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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trump an der Macht Deutschland steht im Sturm
US-Präsident Donald Trump zielt mit seiner protektionistischen Außen- und Handelspolitik in Europa besonders auf Deutschland. Die aktuelle und die künftige Bundesregierung stehen vor der Herausforderung, den Republikaner zufriedenzustellen.
Sport kann ein wichtiger Ausgleich sein, besonders in fordernden Krisenzeiten. Außenministerin Annalena Baerbock joggt, integriert das Laufen sogar regelmäßig in ihre Reisen ins Ausland. Mindestens 100 Kilometer, heißt es im politischen Berlin, soll sie monatlich laufen. Mit Blick auf die Machtübernahme von US-Präsident Donald Trump meldete sich Baerbock nun in einem Instagram-Video von einer Joggingrunde zu Wort – aus dem Wald, mit schwarzer Kappe und Jacke.
"Mir persönlich hilft immer: Raus in den kalten Wind, gerade jetzt beim Joggen, aber auch raus in den Wind politisch", sagte Baerbock in die Handykamera, die durch Tau und Nässe etwas beschlagen ist. Die vergangenen Jahre hätten gezeigt: "Wir können natürlich den Wind nicht ändern. Wir dürfen uns halt nicht treiben lassen, sondern müssen unsere Segel selber setzen. Als Deutschland und vor allen Dingen als Europäer."
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Das Bild, das Baerbock zeichnen wollte, scheint klar: Deutschland stellt sich gegen den Trump-Sturm. Nun lässt sich wahrlich darüber streiten, ob eine derartige Kommunikation beim Joggen der Ernsthaftigkeit des Problems gerecht wird. Das war in Teilen Wasser auf die Mühlen von politischen Gegnern wie dem entlassenen Finanzminister Christian Lindner (FDP), die die Außenministerin im Zuge des Bundestagswahlkampfes kritisieren.
Doch viel relevanter als das parteipolitische Getöse im deutschen Wahlkampf ist die Frage, ob Baerbocks Befund eines gemeinsamen Europas wirklich zutreffend ist. Denn es gibt einige EU-Staaten, die schon jetzt die neuen Machthaber in Washington politisch umgarnen.
Trump hat in Europa besonders Deutschland im Visier. Die Bundesregierung und die EU-Kommission betonen zwar immer wieder, gut vorbereitet zu sein. Zumindest will man besser gerüstet sein als 2016, zu Beginn der ersten Amtszeit des Republikaners. Die Botschaft hinter diesen Bekundungen: Keine Panik. Aber die zerstörerische Kraft der US-Administration verbreitet schon jetzt Angst und Schrecken. Europa bereitet daher Maßnahmen vor, mit denen Trump zufriedengestellt werden könnte.
Unberechenbarer Geschäftsmann
Der Machtwechsel in den USA löst weltweit Unsicherheit aus. Seit seinem Wahlsieg im November 2024 stellen sich Regierungen die Frage, wie sie mit der neuen US-Administration umgehen sollen. Das impliziert einen Zwiespalt: Denn für viele Staaten geht es nun gleichzeitig um ein selbstbewusstes Auftreten und darum, Trump nicht allzu sehr zu provozieren.
Trump gilt jedoch als unberechenbar. Das bedeutet vor allem, dass sich Regierungen auf eine große Bandbreite von Szenarien vorbereiten müssen: Welche Zölle erhebt die US-Regierung? Unterstützt sie die Ukraine weiter? Wie hoch werden die Verteidigungsausgaben sein, die sie von ihren Partnern fordert?
Das sind nur einige der ungeklärten Fragen. Trump ist für manche eine undurchschaubare Blackbox, für andere sogar eine tickende Zeitbombe. Für den US-Präsidenten sind internationale Zusammenarbeit und Bündnisse mit anderen Staaten nur dann sinnvoll, wenn sie für die Amerikaner kein Verlustgeschäft sind.
"Anstatt unsere Bürger zu besteuern, um andere Länder zu bereichern, werden wir Zölle und Steuern auf ausländische Länder erheben, um unsere Bürger zu bereichern", sagte Trump in seiner Rede zur Amtseinführung am Montag. "Es werden gewaltige Geldbeträge aus dem Ausland in unsere Staatskasse fließen. Der amerikanische Traum wird bald wieder da sein und blühen wie nie zuvor."
Deutschland im Fokus
Trumps Ankündigung kommt einer Drohung gleich – für die Verbündeten der USA und insbesondere für Deutschland.
Denn die Bundesregierung steht durch Trump vor der Aufgabe, die transatlantischen Beziehungen neu zu justieren. Es ist eine Geschichte, die in diesen Tagen häufiger im politischen Berlin erzählt wird: Als die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Trump sich im Frühjahr 2017 zum ersten Mal trafen, soll Merkel ihn an ihre gemeinsame Verantwortung für den Schutz der regelbasierten internationalen Ordnung erinnert haben.
Ein unglücklicher Start einer unglücklichen Beziehung, die sich während Trumps erster Amtszeit stetig verschlechterte. Trump soll dem Vernehmen nach der Bundeskanzlerin geantwortet haben, dass Deutschland durch "Billionen US-Dollar" aus den Vereinigten Staaten reich geworden sei – eine Haltung, die der 78-Jährige bis heute nicht aufgegeben hat.
