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Sicherheitspaket: Aufstand abgeblasen – aber jetzt begehren die Länder auf


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Ampel-Krise
Plötzlich begehren die Länder auf


Aktualisiert am 18.10.2024Lesedauer: 5 Min.
BundestagVergrößern des Bildes
Annalena Baerbock und Nancy Faeser: Die Außenministerin und die Innenministerin im Bundestag. (Quelle: Joerg Carstensen/dpa/dpa-bilder)

Den Koalitionsbruch hat die Ampel beim "Sicherheitspaket" vermeiden können. Doch statt der eigenen Leute begehren nun die Bundesländer auf.

Der Aufstand endet um 12.15 Uhr. Da verkündet Petra Pau, die Vizepräsidentin des Bundestages, was der Kanzler die vergangenen Tage ersehnt und die Kritiker befürchtet hatten: Das "Sicherheitspaket" der Ampel bekommt eine Mehrheit im Bundestag. Dublin-Flüchtlingen kann künftig das Geld gestrichen und Messer können auf Volksfesten verboten werden.

Ach so, und die Ampelregierung, die gibt es auch noch.

Das ist an diesem Freitag tatsächlich eine Erwähnung wert, denn so klar war das in dieser Woche nicht. Es lag Koalitionsbruch in der Luft, zumindest ein bisschen, mehr jedenfalls, als man es von der Ampel ohnehin gewohnt ist.

Der Kanzler, Olaf Scholz, hatte in seiner SPD-Fraktion persönlich Druck gemacht für die Zustimmung zum "Sicherheitspaket", hatte indirekt mit der Vertrauensfrage gedroht, so jedenfalls verstanden ihn einige Abgeordnete. Die Vertrauensfrage braucht es am Ende nicht. Zumindest dieses Mal.

Jubelstimmung aber will auch nicht aufkommen. Und das liegt auch daran, dass der Bundesrat eineinhalb Stunden später einen Teil des "Sicherheitspakets" vorläufig stoppt. Was aus den geplanten neuen Befugnissen der Sicherheitsbehörden wird? Völlig unklar.

Der Kanzler und das Gerangel

Der Kanzler bekommt schon seinen kleinen Triumph am Mittag im Bundestag gar nicht mehr persönlich mit. Als das Ergebnis verkündet wird, ist Olaf Scholz schon mit Joe Biden beschäftigt. Der US-Präsident ist mittags zu ihm ins Kanzleramt gekommen. Große weite Welt statt kleines Gerangel in der Koalition.

Wobei das Gerangel eben so klein nicht war. In der Fraktionssitzung der Grünen hatte die Spitze am Dienstag verkündet, dass 40 ihrer Parlamentarier ablehnen wollten oder zumindest noch skeptisch seien. Bei der SPD hoben an diesem Tag intern bis zu 30 Abgeordnete nicht ihre Hand für das Paket.

"Das Gesetz braucht eine eigene Mehrheit, sonst muss ich von meinen Möglichkeiten Gebrauch machen", drohte Scholz seinen eigenen Leuten in der SPD-internen Debatte. Und der Kampf um die Abweichler im Bundestag begann damit erst.

Warnungen vor dem Koalitionsbruch

Bei den Grünen initiierte die Basis einen offenen Brief, in dem sie ihre Leute zum Widerstand gegen das Paket aufrief. Mehr als 1.000 Unterschriften standen darunter, als die Grünen-Abgeordneten am Freitag ihre Stimmen im Bundestag abgaben.

Andere Grüne machten in der Fraktion mit Warnungen vor dem Koalitionsbruch Druck. Mitunter kreativ. In einer internen Nachricht erinnerte eine Grüne an die Weimarer Republik, an die letzte Große Koalition dort, die an der Beitragserhöhung der Arbeitslosenversicherung geplatzt sei. Und, nun ja, dann kam Hitler. Am frühen Freitagmorgen mussten die Grünen dann noch zur Sondersitzung antreten. Ein letztes Einschwören auf Zustimmung, kurz vor knapp.

Bei der SPD setzte sich Juso-Chef Philipp Türmer an die Spitze der Widerständler und Kanzlerkritiker. Per Interview im "Stern" rief er den SPD-Abgeordneten zu: "Ich erwarte, dass möglichst viele SPD-Abgeordnete dem Sicherheitspaket in dieser Form nicht zustimmen." Vom Kanzler und seiner Drohung solle sich niemand einschüchtern lassen. Das mit der Vertrauensfrage sei schon einem anderen SPD-Kanzler auf die Füße gefallen – Gerhard Schröder.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ließ anschließend jeden Kritiker in der Fraktion persönlich vorsprechen. Sicher ist sicher, falls das Kanzlerwort nicht ausreicht.

Mehrheit im Bundestag – aber der Bundesrat?

