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Ampel-Initiative: Wie das Abtreibungsrecht in Deutschland geändert werden könnte


Union droht mit Verfassungsklage
Abtreibung legal? Das schlagen Experten jetzt vor

Von afp, dpa
Aktualisiert am 15.04.2024Lesedauer: 5 Min.
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Demonstrantin in Berlin (Archivbild): Eine Expertenkommission empfiehlt die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. (Quelle: snapshot-photography/ K.M.Krause/imago-images-bilder)
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Eine Legalisierung von Abtreibungen in Deutschland könnte schon bald bevorstehen: Eine Regierungskommission empfiehlt eine grundsätzliche Erlaubnis bis zur zwölften Woche.

Abtreibungen sollten in Deutschland nach Einschätzung einer von der Bundesregierung eingesetzten Expertenkommission künftig nicht mehr grundsätzlich strafbar sein. "In der Frühphase der Schwangerschaft (...) sollte der Gesetzgeber den Schwangerschaftsabbruch mit Einwilligung der Frau erlauben", heißt es in der Zusammenfassung eines Berichts der Kommission, die am Montag in Berlin vorgelegt wurde.

Die Expertinnen und Experten äußern sich darin auch zu den Themen Eizellspende und Leihmutterschaft. Beides hält die Kommission unter bestimmten Umständen für zulässig. Doch wie ist die aktuelle Rechtslage und was soll konkret geändert werden? Ein Überblick:

Was soll geändert werden?

In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Ampel vereinbart, durch eine Kommission prüfen zu lassen, inwieweit Schwangerschaftsabbrüche auch außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden könnten. Die Kommission sollte zudem Möglichkeiten zur Legalisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft prüfen.

"Die grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Abbruchs in der Frühphase der Schwangerschaft (...) ist nicht haltbar. Hier sollte der Gesetzgeber tätig werden und den Schwangerschaftsabbruch rechtmäßig und straflos stellen", sagte die für das Thema zuständige Koordinatorin in der Kommission, die Strafrechtlerin Liane Wörner von der Universität Konstanz. Als Frühphase gelten allgemein die ersten zwölf Schwangerschaftswochen.

Ein Abbruch sei aktuell zwar unter bestimmten Bedingungen straffrei, "aber er ist nach wie vor als rechtswidrig, als Unrecht gekennzeichnet", kritisierte die stellvertretende Koordinatorin, Frauke Brosius-Gersdorf, die geltende Regel. Eine Änderung sei nicht einfach nur eine Formalie. Für die betroffenen Frauen mache es einen großen Unterschied, ob das, was sie täten, Unrecht sei oder Recht. "Außerdem hat das Auswirkungen auf die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherungen."

Sobald der Fötus eigenständig lebensfähig ist, sollten Abbrüche laut Kommission hingegen weiterhin verboten bleiben. Diese Grenze liegt den Expertinnen und Experten zufolge ungefähr in der 22. Woche nach Beginn der letzten Menstruation.

Eine Legalisierung der Eizellspende in Deutschland sehen die Expertinnen und Experten als zulässig, "sofern sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, die insbesondere den notwendigen Schutz der Spenderinnen und das Kindeswohl gewährleistet", heißt es.

Die Koordinatorin für das Thema in der Kommission, Claudia Wiesemann von der Universität Göttingen, wies darauf hin, dass Deutschland neben Luxemburg das einzige EU-Land sei, in dem die Eizellspende noch verboten sei. Wichtig sei, so wie bei der Samenspende auch, das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft zu sichern. Leihmutterschaft könne der Gesetzgeber in bestimmten Fällen zulassen, heißt es von der Kommission, "sofern insbesondere der Schutz der Leihmutter und das Kindeswohl hinreichend gewährleistet werden".

Die Bundesregierung betonte allerdings, dass mit einer schnellen Reform nicht zu rechnen sei. Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sprach am Montag vor Journalisten in Berlin von einem sehr sensiblen Thema, das stark in persönliche Bereiche gehe. Es gelte, unterschiedliche Güter gegeneinander abzuwägen. "Und wir wollen eine Debatte führen, die letztlich uns weiterbringt in dieser Frage und das ist nichts, was man unter Zeitdruck und "jetzt machen wir das ganz schnell" führen kann. Das wäre wirklich der falsche Weg."

