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CSU-Spitzenkandidat Manfred Weber: "Da müssen wir härter durchgreifen."


Interview
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EU-Politiker Weber
"Das sind kleine Nadelstiche"

InterviewVon Sara Sievert

06.06.2024Lesedauer: 6 Min.
Manfred Weber CSUVergrößern des Bildes
CSU-Politiker Manfred Weber: "Wir müssen die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden ausweiten. Den Austausch voranbringen." (Quelle: Reto Klar/imago)

Manfred Weber ist bei der Europawahl am Sonntag Spitzenkandidat der CSU. Er ist außerdem Partei- und Fraktionsvorsitzender der EVP und spielt damit eine Schlüsselrolle in der Europäischen Union.

Ein Video-Telefonat mit Manfred Weber, wenige Tage vor der Europawahl. Der CSU-Politiker sieht etwas müde lächelnd in die Kamera. Die Mobilisierung sei im Europawahlkampf immer schwerer als bei den Bundestagswahlen, erzählt er. "Wissen Sie, für viele Menschen wirkt Europa abstrakt", sagt Weber.

Dabei könnte Brüssel bei Themen wie Migration und Sicherheit in den kommenden Jahren durchaus eine zentrale Rolle spielen. Ein Gespräch über die Sicherheit Europas und die Zusammenarbeit mit den Grünen.

t-online: Herr Weber, am Wochenende ist ein Polizist aus Mannheim gestorben, nachdem er bei einem Messerangriff verletzt wurde. Bei dem Täter handelt es sich um einen Mann afghanischer Herkunft. Glauben Sie, der Vorfall wird Auswirkungen auf die Europawahl haben?

Manfred Weber: Was in Mannheim passiert ist, ist schrecklich. Das treibt uns alle um und so etwas darf in unserem Land nicht passieren. Der tote Polizist hat sein Leben für andere und Deutschlands Werte gegeben. Ich trauere um ihn und bin mit den Gedanken bei den Angehörigen. Trotzdem müssen wir mit dieser Emotionalität besonnen umgehen. Ich persönlich hoffe, dass eine Einzeltat keine direkten Auswirkungen auf das Wahlverhalten der Menschen hat. Es geht darum, was wir für ein Europa in den kommenden fünf Jahren wollen. Wir müssen gerade unsere Werteordnung verteidigen, gegen die, die das infrage stellen. Das können Islamisten sein. Dazu gehören aber auch die Putins dieser Welt.

Muss aus der Tat jetzt etwas folgen?

Selbstverständlich. Die Härte des Rechtsstaats muss jetzt greifen. Wir müssen klarstellen, dass solche Täter mit aller Konsequenz zur Verantwortung gezogen werden. Und es braucht endlich einen stärkeren Blick auf den radikalen Islamismus in Deutschland und Europa.

Sollten Straftäter außereuropäischer Herkunft abgeschoben werden können?

Ja, Straftäter ohne europäischen Pass müssen raus aus Europa und aus Deutschland, wenn dies rechtlich möglich ist. Wer eine schwere Straftat begeht, wer einen Polizisten tötet, der missbraucht sein Gastrecht auf brutalste Art und Weise. Da müssen wir härter durchgreifen. Und ich werbe auch dafür, dass wir das Thema europäisch denken.

Was heißt das?

Derzeit kann sich beispielsweise ein Gefährder oder Straftäter weitgehend frei zwischen den europäischen Ländern bewegen. Einfach, weil wir in vielen Grenzräumen keine Kontrollen mehr haben. Europa soll frei und offen bleiben, aber die Sicherheitsbehörden müssen stärker vernetzt werden. Wir haben in Deutschland erkannt, dass die Landeskriminalämter besser zusammenarbeiten müssen. Dort werden die Daten jetzt besser ausgetauscht, etwa zum Überwachen der Islamistenszene. Und das müssen wir noch viel mehr europäisieren.

Wie könnte das konkret gehen?

