Personalnot bei der FDP Wer übernimmt Djir-Sarais Scherbenhaufen?
Mit der kürzesten Rücktrittserklärung seit Langem hat FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai die Verantwortung für die "D-Day"-Affäre in der FDP übernommen. Aber wer kann das Amt übernehmen?
Der Generalsekretär nimmt in einer Partei eine entscheidende Rolle ein. Er ist das Bindeglied zwischen Parteiführung und den Mitgliedern, er plant Kampagnen, Parteitage und überwacht die Umsetzung der strategischen Ziele der Partei. Er ist gleichzeitig meist die lauteste Stimme der Partei: Er ist die "Abteilung Attacke", darf angreifen, wo Parteichefs und Fraktionsvorsitzende vielleicht den Kompromiss suchen müssen. Er ist gewöhnlich der erste Ansprechpartner für Interviewanfragen und Talkshow-Redaktionen.
Im Wahlkampf – und da befindet sich die FDP gerade, so wie alle Parteien vor der für den 23. Februar 2025 geplanten Neuwahl – hat sein Wort noch mehr Gewicht: Er ist maßgeblich für die Wahlkampfplanung verantwortlich, er bestimmt den Ton bei der Ansprache der Wähler, er organisiert alles bis tief in den Straßenwahlkampf hinein.
Die FDP steht nach dem Rücktritt von Bijan Djir-Sarai nun drei Monate vor der Bundestagswahl ohne Generalsekretär und dafür mit einer großen Frage da: Wer soll sie anführen, wenn es um die entscheidenden Stimmen zum Erreichen der Fünfprozenthürde geht? Wer könnte Djir-Sarai nachfolgen? Folgende Kandidaten wären unter anderem denkbar.
Das sind mögliche Kandidaten als FDP-Generalsekretär
- Katja Hessel: Die Co-Vorsitzende der bayerischen FDP (Jahrgang 1972) war bis zum Zerbrechen der Ampel und Christian Lindners Abgang aus dem Finanzministerium dort parlamentarische Staatssekretärin. Sie gilt als enge Vertraute des Parteichefs. Wie Lindner macht sie sich für die Einhaltung der Schuldenbremse stark und tritt immer wieder dafür ein, dass "der Staat den Bürgern das Leben erleichtern soll und nicht umgekehrt". Hessel ist studierte Juristin, arbeitete vor dem Einstieg in die Politik als Rechtsanwältin und Steuerberaterin, stammt aus Nürnberg, ist verheiratet und hat keine Kinder.
- Marco Buschmann: Der 47-jährige Gelsenkirchener Jurist gehörte der Ampelregierung als Justizminister an, gab sein Amt aber auf, als der Bundeskanzler FDP-Chef Lindner als Finanzminister entließ. Neben Lindner gehört er derzeit zu den bekanntesten Liberalen. Während der Corona-Pandemie machte sich Buschmann (verheiratet, keine Kinder) als Kritiker allzu strenger Beschränkungen einen Namen. Er legte als Justizminister einen großen Schwerpunkt auf die Einhaltung der Bürgerrechte, bezog Position gegen Vorratsdatenspeicherung und Netzsperren.
- Konstantin Kuhle: Auch Kuhle ist gelernter Jurist. Der 35-jährige stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag ist verbindlich im Ton und galt lange als Hoffnungsträger der Partei. Er wird eher dem linken Flügel zugerechnet und war ein Befürworter der Ampel. Das – und ein missglückter Auftritt in der Talkshow "Hart aber fair", wo er in der Diskussion mit einem Lkw-Fahrer über dessen finanzielle Nöte allzu lapidar argumentierte – verursachten zuletzt einen leichten Karriereknick. Kuhle stammt aus Niedersachsen und lebt offen homosexuell.
- Johannes Vogel: Der 42-jährige Rheinländer ist Kuhles Podcastpartner und Experte für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Wie Kuhle ist er Stammgast in vielen Talkshows. Vogel machte sein Abitur auf demselben Gymnasium wie Parteichef Lindner, arbeitete nach seinem Politikstudium in dessen Abgeordnetenbüro. Als er 2019 schon einmal im Gespräch als FDP-Generalsekretär war, zog Lindner trotzdem die Brandenburgerin Linda Teuteberg vor. Als Jugendlicher war er Mitglied der Grünen Jugend, bevor er zu den Liberalen wechselte.
- Bettina Stark-Watzinger: Die ehemalige Forschungs- und Bildungsministerin der Ampelkoalition legte wie Buschmann ihr Amt nieder, als die Regierung am Streit zwischen Lindner und Bundeskanzler Scholz zerbrach. Sie ist 56, verheiratet, hat zwei Töchter und stammt aus Frankfurt am Main. Die Volkswirtin eckte in ihrer Zeit als Ministerin gleich mehrfach öffentlich an. Sie geriet unter anderem unter politischen Druck, als ihr Ministerium Fördermittelkürzungen für Hochschullehrer prüfen ließ, die sich gegen die Räumung von propalästinensischen Protestcamps ausgesprochen hatten.
Djir-Sarai will "Schaden von der FDP abwenden"
Neben dem Generalsekretär Bijan Djir-Sarai ist auch FDP-Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann zurückgetreten. Das gaben die beiden Politiker am Freitag in Berlin bekannt.
Der 48-jährige Djir-Sarai sagte in einer kurzen Erklärung im Hans-Dietrich-Genscher-Haus: "Ich habe unwissentlich falsch über ein internes Dokument informiert. Dies war nicht meine Absicht, da ich selbst keine Kenntnis von diesem Papier hatte", sagte Djir-Sarai. "Dafür entschuldige ich mich." Für einen solchen Vorgang sei der Generalsekretär verantwortlich – "daher übernehme ich die politische Verantwortung, um Schaden von meiner Glaubwürdigkeit und der der FDP abzuwenden."
Beide FDP-Politiker reagierten damit auf das sogenannte "D-Day"-Papier der Partei, das am Vortag bekannt geworden war. Es enthält ein detailliertes Szenario für den Ausstieg der FDP aus der Ampel mit SPD und Grünen.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Recherchen.