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Mehr Geld für die Bundeswehr? Ökonomen warnen vor Haushaltslücke


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Ökonomen wollen mehr Geld für Bundeswehr
"Nur so lässt sich Putin abschrecken"


29.07.2024Lesedauer: 4 Min.
Wladimir Putin: Der russische Präsident setzt auf einen Sieg von Donald Trump bei der US-Wahl.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin: Der russische Präsident könne nur mit einer besser aufgestellten Bundeswehr abgeschreckt werden, sagt Ökonom Moritz Schularick. (Quelle: IMAGO/Artyom Geodakyan/imago-images-bilder)
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Mehrere Top-Ökonomen mahnen an, die Verteidigungsausgaben Deutschlands zu steigern. Bei der Frage der Finanzierung gehen die Meinungen teils auseinander.

Es war ein Satz, der viele im politischen Berlin hat aufhorchen lassen: "Die Haushaltspolitik ist und bleibt ein Sicherheitsrisiko für Europa", sagte der Ökonom Moritz Schularick, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), am Wochenende im Interview mit t-online – und meinte damit: den von der Ampelregierung jüngst aufgestellten Bundeshaushalt für 2025 sowie die mittelfristige Finanzplanung für die nächsten fünf Jahre. (Mehr dazu lesen Sie hier.)

Die nämlich sieht neben dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr für das kommende Jahr lediglich einen Aufwuchs von 1,5 Milliarden Euro beim Wehretat vor. Und ab 2028, wenn der Sondertopf vollständig geleert ist, muss der Planung zufolge eine künftige Regierung auf einen Schlag 30 Milliarden Euro mehr lockermachen, allein, um das Nato-Ziel einzuhalten, demzufolge Deutschland pro Jahr zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung fürs Militär ausgeben muss.

Schularicks Forderung: Es brauche dringend mehr Geld für die Bundeswehr, um Putin abzuschrecken. "Kurzfristig muss der Staat mehr Kredite aufnehmen. Wie wir das konkret gestalten, ob über eine Öffnung der Schuldenbremse oder mithilfe eines weiteren Sondervermögens – da bin ich für beides offen." Insgesamt dürfte für die Zeit ab 2028 ein Sondervermögen mit einem Volumen von bis zu 300 Milliarden Euro nötig werden. Und selbst dann würde Deutschland noch immer weniger fürs Militär ausgeben als andere Länder wie etwa Polen oder die USA.

Schnitzer: Deutschland nicht "kaputtsparen"

Für seine Forderungen bekommt der Ökonom nun prominente Unterstützung aus der eigenen Zunft. Mehrere einflussreiche Volkswirte springen ihm zur Seite und sprechen sich ebenfalls für mehr Militärausgaben aus – auch wenn es teils Dissens in der Finanzierungsfrage gibt.

Mit Blick auf den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf sagte die Chefin der fünf Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, t-online: "In den USA werden die Karten gerade noch einmal neu gemischt." Das aber heiße auch, dass sich Deutschland auf alle Szenarien "bestmöglich" vorbereiten müsse, "vor allem in Sicherheitsfragen".

"Da tut die Bundesregierung derzeit zu wenig", kritisiert Schnitzer. "Wir müssen viel mehr in unsere Verteidigungsfähigkeit investieren." Sollte Donald Trump die Wahl gewinnen, werde Deutschland weit stärker gefragt sein, wenn es um die Sicherheit in Europa geht. "Das wird uns sehr viel Geld kosten."

Dennoch warnt Schnitzer: "Gleichzeitig dürfen wir unser Land an anderer Stelle nicht kaputtsparen." Großbritannien sei ein "mahnendes Beispiel". Dort habe der Staat an der falschen Stelle gespart und die Regionen außerhalb Londons vernachlässigt. "Wir müssen uns deshalb einmal mehr die Schuldenbremse anschauen, sie engt uns mehr ein als nötig und sollte deshalb reformiert werden."

Südekum: "Dürfen andere Aufgaben nicht liegen lassen"

Ähnlich sieht es der Ökonom Jens Südekum, Professor an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität und Experte in Haushaltsfragen. Auch er sagt: "Deutschland muss sowohl kurz- als auch langfristig mehr für die Bundeswehr ausgeben, als derzeit geplant ist." Es sei "völlig unklar", wie der sprunghafte Anstieg beim Verteidigungsetat ab 2028 finanziert werden solle.

