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Ströbele: Der größte Steuerraub aller Zeiten muss endlich Konsequenzen haben


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Ströbele stellt Forderungen
Der größte Steuerraub aller Zeiten muss endlich Konsequenzen haben

MeinungEin Gastbeitrag von Hans-Christian Ströbele

Aktualisiert am 02.01.2019Lesedauer: 4 Min.
Reflexion auf Glas: Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele fordert in seinem Gastbeitrag Konsequenzen aus den Ermittlungen gegen einen Journalisten, der Cum-Ex-Geschäfte enthüllt hatte.Vergrößern des Bildes
Reflexion auf Glas: Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele fordert in seinem Gastbeitrag Konsequenzen aus den Ermittlungen gegen einen Journalisten, der Cum-Ex-Geschäfte enthüllt hatte. (Quelle: Nikada/getty-images-bilder)

Journalist Oliver Schröm hat Cum-Ex-Geschäfte enthüllt. Nun ermittelt der Staatsanwalt gegen ihn. Das muss Konsequenzen für ein neues Gesetz haben, fordert Grünen-Politiker Ströbele im Gastbeitrag.

Die Pressefreiheit steht in Deutschland durch den Artikel 5 des Grundgesetzes unter besonderem Schutz. Doch auch Journalisten müssen sich an Gesetze halten. Wie bestimmte Gesetze aussehen, ist deshalb wichtig für die Arbeit von Journalisten.

Das wird am Fall des Investigativ-Journalisten Oliver Schröm deutlich, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen seiner Cum-Ex-Recherchen ermittelt. In einem Gastbeitrag fordert der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele Änderungen an einem Gesetzentwurf, über den der Bundestag kürzlich diskutiert hat.

Hans-Christian Ströbele, geboren 1939, ist Politiker der Grünen. Ströbele ist Rechtsanwalt und war bis 2017 Mitglied des Deutschen Bundestags. Dort gehörte er viele Jahre dem Parlamentarischen Kontrollgremium zur Überwachung der Geheimdienste an. Die in Gastbeiträgen geäußerte Meinung ist die des Autors und entspricht nicht unbedingt derjenigen der t-online.de-Redaktion.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt gegen den Investigativ-Journalisten Oliver Schröm. Es geht um den Strafvorwurf der Anstiftung zur Verletzung des Geschäftsgeheimnisses von Schweizer Banken. Schröm soll bei Recherchen zu Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften, also grob illegaler, ja strafbarer Aktiendeals, gegen Paragraf 17 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb verstoßen haben. Bei diesen Geschäften wurden viele Jahre lang Steuern an den deutschen Fiskus einmal gezahlt, aber zwei oder noch mehrmals rückerstattet.

Untersuchungen deutscher Finanzbehörden und Staatsanwälte laufen inzwischen bundesweit gegen kriminelle Dealer und Großbanken wie die Deutsche Bank. Der Gesamtschaden aus diesen Verbrechen zu Lasten der deutschen Steuerzahler wird inzwischen auf mehr als 50 Milliarden Euro geschätzt, der größte Steuerraub aller Zeiten.

Statt den Journalisten Schröm für seine Recherchearbeit und Verdienste um die Aufklärung der Cum-Ex-Geschäfte zu loben und öffentlich zu preisen, wird er wie ein Verbrecher verfolgt. Die Pressefreiheit droht dabei auf der Strecke zu bleiben.

Staat nutzt Geschäftsgeheimnisse straffrei

Der heutige Chefredakteur des Recherchebüros Correctiv soll als Mitarbeiter des "Stern" bei seinen Recherchen in der Schweiz im Jahr 2014 Informationen eines Hinweisgebers erhalten haben – deshalb der Vorwurf der Anstiftung zur Verletzung des Geschäftsgeheimnisses. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat das Verfahren im März 2018 von der Schweizer Justiz übernommen.