Trump hält Deutschland für einen Schnorrer und auch wenn diese Aussagen aufgeblasen und übertrieben daherkommen, hat er in Teilen einen Punkt. Experten sind mittlerweile einig: Die Bundesrepublik hat als europäische Führungsmacht die Verteidigung Europas den Amerikanern überlassen und gleichzeitig wirtschaftlich von billigen Rohstoffen aus Russland und dem Handel mit China profitiert. Moskau und Peking erhielten im Gegenzug Einfluss auf die deutsche und europäische Politik.
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Der US-Präsident wird sich durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine in seiner Meinung bestärkt fühlen, weil er in seiner ersten Amtszeit die deutsche Abhängigkeit von Russland lautstark kritisiert hat. Deswegen könnte er gegenüber der Bundesrepublik noch kompromissloser auftreten.
Das ist nicht ganz ohne Widerspruch: Denn der US-Präsident hatte sich in seiner ersten Amtszeit bei einem Treffen mit Putin in Helsinki vorführen lassen. Damals ließ er sich vom Kremlchef überzeugen, dass sich Russland nicht in die US-Wahl 2016 eingemischt habe.
Trump sitzt am längeren Hebel
Trotz seiner eigenen Fehler im Umgang mit Putin wird Trump nun auch mit Blick auf die deutsche Russlandpolitik erneut auf die Bundesrepublik zielen. Einerseits nimmt er die deutsche Regierung als politische Gegner wahr, die sich öffentlich im US-Wahlkampf auf die Seite der Demokraten gestellt haben. Die ungeplante Veröffentlichung eines Papiers, in dem der deutsche Botschafter in Washington, Andreas Michaelis, vor Trump warnt, hat darüber hinaus großen Schaden angerichtet. Andererseits ist die Bundesrepublik wirtschaftlich der größte Fisch im europäischen Teich. Knöpft er sich Deutschland vor, hat das womöglich Signalwirkung für andere europäische Länder.
Es sitzt nun wieder ein Geschäftsmann im Weißen Haus, der über ein sehr ausgeprägtes Ego verfügt. Letzteres ist eine Charaktereigenschaft, die Einfluss auf die internationale Politik haben wird. Denn Trump ist teilweise ein irrationaler Akteur, der auch aus dem Bauch heraus entscheidet oder wichtige Ankündigungen über die sozialen Netzwerke tätigt.
Deswegen wird Deutschland nun wahrscheinlich eine Doppelstrategie fahren. Es wird darum gehen, Trump in wichtigen Fragen Widerstand zu zeigen – und das als europäische Staatengemeinschaft. Man will in Europa nicht über jedes Stöckchen der Amerikaner springen. Schon jetzt arbeitet die EU-Kommission an möglichen Gegenmaßnahmen, sollten die USA Zölle auf Importe aus Europa beschließen.
Darüber hinaus wird die Bundesregierung versuchen, sich schützend vor das Völkerrecht zu stellen. Das könnte dann relevant werden, wenn die US-Regierung versuchen sollte, völkerrechtswidrig den Panamakanal zu annektieren.
Allerdings sitzt Trump wirtschaftlich und sicherheitspolitisch am längeren Hebel. Denn die Bedeutung des US-Außenhandels für die deutsche Wirtschaft gefährdet auch den Wohlstand in Deutschland.
Zuckerbrot und Peitsche
Deswegen werden die EU-Staaten strategisch versuchen, Gemeinsamkeiten mit der neuen US-Administration zu suchen. Auch die EU möchte zum Beispiel ein schnelles Ende des russischen Angriffskrieges in der Ukraine, sie möchte auch den Einfluss Chinas in Europa eindämmen. Außerdem stehen auch viele europäischen Länder einer härteren Politik gegenüber dem Iran positiv gegenüber.
Darüber hinaus könnten die EU-Staaten Trump das geben, was er am meisten möchte: Geld. Schon jetzt deuten europäische Staaten an, mehr Rohstoffe oder Rüstungsgüter aus den Vereinigten Staaten zu kaufen und ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen.
Es wird auch Deutschlands Ziel sein, seine Handelsbilanz mit den USA aufzubessern, denn im Jahr 2023 hatte die Bundesrepublik einen Rekord-Exportüberschuss von 63,3 Milliarden Euro. Das ist Trump ein Dorn im Auge.
Ob all diese Maßnahmen ausreichen werden, den US-Präsidenten zu besänftigen, ist unklar. Zwar ist die EU auf die neue US-Regierung vorbereitet, aber diese Vorbereitung ist vergleichbar mit einem politischen Topfschlagen mit verbundenen Augen. Niemand kennt Trumps Plan; viele wichtige Kontakte für europäische Ansprechpartner hat der Republikaner bereits an seinem ersten Amtstag gefeuert.
Die europäische Strategie im Umgang mit der US-Regierung wird in den kommenden vier Jahren eine Mischung zwischen Zuckerbrot und Peitsche sein. Zumindest ist das aktuell die Tendenz, spricht man mit europäischen Diplomaten.
Nur eines scheint klar zu sein: Im Umgang von Trump wird entscheidend sein, dass die EU mit einer Stimme spricht. Baerbock beschwört eine europäische Einigkeit, damit auch Deutschland auf Augenhöhe mit Washington verhandeln kann. Diese Einigkeit zeigt aber schon jetzt Risse. Italien, Ungarn, Tschechien oder die Slowakei verfolgen eher die Strategie, Trump zu umschmeicheln. Wogegen Paris und Berlin nun wieder enger zusammenrücken. In der Hoffnung, dass Frankreich und Deutschland am Ende nicht allein im Trump-Sturm stehen.
- Eigene Recherche
- zeit.de: Donald Trumps Rede im Video und im Wortlaut
- tagesschau.de: Deutscher US-Botschafter warnt vor Trump
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters