t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikDeutschlandInnenpolitik

Friedrich Merz im Wahlkampf besonders vorsichtig: Taurus-Lieferungen?


Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.

Friedrich Merz und die CDU im Wahlkampf
Plötzlich rudert er zurück


Aktualisiert am 05.12.2024Lesedauer: 5 Min.
imago images 0783043195Vergrößern des Bildes
Friedrich Merz: Der Unions-Kanzlerkandidat hält sich bei einigen Themen auffallend zurück. (Quelle: IMAGO/Chris Emil Janssen)
News folgen

Friedrich Merz hat eigentlich kein Problem damit, wenn seine Aussagen nicht jedem passen. Im Wahlkampf sieht die Sache aber schon anders aus. Plötzlich ist der Kanzlerkandidat besonders vorsichtig.

Eigentlich sind es ziemlich klare Worte, die der CDU-Vorsitzende am vergangenen Sonntag in seinem Newsletter, der sogenannten #MerzMail, wählt. Mit Blick auf die Ukraine schreibt er: "Zusammen mit Frankreich und Großbritannien hätte es deutliche Ansagen an Putin geben müssen: Wenn der Kriegsterror gegen die Zivilbevölkerung nicht binnen 24 Stunden aufhört, werden die Reichweitenbegrenzungen der gelieferten Waffen aufgehoben. Wenn das nicht reicht, liefert Deutschland Taurus-Marschflugkörper, um die Nachschubwege der russischen Armee zu zerstören."

Sofort sieht Olaf Scholz seine Chance. Auf der "Wahlsieg-Konferenz" zum Wahlkampfauftakt der SPD wirft der Kanzler dem Oppositionsführer vor, Wladimir Putin ein Ultimatum zu stellen: "Ich kann da nur sagen, Vorsicht: Mit der Sicherheit Deutschlands spielt man nicht Russisch Roulette."

Für Merz wird es damit heikel. Denn die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger lehnt Taurus-Lieferungen ab. Laut ARD-Deutschlandtrend gaben zuletzt 61 Prozent der Befragten an, Deutschland solle der Ukraine die Präzisionswaffen nicht zur Verfügung stellen. Nur 27 Prozent waren dafür. Entsteht jetzt der Eindruck, Merz würde die Sicherheit der Menschen hierzulande nicht ernst genug nehmen, könnte sich das im Wahlkampf negativ auswirken. Vor der Fraktionssitzung der Union am Montag stellt er deshalb klar: "Ich habe zu keinem Zeitpunkt dem russischen Präsidenten ein Ultimatum gestellt." Merz sagt die Sätze so energisch, dass man glatt überhören könnte, was er hier eigentlich tut – er rudert zurück.

CDU und CSU sind dieses Mal besonders vorsichtig

Die oberste Regel im Wahlkampf ist immer dieselbe: Bloß keine Fehler machen. Und da zählt mittlerweile schon einiges dazu. Die Bundestagswahl 2021 hat allen Parteien gezeigt, wie viel schneller Missgeschicke in Zeiten von Social Media passieren und sich anschließend verbreiten können. Deshalb hat die Union beschlossen, dieses Mal besonders vorsichtig zu sein.

Es ist so: Seit dem Bruch der Ampelkoalition stehen die Zeichen für Friedrich Merz ziemlich gut. An seinen demokratischen Wettbewerbern Olaf Scholz und Robert Habeck haftet in Teilen immer noch das Image einer gescheiterten Regierung. Und Christian Lindner steht mit seinen Liberalen nach den Enthüllungen um ein FDP-Papier zum geplanten Ampel-Ausstieg kurz vor dem politischen Abgrund. Sieht man sich die Umfragewerte der vergangenen Wochen an, wirkt es, als könnten CDU und CSU im Schlafwagen ins Kanzleramt fahren. So scheint man es auch in den Parteispitzen zu sehen. Also hält man sich thematisch zurück. Keine Details, einfache Botschaften und viele gute Bilder von Merz – ist diese Strategie am Ende wirklich der Erfolgsgarant?

Je konkreter, desto größer die Gefahr

Im Kern gibt es zwei Ebenen, auf denen im Wahlkampf etwas schieflaufen kann. Situativ und inhaltlich. Manchmal hängt beides zusammen.

Situativ war beispielsweise der Lacher des ehemaligen Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Im falschen Moment war damals im Wahlkampf 2021 ein Foto entstanden, das den Kanzlerkandidaten der Union lachend im Flutgebiet zeigte. Ein unpassendes Verhalten, fanden viele. Das Bild wurde vielfach im Internet verbreitet, es kostete Laschet deutlich Zustimmung.

