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Brandenburg: Rechtsextremer Zahnarzt soll AfD Wahlsieg holen


Brandenburger AfD-Spitzenkandidat Berndt
Zahnarzt mit Remigrations-Fantasien


14.09.2024Lesedauer: 5 Min.
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AfD-Landtagsabgeordnete Hans-Christoph Berndt (AfD)Vergrößern des Bildes
AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt (AfD): Er möchte Dietmar Woidke (SPD) im Wahlkampf besiegen. (Quelle: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild/dpa)

Hans-Christoph Berndt ist gelernter Zahnarzt und war jahrelang an der Berliner Charité. Heute hetzt er gegen Migranten und möchte Ministerpräsident werden.

Etwas mehr als eine halbe Stunde hatte es Hans-Christoph Berndt im Saal des Potsdamer Hans-Otto-Theaters ausgehalten. Dann verließ der AfD-Spitzenkandidat die Talkrunde der acht Brandenburger Spitzenkandidaten Anfang September mit den Worten: "Warum haben Sie nicht nur Herrn Woidke eingeladen? Warum haben Sie uns dann noch als Ornament dahin gesetzt?"

Berndt war der Ansicht, er sei bis dahin zu selten an die Reihe gekommen, obwohl alle Spitzenkandidaten für die Landtagswahlen nach und nach befragt wurden. Vor allem die Redezeit des amtierenden SPD-Ministerpräsidenten Dietmar Woidke war nach Ansicht Berndts zu großzügig ausgefallen. Ein möglicher Grund für seinen Abgang: Der AfD-Spitzenkandidat könnte befürchten, dass die Landtagswahl 2024 für die AfD ähnlich verläuft wie die 2019.

Damals war Woidke noch im Endspurt an den Rechtsaußen vorbeigezogen. Auch fünf Jahre später liegt die AfD in den Wahlumfragen zwar knapp vor der SPD, aber Woidkes Amtsbonus könnte Hans-Christoph Berndt noch auf den letzten Metern um die Spitzenposition in Brandenburg bringen.

Vielleicht liegen Berndt politische Talk-Formate aber auch weniger als Reden vor Gleichgesinnten. Der Labormediziner und gelernte Zahnarzt gilt als Intellektueller in der Fraktion, der versucht, Sachverhalte analytisch zu erklären. Mit grauen Haaren, dezenter Brille und hagerer Gestalt wirkt er äußerlich eher wie ein freundlicher Lehrer.

Doch der Brandenburger AfD-Chef ist nicht gemäßigter als sein Vorgänger Andreas Kalbitz, der seine Mitgliedschaft in der rechtsextremen Organisation "Heimattreue Deutsche Jugend" verschwieg und aus der AfD ausgeschlossen wurde. Vielmehr ist Berndt ein Demagoge, der gegen Menschen hetzt, die nicht unter seinen ethnisch-völkischen Volksbegriff fallen. In der Vergangenheit organisierte er asylfeindliche Demos und trat als Pegida-Redner in Erscheinung.

Steckbrief Hans-Christoph Berndt

Beruf: Landesvorsitzender AfD Brandenburg

Geburtsjahr: 1956

Geburtsort: Bernau (Brandenburg)

Familienstand: verheiratet

Berufsausbildung: Fachzahnarzt

Wofür steht Hans-Christoph Berndt politisch?

Hans-Christoph Bernd wird vom Brandenburger Verfassungsschutz als "erwiesener Rechtsextremist" eingestuft. Im Verfassungsschutzbericht 2023 fällt sein Name allein 27 Mal. Der "FAZ" sagte Berndt: "Dass wir bezichtigt werden, rechtsextrem zu sein, stört mich nicht." Das sei eine "willkürliche Behauptung".

Auf Veranstaltungen bezeichnet Berndt Migranten und Flüchtlinge immer wieder als "Invasoren" und macht sie für Missstände in der Gesellschaft verantwortlich. Er ist Verfechter der sogenannten Remigration, womit in rechten Kreisen die Ausweisung von nach Deutschland eingewanderten Menschen gemeint ist.

Der Begriff erreichte öffentliche Bekanntheit, nachdem im Frühjahr das Recherchekollektiv "Correctiv" über ein geheimes Treffen von Rechtsextremisten in Potsdam berichtet hatte, wo auch einige AfD-Politiker über das Thema "Remigration" diskutierten. Wenige Tage später sagte Berndt im Brandenburger Landtag, dies sei "kein Geheimplan, sondern ein Versprechen".

Berndt bedient bei seinen "Remigrations"-Fantasien auch das Narrativ des "Großen Austauschs", das Zurückführungen von Menschen mit Migrationshintergrund und anderer ethnischer Zugehörigkeit in ihre "Heimatländer" vorsieht, um das deutsche Volk in seinem ethnokulturellen Bestand zu erhalten. Auf einer Kundgebung in Bitterfeld sagte er 2023: "Es wäre so schön, wenn der Bevölkerungsaustausch tatsächlich eine Verschwörungstheorie wäre. Aber jeder, der mal nach Berlin gefahren ist oder mittlerweile in jede größere Stadt und jede mittlere Stadt im Osten (gefahren ist) weiß, es ist nicht so."