Wir müssen die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden ausweiten. Den Austausch voranbringen. Ich wünsche mir hier ein starkes Europol. Am Ende brauchen wir ein europäisches FBI. Wir werden hier zeitnah ein System online schalten, dass an den europäischen Außengrenzen jeden mit Fingerabdruck registriert. Wir brauchen so etwas für den Kampf gegen gewalttätige Islamisten, gegen Terror, aber auch gegen die Mafia, wenn es um Prostitution und Menschenhandel geht. Und dann müssen wir natürlich einen Schritt zurückgehen und eine Debatte darüber starten, wie wir die Gefährdung unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft minimieren. Dafür müssen wir auch illegale Zuwanderung nach Europa stoppen. Europa hilft Schutzbedürftigen gerne. Aber wir brauchen die Kontrolle darüber, wer zu uns kommt.


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Straftäter ohne europäischen Pass müssen raus aus Europa und aus Deutschland, wenn dies rechtlich möglich ist.


Manfred Weber


Nun hat sich die Europäische Union gerade erst auf einen neuen Migrationspakt geeinigt, der die Regeln verschärfen soll. Muss noch mehr kommen?

Es ist wichtig, dass wir den Pakt durchgesetzt haben. Jetzt geht es um die Umsetzung. Wer keine Aussicht auf Asyl hat, darf nicht einreisen. Und wer nach einem rechtsstaatlichen Verfahren kein Recht auf Asyl hat, muss konsequent abgeschoben werden. Hier brauchen wir zeitnah Migrationsabkommen mit den Herkunftsstaaten und einen Mittelmeerpakt mit Europas Nachbarn. Das ist der Schlüssel. Wir müssen da handlungsfähiger werden. Das muss die nächsten Jahre im Mittelpunkt stehen.

Treibt Ursula von der Leyen das Thema bisher stark genug voran?

Wir haben hier in den vergangenen Jahren viel vorangetrieben. Aber klar ist auch, dass wir hier noch einen Gang hochschalten müssen. Wir sind beim Thema Migration auf dem richtigen Weg, aber die Themen sind noch nicht gelöst.

Ist es realistisch, dass sie hier mit den Grünen zusammenfinden, wenn es um Mehrheiten geht?

Welche Grünen meinen Sie? Nehmen Sie mal den Migrationspakt. Der war für Europa extrem wichtig. Das hat auch unsere Außenministerin Annalena Baerbock so gesehen und hat deshalb ihre Grünen in Deutschland gebeten, zuzustimmen. Aber die Grünen im Europäischen Parlament haben dagegen gestimmt. Deswegen bin ich da skeptisch. Ich erlebe die Grünen in Brüssel als eine Oppositionspartei. Das ist legitim, aber nicht konstruktiv. Ich möchte mit allen Demokraten und Europäern zusammenarbeiten, aber sie müssen es auch wollen.

Gilt das auch für Frau Meloni?

Es wäre ein schwerer Fehler Georgia Meloni mit der AfD auf eine Stufe zu stellen. Sie ist eine demokratisch gewählte Regierungschefin und hat die vergangenen zwei Jahre in Europa konstruktiv mitgearbeitet und versucht, Probleme zu lösen. Die AfD dagegen sagt, Europa muss sterben. Wir reden hier über eine Partei, die selbst den Rechtsextremen in der EU zu extrem ist. Das sollte man nicht gleichsetzen.

Wären die Ukraine-Hilfen bei einer Zusammenarbeit mit den Rechten sicher?

Ich glaube nicht, dass es irgendwo in Europa an Solidarität mangelt. Ich spüre hier eine große emotionale Nähe und werden uns nicht sorgen müssen, dass die Unterstützung für die Ukraine grundlegend bröckelt.

Auch dann nicht, wenn Donald Trump im Herbst die Wahlen gewinnt und die USA dann potenziell als Unterstützer wegfallen?

