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Cum-Ex-Geschäfte: Was ist das eigentlich? Das sollten Sie wissen


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Kanzler Scholz in Bedrängnis
Wie funktionieren eigentlich Cum-Ex-Geschäfte?


Aktualisiert am 18.09.2023Lesedauer: 4 Min.
Christian Olearius (Mitte) im Gespräch im Jahr 1997 (Archivbild): Der einstige Gesellschafter und Vorstand der Warburg-Bank traf sich zum Zeitpunkt der Cum-Ex-Geschäfte mit Olaf Scholz, damals Oberbürgermeister Hamburgs.Vergrößern des Bildes
Christian Olearius (Mitte) im Gespräch im Jahr 1997 (Archivbild): Der einstige Gesellschafter und Vorstand der Warburg-Bank traf sich zum Zeitpunkt der Cum-Ex-Geschäfte mit Olaf Scholz, damals Oberbürgermeister Hamburgs. (Quelle: Imago/ Kundel-Saro)
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Durch Cum-Ex-Geschäfte haben sich Banken, Finanzberater und Manager jahrelang bereichert – auf Kosten des Steuerzahlers. t-online erklärt die Hintergründe.

Cum-Ex und kein Ende: Bei der Aufarbeitung des milliardenschweren Steuerskandals beginnt an diesem Montag ein Prozess gegen den Hamburger Bankier Christian Olearius.

Dem 81-jährigen Gesellschafter der Privatbank Warburg werden vor dem Bonner Landgericht 13 Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung vorgeworfen, die sich auf den Zeitraum 2006 bis 2013 beziehen. Hinzu kommt ein weiterer Hinterziehungsvorwurf: Von 2016 bis 2019 soll Olearius mit falschen Angaben versucht haben, eine Steuernachzahlung zu verhindern. Die Staatsanwaltschaft beziffert den Steuerschaden auf insgesamt 280 Millionen Euro (Az. 63 KLs 1/229)

Im sogenannten Cum-Ex-Skandal hatte die Bank jahrelang eine rechtliche Lücke rund um den Tag der Dividendenzahlung von Aktien ausgenutzt. Bei den speziellen Finanzgeschäften haben die Beteiligten Aktien mit einem Anspruch auf die Dividende ("cum") und ohne Anspruch ("ex") zwischen sich hin- und hergeschoben.

Ziel dabei: mehrere Steuererstattungen durch die Finanzämter. Banken, Finanzberater, Anwälte, Notare – sie alle verdienten an dem Geschäft. t-online erklärt, wie diese Geschäfte genau funktionieren, wie hoch der Schaden war – und was Kanzler Olaf Scholz damit zu tun hat.

Wie funktionieren Cum-Ex-Geschäfte?

Börsennotierte Unternehmen schütten in der Regel einmal im Jahr eine Dividende an ihre Aktionäre aus. Die Anteilseigner werden so am Gewinn beteiligt. Stichtag ist der Tag vor der Dividendenzahlung. Wer zu diesem Zeitpunkt im Besitz der Aktien war, erhält die Dividende ausgezahlt.

Auf diese wird Kapitalertragsteuer fällig. Darüber erhält der Aktionär eine Bescheinigung, die die Bank ausstellt. Auf diese haben es die Beteiligten bei den Cum-Ex-Geschäften abgesehen. Denn sie können Verluste, die sie an anderer Stelle einfahren, mit den steuerlichen Abzügen verrechnen.

Ziel und Zweck der Cum-Ex-Geschäfte – auch Dividendenstripping genannt – war es, für größtmögliche Verwirrung zu sorgen. Mit dem raschen Zirkulieren der Aktien zwischen Anspruchsberechtigten und nicht Anspruchsberechtigten rund um den Stichtag der Dividendenzahlung sollte das Finanzamt am Ende nicht mehr wissen, wer zu diesem Zeitpunkt Aktionär des Unternehmens ist.

Das Ergebnis: Die Steuerbehörden stellten mehr Steuererstattungsbescheide aus als rechtens. Steuern, die eigentlich gezahlt werden mussten, entgingen dem Fiskus. Dieser Praxis wurde in Deutschland 2012 ein Riegel vorgeschoben. Die anderen europäischen Länder wurden jedoch erst 2015 von Deutschland vor den Dividenden-Steuertricks gewarnt.

Welche Rolle spielen dabei Leerverkäufe?

Eine zentrale Rolle spielten auch Leerverkäufe. Das heißt: Investoren verkaufen Papiere, die sie nicht besitzen und besorgen sich diese anschließend am Markt. Liegt der Kurs unterhalb des ursprünglichen Verkaufskurses, streichen sie einen Gewinn ein. Wie Leerverkäufe funktionieren, lesen Sie hier.

Bei den Cum-Ex-Geschäften wurde das Leerverkaufsgeschäft vor dem Dividendenstichtag aufgesetzt. Verkäufer und Käufer einigten sich über Preis und Zeitpunkt der Transaktion, verschleierten jedoch, wer wann welche Aktie besessen hat.

Was hat der Cum-Ex-Skandal mit mir zu tun?

Direkt zwar nichts. Allerdings: Der Schaden für den deutschen Fiskus durch Cum-Ex-Geschäfte beläuft sich Schätzungen zufolge auf zehn Milliarden Euro.

Das heißt: Dieses Steuergeld stand dem deutschen Staat nicht zur Verfügung – für dringend benötigte Investitionen in Schulen, Straßen oder den Ausbau des Mobilfunknetzes. Durch Cum-Ex-Geschäfte haben sich Betrüger jahrelang auf Kosten der deutschen Steuerzahler bereichert.

Ist Cum-Ex-Betrug strafbar?

Ja. Cum-Ex-Geschäfte seien als "strafbare Steuerhinterziehung" zu werten, heißt es vom Bundesgerichtshof (BGH), der Ende Juli 2021 ein richtungsweisendes Urteil sprach.

Konkret ging es um die Revision von zwei britischen Aktienhändlern. Sie wurden im Frühjahr 2020 vom Bonner Landgericht zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Mit dem BGH-Urteil ist die Entscheidung des Landgerichts rechtskräftig – und die Cum-Ex-Geschäfte können als strafbar eingestuft werden.

Der heutige Kanzler Scholz begrüßte das Urteil. Damals noch in der Rolle des Finanzministers sagte er: "Die Entscheidung ist wirklich eine gute Sache für uns als Steuerzahler und für die Gerechtigkeit. Das Gericht hat klargestellt, dass Cum-Ex zu keinem Zeitpunkt legal war und die Steuerschuld nie verjährt ist." Scholz steht allerdings beim Cum-Ex-Skandal selbst in der Kritik (siehe unten).

Deutscher Banker zu Haftstrafe verurteilt

Anfang 2021 hatte das Landgericht Bonn erstmals einen deutschen Banker zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Der ehemalige Generalbevollmächtigte der Hamburger Privatbank M.M. Warburg wurde wegen Steuerhinterziehung durch Cum-Ex-Geschäfte in fünf Fällen zu fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem muss er 100.000 Euro Strafe zahlen.

Die Warburg-Gruppe erklärte, das Bonner Urteil bleibe ohne wirtschaftliche Folgen für sie. Auch die Mitinhaber der Warburg Bank, Christian Olearius und Max Warburg, werden beschuldigt, bei Cum-Ex-Geschäften tätig gewesen zu sein (siehe nächstes Kapitel). Sie weisen das zurück.

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen rund Tausend Beteiligte

Doch es gilt: Die juristische Aufarbeitung ist noch lange nicht abgeschlossen. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem in rund 80 Fällen gegen knapp tausend Beteiligte.

Höchst fraglich ist aber, ob sie alle strafrechtlich belangt werden. Denn: Jahrelang gab es eine Gesetzeslücke, die sie ausgenutzt haben.

Was hat Olaf Scholz mit dem Cum-Ex-Skandal zu tun?

Das ist eine der entscheidenden Frage, die auch jetzt, im Prozess gegen Olearius eine Rolle spielen dürfte. Zwar ist es nicht so, dass Scholz mit dem gesamten Cum-Ex-Skandal etwas zu tun hätte – dieser erstreckte sich über Hunderte Banken, Aktienhändler und Steuerberater im In- und Ausland.

Bei Scholz geht es konkret um Treffen zwischen dem SPD-Politiker, damals Erster Bürgermeister Hamburgs, und dem Miteigentümer der Hamburger Warburg Bank, Christian Olearius, 2016 und 2017. Gegen Olearius wurde damals bereits wegen des Verdachts auf schwere Steuerhinterziehung ermittelt.

Die Warburg Bank war über Jahre in Cum-Ex-Geschäfte verwickelt. Brisant sind die Treffen deshalb, weil die Stadt Hamburg später mögliche Steuernachforderungen von 47 Millionen Euro verjähren ließ, eine weitere über 43 Millionen Euro wurde erst nach Intervention des Bundesfinanzministeriums im Jahr 2017 eingefordert.

Inzwischen hat die Bank alle Forderungen beglichen, der Stadt Hamburg ist demnach kein finanzieller Schaden entstanden. Die Warburg Bank streitet indes weiterhin jede Schuld ab.

Scholz muss erneut vor dem Ausschuss aussagen

Scholz hatte die Treffen mit Olearius erst im Nachhinein eingeräumt und sich auf Erinnerungslücken berufen. Zuvor waren Einträge aus Olearius' Tagebuch bekannt geworden, die auf die Treffen und eine mögliche besondere Behandlung der Bank durch die Finanzbehörde hindeuteten.

Auch im U-Ausschuss der Hamburger Bürgerschaft wiederholte Scholz, er könne sich an die konkreten Inhalte nach so vielen Jahren nicht erinnern. Sicher sei aber: "Ich habe auf das Steuerverfahren Warburg niemals Einfluss genommen."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Bürgerbewegung Finanzwende
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