Er wird dem völkisch-nationalistischen Flügel der AfD zugerechnet. Der brandenburgische Verfassungsschutz beschreibt sein Volksverständnis als "ethnisch-homogen". Darauf ließen Sätze von Berndt schließen wie: "Wir haben uns 1989 von der DDR losgesagt, nicht damit wir in den 2020er-Jahren in einem multikulturellen und multikriminellen Sumpf in der BRD versinken. Deutschland ist das Land der Deutschen und Deutschland soll das Land der Deutschen bleiben." Laut Berndt ist man durch eine Staatsbürgerschaft nicht gleich Teil eines Volkes, er nannte ein solches Verständnis "dumm und gefährlich".

Mit welchen konkreten Versprechen wirbt Berndt im Wahlkampf?

Obwohl keine der Brandenburger Parteien mit der AfD koalieren möchte, hat Berndt konkrete Vorstellungen davon, wie seine ersten Amtshandlungen als Ministerpräsident aussehen sollen. Als Erstes wolle er Regenbogenflaggen an öffentlichen Gebäuden verbieten und an ihrer Stelle Deutschlandflaggen hissen. Auch EU-Flaggen sollten verschwinden.

Zudem verspricht Berndt ein "Remigrationsprogramm 2029". Laut AfD-Wahlprogramm handelt es sich dabei um eine "massive Abschiebeoffensive" bei der unter anderem "ärztliche Untersuchungen zur Altersbestimmung" von Geflüchteten eingeführt werden sollen. So will Berndt missbräuchliche Altersangaben aller "minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge seit 2015" überprüfen.

Außerdem sollen der von Bernd als "Neo-Stasi" bezeichnete Brandenburger Verfassungsschutz und die Rundfunkgebühren abgeschafft werden. Da der menschengemachte Klimawandel "ungesichert" sei, will sich die Brandenburger AfD dafür einsetzen, dass das Pariser Klimaabkommen aufgekündigt wird.

Im Wahlprogramm fordert die Partei eine Aufhebung der Sanktionen gegen Russland und verspricht, die Aufarbeitung der Corona-Politik voranzutreiben.

Welche Kontroversen gibt es um Berndt?

Da Berndt die AfD weniger als Partei als eine "Bewegung" versteht, drängt er darauf, dass die AfD engen Kontakt zum sogenannten Vorfeld pflegt. Damit gemeint ist ein enger Schulterschluss mit Organisationen, die eigentlich außerhalb der Partei stehen, und nicht selten vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft werden. Dazu zählen die AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative, das in einem Verbotsverfahren befindende "Compact"-Magazin und der Verein "Ein Prozent". Bei dem extremistischen Thinktank "Institut für Staatspolitik" tritt er häufiger auf. Berndt gilt zudem als Hauptfinanzier des rechtsextremistischen Szeneobjekts "Mühle Cottbus".

Noch bevor Berndt 2018 in die AfD eintrat, gründete er 2015 den asylfeindlichen Verein "Zukunft Heimat". Seit 2020 gilt dieser laut Verfassungsschutz als "neonationalsozialistisch beeinflusst" und "erwiesen rechtsextrem", da er rassistische, antisemitische sowie islam- und fremdenfeindliche Thesen verbreite. 300 bis 400 Menschen beteiligten sich nach Angaben des Aktionsbündnisses Brandenburg gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Rassismus regelmäßig an den Demonstrationen, die Berndt mit dem Verein organisierte.

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Während der Corona-Pandemie stellte Berndt infrage, ob überhaupt jemand an Corona gestorben sei. Er lehnte das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes als "Symbol der Unterdrückung ab" und bezeichnete sich selbst als "Corona-Ketzer".

Was ist über Berndt privat bekannt?

Berndt ist verheiratet und hat keine Kinder. Der "Märkischen Allgemeinen" sagte er, er sei als Katholik in einem kirchlich geprägten Umfeld in der DDR aufgewachsen und dort "durchaus drangsaliert" worden, als er Medizin studieren wollte. Er sei einmal exmatrikuliert worden, weil er Aufsätze geschrieben habe, die den Direktoren nicht gefallen hätten.

Von 1976 bis 1977 war er als Mechaniker tätig und begann zwei Jahre später ein Studium der Zahnmedizin. Nach seinem Abschluss absolvierte er eine Ausbildung als Facharzt für Pathobiochemie. Später promovierte er über den Transport von Dopamin im Gehirn von Ratten.

Seit Mitte der 1980er-Jahre arbeitete Berndt als Labormediziner an der Berliner Charité und war dort zehn Jahre lang Personalratsvorsitzender – bis er den Verein "Zukunft Heimat" gründete. Als die Kolleginnen und Kollegen erfuhren, dass er nach Feierabend fremdenfeindliche Demonstrationen organisierte und gegen Asylbewerber hetzte, gingen sie an die Öffentlichkeit. Banner wurden aufgehängt und Flyer verteilt. Der Klinikvorstand distanzierte sich öffentlich von Berndt.

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