Dann ist da noch die inhaltliche Komponente. Jede Partei macht Vorschläge, die mehr oder minder konkret sind. Je konkreter, desto größer ist die Gefahr, dass einige Wählerinnen und Wähler die Idee ablehnen. Deshalb versuchen Wahlkämpfer in der Regel, sich auf Themen zu konzentrieren, die in der Breite mehrheitsfähig sind. So etwas wie Steuersenkungen klingt immer erst mal gut. Über die Gegenfinanzierung wird dann nach der Wahl gesprochen.

Will Merz eine Reform der Schuldenbremse? Jein.

Ein zentrales Thema, mit dem sich die nächste Bundesregierung wohl befassen muss, ist die Schuldenbremse. Die Ampel ist nicht zuletzt an der Frage zerbrochen, ob man sie aufweicht oder nicht. Schließlich hielt die FDP klar dagegen, während SPD und Grüne sich in den vergangenen Monaten immer wieder bereit gezeigt hatten, mehr Schulden zu machen. Beide Parteien fordern nach der Bundestagswahl im Februar eine Reform der Schuldenbremse. Lindner lehnt auch das vehement ab. Und Friedrich Merz?

Die Union hat in der Vergangenheit immer wieder vehement betont, wie wichtig die Schuldenbremse sei, dass sie daran festhalten werde. Der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann etwa wiederholt das mittlerweile fast gebetsmühlenartig. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte Linnemann zuletzt: "Wenn wir uns jetzt hoch verschulden, wird es wieder keine Strukturreformen geben." Die Schuldenbremse abschaffen will zwar auch keiner. Sondern reformieren. Und genau hier beginnt der Eiertanz.

Am Mittwochabend ist der CDU-Vorsitzende Merz zu Gast in der ZDF-Talkshow "Maischberger". Die Moderatorin fragt noch einmal nach: Reform – ja oder nein? "Wir haben das immer gesagt, dass die Schuldenbremse richtig ist", antwortet Merz. Sie dürfe nicht geschliffen werden, um jetzt weitere konsumtive Ausgaben zu finanzieren. Es ist eine ausweichende Antwort. Richtig klar? Ist die Haltung des Kanzlerkandidaten damit nicht. Denn erst vor Kurzem hatte Merz genau hier eine Hintertür aufgemacht. Die entscheidende Frage sei, wozu die zusätzlichen Kredite verwendet werden sollten, so Merz beim Wirtschaftsgipfel der "Süddeutschen Zeitung". Konsum und Sozialpolitik? Oder Investitionen und Fortschritt? Bei Letzterem könne man sehr wohl über Reformen sprechen, sagte er.

Merz: "Ich habe mir angewöhnt, in der Politik niemals nie zu sagen."

Ein Satz von Merz ist an diesem Abend in der Sendung entscheidend. "Ich habe mir angewöhnt, in der Politik niemals nie zu sagen." Er fasst zusammen, was der CDU-Chef offenbar nicht nur hier, sondern bei vielen Punkten im Wahlkampf versucht. Er will sich nicht festlegen. Denn sobald er das tut, läuft er Gefahr, Wählergruppen zu verprellen. Das erklärt vielleicht auch, warum Merz sich zuletzt sogar offen für eine Debatte über die Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen gezeigt hat. Eigentlich lehnt die Union eine Abschaffung des Paragrafen 218 vehement ab. Nun sagt Merz der "Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft": "Natürlich kann man sich nach so vielen Jahren noch einmal neu mit dem Thema beschäftigen."

Es gibt einen Vorgeschmack auf den Wahlkampf der kommenden Wochen. Derzeit wird gespannt auf das Wahlprogramm von CDU und CSU gewartet. Am 17. Dezember wollen die beiden Schwesterparteien es vorstellen. Etwa zehn Punkte soll es enthalten. Wie t-online erfuhr, könnten es zu einer Hälfte Rückabwicklungen von Ampel-Entscheidungen sein. Und zur anderen Hälfte eigene Ideen. Womöglich sind die am Ende jedoch mehr große Linien als konkrete Vorhaben.

Es wäre ein gefährlicher Klassiker für die Union. Denn am Ende wollen die Wählerinnen und Wähler wissen, was sie bekommen, wenn sie CDU und CSU ihre Stimme geben. Zumal der Weichzeichner in den vergangenen Wochen nicht dafür gesorgt hat, dass die Umfragen gleichgeblieben sind oder gar besser wurden. Im Gegenteil, Olaf Scholz holt mittlerweile beinahe mit jeder Umfrage auf. Ebenso Habeck. Und die vergangenen Wahlkämpfe haben gezeigt, dass gerade die Wochen vor der Wahl entscheidend sein können. In kürzester Zeit kann einem da alles wegrutschen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website