Die große Frage wird sein, wie wir uns auf diese potenzielle Veränderung vorbereiten. Keiner weiß, was in den USA passiert. Aber klar ist: Egal, wer in Washington regiert, 330 Millionen Amerikaner werden nicht dauerhaft 440 Millionen Europäer verteidigen. Wir müssen uns jetzt selbst um unsere Verteidigung kümmern. Deshalb brauchen wir neben der Stärkung der Bundeswehr auch einen starken europäischen Pfeiler der Verteidigung, etwa bei der Drohnenabwehr. Wir brauchen eine europäische Raketenabwehr und ein gemeinsames Cyber Defense System.

Ist es Putin nicht längst ein Stück weit gelungen, Europa zu destabilisieren?

Putin testet uns jeden Tag. Ich war vor kurzem in Finnland an der finnisch-russischen Grenze. Da hat Russland die Grenzziehungen in der Ostsee offen infrage gestellt. Putin hinterfragt also Grenzen zwischen der EU und Russland, zwischen Nato-Staaten und Russland. Das sind kleine Nadelstiche. Aber es passiert. Putin tut alles, um Europa zu spalten, zu destabilisieren und schwächer zu machen. Das ist die Realität, in der wir uns heute schon befinden.

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Was kann die EU dagegen tun?

Nur ein sprechfähiges Europa ist auch stark. Ganz konkret bedeutet das, dass wir die Einstimmigkeit in der Außenpolitik abschaffen müssen. Es kann nicht sein, dass wir bei Sanktionen, die wir beschließen, auf die Unterstützung von Putins Freund Viktor Orban angewiesen sind. Und die Debatten führen wir schon viel zu lange. Europa muss endlich politisch eine Stimme haben in der Welt.

Es gibt noch ein anderes Thema, dass sich womöglich auf die Wahl am Sonntag auswirken könnte – die Hochwasser in Bayern und Baden-Württemberg. Braucht es hier mehr und besseren Katastrophenschutz? Mehr Prävention?

Man kann gar nicht ausreichend auf Katastrophen vorbereitet sein. Das ist nichts Kalkulierbares und deshalb eine Daueraufgabe. Aber was unsere Rettungskräfte derzeit leisten, ist beeindruckend. Ich möchte hier auch noch einmal ein Riesen-Dankeschön an die Helferinnen und Helfer aussprechen.

Die Union war bislang offenkundig nicht sonderlich angetan von der "green policy" der Kommissionspräsidentin. War das mit Blick auf die solche Katastrophen falsch?

Die EU hat in den letzten fünf Jahren weltweit das ambitionierteste Klimaschutz-Programm auf den Weg gebracht. Bis 2050 wollen wir klimaneutral sein, bis 2030 bereits zu 70 Prozent. Das ist einzigartig und es ist richtig, dass die EU hier vorangeht. In der nächsten Legislatur werden wir davon gewiss nichts zurücknehmen, sondern weiter ambitioniert vorangehen. Wir müssen aber auch soziale Sorgen, Wirtschaft und Umweltschutz zusammenbringen. Sonst nehmen wir die Menschen nicht mit.


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Es kann nicht sein, dass wir bei Sanktionen, die wir beschließen, auf die Unterstützung von Putins Freund Viktor Orban angewiesen sind.


Manfred Weber


Können sich die Deutschen dieses Mal darauf verlassen, dass die Spitzenkandidatin auch Kommissionschefin wird? Oder kommt wieder jemand durch die Hintertür?

Wir kämpfen dafür, dass der Wahlgewinner dann auch ins Amt kommt. Ich hoffe, dass das auch andere so sehen.

Letzte Frage, was schätzen Sie an Terry Reintke und an Katarina Barley?

Beides sind geschätzte Kolleginnen und überzeugte Europäerinnen. Wir haben im Parlament Gott sei Dank eine gute Atmosphäre. Bei Katarina Barley schätze ich ihre Kompromissbereitschaft, etwa beim Migrationspakt.

Verwendete Quellen
  • Interview
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