Während gegen Journalisten ermittelt wird, werden staatliche Stellen anders behandelt. Sie nutzen verratene Geschäftsgeheimnisse über Steuerbetrug straffrei. Der deutsche Geheimdienst BND machte den Anfang. Nach anfänglichem Zögern kaufte er im Januar 2006 eine CD mit Daten von deutschen Schwarzgeldkunden einer Bank in Lichtenstein für vier Millionen Euro. Dem Hinweisgeber besorgte er eine neue Identität und sichere Zuflucht. Das Aufklärungsinteresse des deutschen Fiskus hatte offensichtlich Vorrang vor dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Er erzielte mit den Daten auf der CD mehr als 200 Millionen Euro aus Steuernachzahlungen deutscher Steuersünder.

In der Folgezeit kauften Finanzminister der Bundesländer immer wieder CDs mit Kontodaten deutscher Steuerhinterzieher von Whistleblowern aus der Schweiz und erfreuten sich an den Millionen aus Steuernachzahlungen. Von strafrechtlichen Ermittlungen gegen den BND oder Finanzminister wegen Beteiligung am Verrat von Geschäftsgeheimnissen ist nichts bekannt. Anderes gilt offensichtlich, wenn es um die Disziplinierung der Presse geht.

So sieht sich der Journalist Ärger und der Bedrohung eines Strafverfahrens ausgesetzt, obwohl Presse und Journalisten unter dem besonderen Schutz des Artikels 5 des Grundgesetzes stehen. Und obwohl die investigative Arbeit der Presse als sogenannte vierte Gewalt im Staat unverzichtbar für das Funktionieren der modernen Demokratie ist. Ohne Recherchen von Journalisten wären Straftaten der illegalen Parteienfinanzierung, massenhaftes Ausspähen unverdächtiger Bürger – ja sogar der Kanzlerin – durch Geheimdienste aber auch der Verkauf von verdorbenem Fleisch oder gesundheitsschädlicher Medikamente nicht aufgeklärt und nicht verhindert worden.

Gesetzentwurf zu Geschäftsgeheimnissen muss geändert werden

Gerade in der Woche, in der Schröm von dem Strafverfahren gegen sich erfahren hat, diskutierte der Bundestag ein Gesetz zur Strafbarkeit des Verrats von Geschäftsgeheimnissen. Dieser wird generell unter Strafe gestellt. Anlass ist die Umsetzung einer EU-Richtlinie vom Juni 2016 über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen.

Anders als in dem deutschen Gesetzentwurf steht in der EU-Richtlinie, dass die Ausübung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung und der Medien nicht eingeschränkt werden darf, insbesondere was den investigativen Journalismus anbelangt. Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen sollte nicht für deren Offenlegung gelten, insoweit diese dem öffentlichen Interesse dient, also ein Fehlverhalten oder eine illegale Tätigkeit von unmittelbarer Relevanz aufgedeckt wird.

Im Gesetzentwurf fehlen solche Einschränkungen der Strafbarkeit. Journalisten haben in Deutschland zwar das gesetzlich verbriefte Recht, die Aussage vor Gericht über ihre Informanten und selbst erarbeitetes Journalistenmaterial zu verweigern, aber keinen ausdrücklichen Schutz vor Strafverfolgung ihrer journalistischen Arbeit. Eine solche Konkretisierung des Grundrechts aus Artikel 5 des Grundgesetzes gibt es nicht.


Der jetzt im Bundestag beratene Gesetzentwurf zum Geheimschutz von Geschäftsgeheimnissen darf so nicht verabschiedet werden. Im Gesetz muss verankert werden, dass Medien und investigative Journalisten in ihrer journalistischen Arbeit nicht eingeschränkt werden dürfen. Außerdem muss ins Gesetz, dass die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen im öffentlichen Interesse nicht rechtswidrig und nicht strafbar ist. Das ist der Fall, wenn es um illegale Tätigkeit von Bedeutung geht, etwa um Verstöße gegen des Grundgesetz oder um Verbrechen. Das ist unverzichtbar für eine Gesellschaft, die Fehlentwicklungen demokratisch korrigiert und sich immer wieder erneuert.

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