von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner steht in der Kritik. Nicht nur bei den Bauern. Auch Koalitionspartner und Opposition stellen ihr ein schlechtes Zeugnis aus. Der Konsens: Weniger reden, mehr tun.
Deutschlands Bauern sind sauer. Sie fühlen sich durch das Agrarpaket von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner in ihrer Existenz bedroht. Dieses beinhaltet Maßnahmen zum Tier- und Umweltschutz, die unter anderem wichtig sind, um hohe Strafzahlungen an die EU zu vermeiden. Im Interview mit t-online.de rechtfertigt Klöckner ihre Pläne. Doch aus den Bundestagsfraktionen hagelt es Kritik.
SPD: "Allein kann man Gesellschaft nicht gestalten"
Für den stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Matthias Miersch ist klar, dass die Situation der deutschen Landwirte die gesamte Gesellschaft etwas angeht. Auf Anfrage von t-online.de sagt er: "Um die Situation der Landwirte zu verbessern, brauchen wir einen gesellschaftlichen Konsens, wie die Zukunft der Landwirtschaft aussehen soll. Alleine kann man Gesellschaft nicht gestalten. Weder die Landwirte noch Umwelt- und Verbraucherschutzverbände werden jeweils für sich zukünftige Agrarpolitik gestalten können. Wir brauchen eine Zukunftskommission, die die unterschiedlichen Interessen zusammenbringt und einen Kompromiss erarbeitet, der über Generationen Bestand hat. Nur so erhalten Landwirte die notwendige Planungssicherheit."
Grüne: "Gesellschaft ist nicht bereit, die Kosten zu tragen"
Die gesellschaftliche Anerkennung der Landwirte sei hoch, sagt Friedrich Ostendorff, der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag. "Aber die Gesellschaft ist nicht mehr bereit, die hohen Kosten für Umwelt, Tiere und Klima zu akzeptieren, die mit dem industrialisierten Agrarsystem verbunden sind." Es brauche ein anderes Agrar- und Ernährungssystem, das Klima und Umwelt weniger belaste, Tieren ein artgerechtes Leben und den Landwirten dennoch ein gutes Auskommen ermögliche.
Statt zu handeln, gebe es von der Agrarministerin nur viele Worte und immer wieder Versuche zu spalten. "Mit höhnischer Arroganz diejenigen als 'Bullerbü-Romantiker' zu diffamieren, die sich bemühen, Landwirtschaft und Gesellschaft wieder zusammenzubringen", löse die Probleme nicht.
Linke: "In der Agrarpolitik haben soziale Fragen lange keine Rolle gespielt"
Die Proteste seien das Ergebnis einer jahrelang fehlgeleiteten Politik, sagt Kirsten Tackmann von der Links-Partei gegenüber t-online.de. "Das Betriebssterben ist im Kern eine Enteignung durch den Markt. Viel zu lange haben in der Agrarpolitik soziale Fragen keine Rolle gespielt." Der Gesetzgeber sei in der Pflicht, sicherzustellen, dass Agrarbetriebe sozial und ökologisch wirtschaften können. "Die Marktmacht der Handelskonzerne erpresst alle ortsansässigen Agrarbetriebe, die deren Reichtum erarbeiten." Dabei müsse die gesamte Lebensmittelkette Verantwortung übernehmen. "Ohne faire Erzeugerpreise sind auch die ökologischen Probleme in der Landwirtschaft nicht lösbar. Unlautere Marktregeln, Werbung mit Ramschpreisen bei Lebensmitteln und Bodenspekulationen müssen endlich unterbunden werden", fordert Tackmann.
FDP: "Dialog auf wissenschaftlicher Basis"
FDP-Politiker Gero Hocker sieht in den derzeitigen Protesten eine Chance für die Bundesregierung und die Landwirtschaftsministerin. "Sie müssen nun zeigen, dass sie die Botschaft der Landwirte ernst nehmen. Statt weiterer Lippenbekenntnisse benötigt unsere Landwirtschaft endlich einen fairen Dialog auf wissenschaftlicher Basis", sagt er auf Anfrage von t-online.de. Bis dieser abgeschlossen sei, dürfe es keine weiteren Beschlüsse geben. Außerdem müsse die Bundesregierung einsehen, dass die vorliegenden Pläne zum Agrarpaket und der Düngeverordnung nicht fachlich sinnvoll und in der Praxis nicht umzusetzen seien.
AfD: "Sie sagt viel Richtiges, handelt aber falsch"
"Die Politik von der Landwirtschaftsministerin und der Umweltministerin ist unter aller Kanone", bescheinigt der Sprecher für Agrarpolitik in der AfD, Stephan Protschka, im Gespräch mit t-online.de. Die Landwirte bräuchten feste Zusagen und Sicherheiten, um langfristig planen und investieren zu können. Nur so könnten sie ihre Existenz sichern. "Prozesse müssen schneller zum Abschluss gebracht werden", fordert er. Vor allem Julia Klöckner sage viele richtige Dinge, sie handle aber gegensätzlich. "Einerseits fordert sie die Verbraucher dazu auf, mehr Geld in gute und faire Ernährung zu investieren, andererseits sorgt sie dafür, dass die Lebensmittelpreise sinken und Billig-Huhn in den Supermarktregalen landet."
- Eigene Recherche