Doch im Bundestag reicht es am Freitag für die Ampel, deutlich sogar. Die Mehrheiten für die beiden Gesetze des Pakets sind größer als von manchem erwartet. Der Druck – er hat bei dem einen oder anderen Koalitionär offenbar gewirkt.

Um kurz vor 14 Uhr aber blinken auf den Handys der Abgeordneten im Bundestag die Eilmeldungen auf: "Bundesrat lehnt Ampel-Sicherheitspaket teilweise ab". Statt der eigenen Abgeordneten begehren die Länder auf.

Das Paket besteht aus zwei Gesetzen: Das mit den Asylverschärfungen und den Messerverboten lässt die Länderkammer passieren. Das mit den neuen Befugnissen für die Sicherheitsbehörden nicht, also vor allem die digitale Erkennung von Gesichtern und Stimmen.

Die Ampelfraktionen im Bundestag hatten dieses Instrument im Vergleich zum Regierungsentwurf eingeschränkt. Sie wollten es nicht für schwere, sondern nur für besonders schwere Straftaten erlauben. Und sie wollten, dass den Einsatz nicht ein Abteilungsleiter des Bundeskriminalamts beantragen oder anordnen kann, sondern nur der Präsident des BKA.

Die Ampelfraktionen wollten mit diesen Einschränkungen vermeiden, dass das Gesetz am Ende beim Bundesverfassungsgericht landet und dort kassiert wird, so begründen sie es jedenfalls auch am Freitag im Bundestag. Immerhin handelt es sich bei der Gesichtserkennung um einen Grundrechtseingriff. Im Bundesrat aber kritisieren besonders unionsgeführte Landesregierungen nun, die Regelungen seien damit entkernt.

Nun müssen Bund und Länder zumindest über dieses Gesetz noch mal verhandeln.

Eigenlob und "Herzlichen Dank"

Als Innenministerin Nancy Faeser (SPD) am Vormittag im Bundestag ans Rednerpult tritt, weiß sie vom Ärger um die Gesichtserkennung noch nichts. Also konzentriert sie sich auf das, was man als Ministerin beim eigenen Gesetz eben so tut: Sie lobt sich und die Ampel ausgiebig selbst. Faeser nennt das Paket "einen der wichtigsten Fortschritte in der Inneren Sicherheit" und eine "starke Reaktion" auf den Terroranschlag von Solingen.

"Herzlichen Dank", ruft Faeser ihren Ampelkollegen am Schluss zu, "für die gute Kooperation". Da muss die Opposition lachen. Und ein paar Koalitionäre insgeheim wahrscheinlich auch.

Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz jedenfalls spricht wenig später von "harschen parlamentarischen Verhandlungen". Die aber hätten am Ende "entscheidende Verbesserungen" am Regierungsentwurf gebracht. Das Paket sei nun wirksamer, aber vor allem rechtskonformer.

Es sei nötig, sagt von Notz, die Befugnisse der Sicherheitsbehörden bei der Gesichtserkennung "eng und streng einzuhegen". Auch er weiß da noch nicht, dass dieses Einhegen das Gesetz wenig später im Bundesrat zu Fall bringen wird. Im Bundestag aber waren die Einschränkungen vielen Kritikern sehr wichtig.

Manchen reichten auch sie am Ende nicht aus für eine Zustimmung. Genau wie eine andere Reform, die nun kommen wird: die Leistungskürzungen für Dublin-Flüchtlinge. Konstantin von Notz spricht auch sie an. "Menschen dürfen nicht in Verelendung und Obdachlosigkeit gezwungen werden", sagt er. Man verhindere das durch ausgeweitete Härtefallregelungen und die zusätzlichen Bedingungen für die Leistungskürzungen. Aber nicht alle bei SPD und Grünen überzeugt das.

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"Weitgehend wirkungslos"

Die eigentliche Kritik im Bundestag kommt am Freitagvormittag allerdings von der Opposition. Vom innenpolitischen Sprecher der Union zum Beispiel, von Alexander Throm. "Dieses sogenannte Sicherheitspaket ist weitgehend wirkungslos", sagt er. Es brauche viel mehr, die Speicherung von IP-Adressen zum Beispiel.

Oder von Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz. Bundeskanzler Olaf Scholz habe nach den Terroranschlägen von Mannheim und Solingen "große Versprechen" gemacht, sagt sie. "Wir müssen heute feststellen: Der Bundeskanzler hat sein Versprechen nicht gehalten."

Das Paket sei zu einem "Minipäckchen zusammengeschrumpft". Und: "Machen Sie bitte den Weg frei für eine bessere Regierung."

Dazu wird es wohl erst einmal nicht kommen. Das Schlimmste ist für die Ampel ausgeblieben. Und für den Kanzler. Doch wie lange geht das noch gut?

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Beobachtungen im Bundestag
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