"Die Ampel hinterlässt der nächsten Bundesregierung ein riesiges Finanzloch", sagte Südekum t-online. "Praktisch führt wohl kein Weg an einem neuen, noch größeren Sondervermögen vorbei. Nur so lässt sich Putin abschrecken."

Allerdings, so Südekum, seien die Verteidigungsausgaben auch nicht alles. Er mahnt: "Wir dürfen auch unsere anderen Aufgaben nicht liegen lassen." Deutschland müsse die Transformation der Industrie bewältigen und seine Infrastruktur modernisieren. "Auch dafür ist ein entsprechendes Sondervermögen denkbar. Denn am Ende zahlen auch Chipfabriken in Deutschland auf unsere geopolitische Sicherheit ein, weil wir uns so unabhängiger von Zulieferern machen."

Grimm hält an der Schuldenbremse fest

Ebenso besorgt über die Lücke in der Finanzplanung ist Veronika Grimm, wie Schnitzer eine der fünf Wirtschaftsweisen. Grimm jedoch ist dabei weniger erpicht auf neue Staatskredite, auf eine weite Lockerung der Schuldenbremse oder neue Sondervermögen. "Es wird entscheidend sein, im Kernhaushalt ausreichend Platz zu schaffen für Verteidigung, perspektivisch mehr als zwei Prozent", sagte sie t-online.

Aber, so die Ökonomin weiter: "Die Fragestellung mit der Schuldenbremse in Verbindung zu bringen, ist nicht zielführend." Das sei ein "beliebter kommunikativer Trick" derjenigen, die sie aufweichen wollen, um mehr Platz für konsumtive Ausgaben zu erhalten.

"Man nutzt hier immer die Themen, die den Menschen am Herz liegen, wie etwa Klimaschutz und jetzt Verteidigung", so Grimm. "Fakt ist aber: Wirksame Schuldenregeln zwingen uns, diese wichtigen Anliegen in der Haushaltsplanung zu berücksichtigen, ohne dass die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen gefährdet wird. Das ist gut so." Perspektivisch würden die Leistungsansprüche des Sozialstaates den Haushalt immer stärker belasten. "Es ist völlig unklar, wie man glaubwürdig dafür sorgen will, zusätzliche Spielräume nicht indirekt doch zu nutzen, um wichtige Reformen hinauszuzögern."

Zentrale Aufgabe für die kommende Bundesregierung

In der Finanzierungsfrage zeigt sich unter den Wirtschaftsexperten damit ein ähnlicher Dissens wie in der Bundespolitik. Während SPD und Grüne eine höhere Verschuldung des Staates zur Finanzierung wichtiger Investitionen in die Zukunft befürworten, ist insbesondere die FDP strikt dagegen: Die Liberalen wollen vielmehr die Verschuldung im Zaum halten und strukturelle Reformen, damit die Wirtschaft floriert und mehr Menschen in Deutschland arbeiten – und mit den Steuern dann höhere Ausgaben für die Bundeswehr und die Infrastruktur finanzieren.

Entscheiden könnte sich diese Frage nicht zuletzt mit der kommenden Bundestagswahl, die regulär im September 2025 stattfinden soll. Denn: Die Finanzlücke ab dem Jahr 2028 fällt dann in die kommende Legislaturperiode, wird also ein zentrales Thema für die nächste Bundesregierung.

Diese dürfte nach derzeitigem Stand der Umfragen von der CDU geführt werden. Zuletzt hatte die Union das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen noch gemeinsam mit den Ampelfraktionen im Grundgesetz festgeschrieben. Ob sie einen solchen Schritt unter einem CDU-Kanzler wiederholen würde, ist offen.

Allerdings halten Beobachter ein solches Vorgehen für deutlich wahrscheinlicher als umfassende Haushaltskürzungen an anderer Stelle, wie sie die FDP fordert. Außerdem ließe sich mit einem Sondervermögen zunächst die Frage einer Schuldenbremsen-Reform, die die FDP ablehnt und die innerhalb der Union umstritten ist, umgehen.

Verwendete Quellen
  • Statements von und Gespräche mit Jens Südekum, Veronika Grimm und Monika Schnitzer
  • Interview mit Moritz Schularick
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