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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ex-Verteidigungsminister "Habe körperlich und seelisch Schaden genommen"

Der Verzicht von Carsten Linnemann dürfte laut Karl-Theodor zu Guttenberg auch Friedrich Merz überrascht haben. Ein Soldat erzählt bei Lanz vom tödlichen Anschlag in Afghanistan.
Formiert sich in der CDU bereits eine innerparteiliche Opposition gegen die Bundesregierung? Dass der einflussreiche Generalsekretär Carsten Linnemann öffentlich auf einen Ministerposten verzichtet hat, ließ politische Beobachter jedenfalls aufhorchen – so auch den ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. "Ich glaube nicht, dass das Jubelstürme ausgelöst hat in der Spitze", mutmaßte der ehemalige CSU-Generalsekretär am Donnerstagabend bei "Markus Lanz".
Gäste
- Karl-Theodor zu Guttenberg, Unternehmensberater
- Maik Mutschke, Berufssoldat
- Hasnain Kazim, Autor
- Ulrike Herrmann, Journalistin (taz)
Zu Guttenberg ging in der ZDF-Talkshow davon aus, dass der vermutlich künftige Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) Linnemann gern in seinem Kabinett gehabt hätte. Der Generalsekretär war lange Zeit als Bundeswirtschaftsminister gehandelt worden. Die taz-Journalistin Ulrike Herrmann mutmaßte, dass sich der Schuldenbremsen-Verfechter Linnemann auf seinem bisherigen Posten für spätere Aufgaben nach der rot-schwarzen Koalition in Stellung bringt – ohne von einem möglichen Scheitern oder Zugeständnissen der Union an die SPD in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein.
"Lanz": Bringt sich Spahn in Stellung?
Für so einen Plan böte sich eher der Posten als Fraktionsvorsitzender an, widersprach zu Guttenberg. Wie passend, dass kurz vor Ausstrahlung von "Markus Lanz" bekannt wurde, dass dieser Posten angeblich an Jens Spahn gehen soll. Auch dieser Christdemokrat mit Ambitionen war als Bundeswirtschaftsminister gehandelt worden. Doch nachdem das Ressort deutlich reduziert worden ist, scheint es für viele den Reiz verloren zu haben.
Zu Guttenberg widersprach aber, als Lanz meinte, jeder Generalsekretär arbeite darauf hin, Minister zu werden. "Das ist ein Klischee", sagte er. "Jubelnd springt man da nicht rein." Der 2011 über eine Plagiatsaffäre gestürzte Minister sagte in der Talkshow, er hätte sich so oder so aus der Politik zurückgezogen – und zwar 2013. Dieser Plan sei fest mit seiner Familie vereinbart gewesen. Die Plagiatsaffäre habe den Ausstieg nur beschleunigt.
"Weil ich es damals mit der Angst zu tun bekommen hatte", erklärte zu Guttenberg bei "Markus Lanz". Er habe das Gefühl gehabt, heillos überschätzt zu werden und den hohen Erwartungen nie gerecht werden zu können: "Ich habe körperlich und seelisch Schaden genommen in der Politik." Außerhalb der Politik gehe es ihm so viel besser, sagte er und mochte sich einen Seitenhieb auf seinen ehemaligen CSU-Kontrahenten nicht verkneifen: "Wahrscheinlich würde Markus Söder genauso herumturnen, jetzt."
Ein wenig überraschte zu Guttenbergs Angaben zum angeblich lange geplanten Ausstieg 2013. Denn nach seinem Rücktritt hatte er zunächst öffentlich damit geliebäugelt, 2013 bei der Bundestagswahl anzutreten. Als Verteidigungsminister hatte zu Guttenberg einst die Wehrpflicht ausgesetzt. "Wir hätten es uns nicht mehr leisten können", sagte er mit Verweis auf die drastischen Einsparauflagen infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise. Auf Bedenken, dass eine Reaktivierung der Wehrpflicht viel zu aufwändig wäre, erwiderte zu Guttenberg: Wenn der Wille da sei, könne das eine oder andere durchaus beschleunigt werden.
Soldat berichtet von Taliban-Angriff
Lanz erinnerte zum 15. Jahrestag auch an das sogenannte Karfreitagsgefecht. Am damaligen Karfreitag, dem 2. April 2010, hatte die Bundeswehr in Afghanistan das schwerste Gefecht ihrer Geschichte erlebt. Drei Bundeswehrsoldaten wurden bei einem Taliban-Angriff getötet, acht zum Teil schwer verletzt, darunter Maik Mutschke. Sechs afghanische Soldaten wurden von den Bundeswehrsoldaten während des stundenlangen Gefechts irrtümlich getötet.
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Kurz stockte dem Berufssoldaten bei "Markus Lanz" die Stimme, als er schilderte, was ihn der Einsatz so fern der Heimat gekostet hat: "Ich bin für mein Leben lang gezeichnet." Mutschke war bei dem Hinterhalt durch eine Mine unter anderem die linke Gesichtshälfte zertrümmert worden. Er musste mehrfach wiederbelebt werden und wachte erst vier Wochen später in einem Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz aus dem Koma auf. Ein Jahr später kehrte er in den Dienst zurück und nahm unter anderem an Paralympischen Spielen und den Invictus Games teil.
"Teilweise fragt man sich: Wofür?", sagte Mutschke, der in Uniform im "Lanz"-Studio saß. Dennoch denke er, dass sich der Einsatz gelohnt hat. Die Soldaten hätten den Menschen in der Region zumindest für einige Zeit eine gewisse Sicherheit geben und Mädchen den Schulbesuch ermöglichen können. Zu Guttenberg berichtete, eine Afghanin habe ihn vor kurzem in New York angesprochen und sich ähnlich geäußert. "Es war nicht alles nur sinnlos", resümierte der ehemalige Verteidigungsminister, sprach aber bei dem Auslandseinsatz auch von dramatischen politischen Fehlentscheidungen.
Der Journalist und Afghanistan-Kenner Hasnain Kazim unterstrich bei Lanz: Der Afghanistan-Einsatz sei nicht von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Hätten sich die internationalen Truppen um die USA mit mehr Geld und Personal auf Afghanistan konzentriert – und auf das "Abenteuer Irak" verzichtet – wäre womöglich etwas Gutes entstanden.
- ZDF: "Markus Lanz" vom 17. April 2025