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Zum journalistischen Leitbild von t-online.EU-Abgeordneter trotz Fake-Lebenslauf ZDF ermöglicht AfD-Hochstapler einen Primetime-Auftritt
Mit gefälschtem Lebenslauf wurde er zum AfD-Europakandidaten – und schließlich zum Abgeordneten. Nun taucht Arno Bausemer im öffentlich-rechtlichen Abendprogramm auf. Das ZDF verteidigt den Auftritt.
Der AfD-Europaabgeordnete und Hochstapler Arno Bausemer hat in einem TV-Film mitgespielt, der im ZDF zur Primetime ausgestrahlt wird. Der Film "Mit Herz und Holly – Kleine Wunder" wurde am 10. November um 20.15 Uhr gezeigt. Darin ist Bausemer als Komparse im Wartezimmer einer Arztpraxis zu sehen. Die Dreharbeiten zum Film fanden im Mai statt, also mitten im Europawahlkampf.
Eine Sprecherin des ZDF schrieb dazu auf Anfrage von t-online: "Arno Bausemer wurde über eine Statistenagentur engagiert. Seine politische Tätigkeit war dabei nicht bekannt." Für Bausemer ist die kurze Szene in der Studio.TV.Film-Produktion aber eine Gelegenheit, sich auch politisch in Szene zu setzen.
"Großartige Werbung"
Der Film sei "eine großartige Werbung für Tangermünde und unseren gesamten Landkreis Stendal", schrieb der AfD-Politiker bei Facebook. Bausemer ist im dortigen Landkreis Mitglied des Kreistags. Er freue sich "als Vorsitzender des Kreisausschusses für Wirtschaftsförderung und Tourismus" über gestiegene Übernachtungszahlen seit der Ausstrahlung der ersten Teile im vergangenen Jahr. "Und natürlich habe ich mir die Chance nicht nehmen lassen, an einem Drehtag im Mai auch wieder als Komparse in der Arztpraxis mitzuwirken." Vor seiner Zeit in der Politik war Bausemer bereits als Laiendarsteller im Fernsehen gewesen.
Der AfD-Politiker hatte im Wahlkampf bundesweit Schlagzeilen gemacht, nachdem t-online zahlreiche Falschangaben in dem Lebenslauf aufgedeckt hatte, mit dem er sich zum Europakandidaten der AfD wählen ließ.
Zahlreiche Falschangaben
Einen behaupteten Berufsabschluss besitzt er nicht, kleinste journalistische Tätigkeiten wurden zur beruflichen Referenz aufgebauscht, eine begonnene Ausbildung endete mit seinem Rauswurf nach wenigen Wochen – und eine angebliche zehnjährige Berufstätigkeit als "Geschäftsführer" eines landwirtschaftlichen Betriebs entpuppte sich als Hilfstätigkeit auf dem Geflügelhof seiner Eltern, den er erst sehr viel später übernahm.
Die "Hochstapler-Affäre" hielt die Partei daraufhin monatelang in Atem und führte zur Überprüfung aller Europakandidaten der Partei durch Vertrauensleute des Bundesvorstands. Der Vorstand bestätigte schließlich die Recherchen von t-online – ließ Bausemer aber trotzdem kandidieren. Als Listenkandidat zog er nach der Wahl mit hochdotiertem Mandat ins Parlament ein.
Dort ist er seitdem unter anderem Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. Sein erklärtes Ziel ist Deutschlands Austritt aus der Europäischen Union. Als Nebenerwerbslandwirt erhielt er 2021 und 2022 mindestens 20.000 Euro EU-Subventionen.
- Eigene Recherchen