Wie ist der aktuelle Gesetzesstand?

Bereits im ersten Jahr ihrer Amtszeit hatte die Ampel eine weitreichende Gesetzesänderung im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen auf den Weg gebracht: Sie schaffte den umstrittenen Paragrafen 219a ab, der zuvor das "Werbeverbot" für Abtreibungen geregelt und immer wieder dazu geführt hatte, dass Ärztinnen und Ärzte sich strafbar machten, wenn sie öffentlich Informationen über Schwangerschaftsabbrüche zur Verfügung stellten.

Die nun vorgeschlagene Abschaffung von Paragraf 218 wäre noch weitreichender. Schwangerschaftsabbrüche stünden dann grundsätzlich nicht mehr unter Strafe.

Eine Abtreibung ist derzeit nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuches grundsätzlich strafbar, es sei denn, sie findet innerhalb der ersten zwölf Wochen statt und die Frau hat sich zuvor beraten lassen. Nicht strafbar ist ein Abbruch zudem, wenn medizinische Gründe vorliegen oder wenn er wegen einer Vergewaltigung vorgenommen wird. Familienministerin Paus hatte in der Vergangenheit mehrfach angedeutet, dass sie sich eine Neuregelung vorstellen könne.

Welche Kritik gibt es?

Die Union lehnt eine solche Neuregelung strikt ab und erwägt eine Verfassungsklage. "Das Strafgesetzbuch ist der richtige Ort, um dieses sensible Thema zu regeln", sagte die stellvertretende CDU-Vorsitzende Silvia Breher. "Es geht hier schließlich um den Schutz des ungeborenen Lebens und seiner grundgesetzlich verankerten Menschenwürde."

Es gebe "weder neue wissenschaftliche oder medizinische Erkenntnisse noch europa- oder völkerrechtliche Verpflichtungen", die eine Neuregelung in dieser strittigen Frage erforderten, argumentierte sie weiter. Das bisherige Abtreibungsrecht sei ein "gut austarierter Kompromiss", der "sowohl die reproduktive Selbstbestimmung der Frau als auch den Schutz des ungeborenen Lebens angemessen wahrt".

Unionsfraktionsmanager Thorsten Frei rechnet mit einer Klage der Unionsfraktion vor dem Bundesverfassungsgericht, falls die Ampelkoalition Schwangerschaftsabbrüche in den ersten zwölf Wochen generell straffrei stellen sollte. Falls sich die Koalition entsprechende Vorschläge einer Arbeitsgruppe unabhängiger Experten der Bundesregierung zu eigen mache, "würde das zwangsläufig dazu führen", dass man in Karlsruhe klagen werde, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten am vergangenen Dienstag in Berlin.

Die Kritik der AfD ist fundamentaler. In ihrem Europaprogramm bezeichnet die Partei Abtreibungen als "Kindstötung", Abtreibungen sollen demnach zur "absoluten Ausnahme" werden und nur noch aus medizinischen oder kriminologischen Gründen erlaubt sein. Die AfD-Familienpolitikerin Mariana Harder-Kühnel sagte zur aktuellen Debatte, ein Wegfall der bislang notwendigen Beratungspflicht würde eine Missachtung der grundgesetzlich geschützten Menschenwürde des ungeborenen Lebens darstellen.

Wie ist die Rechtslage in anderen europäischen Staaten?

Besonders weitreichend ist die Rechtslage in den Niederlanden. Dort sind Abtreibungen bis zur 24. Schwangerschaftswoche möglich, bei schweren Gesundheitsproblemen auch später. Frauen können sich für eine Abtreibung direkt an eine Abtreibungsklinik wenden – es gibt Beratungsangebote, aber keine Pflicht, diese in Anspruch zu nehmen. Die Kosten einer Abtreibung trägt der Staat, beziehungsweise die Krankenkasse. Strafbar ist eine Abtreibung nur, wenn sie nicht in einem Krankenhaus vorgenommen wird.

In Frankreich sind Abtreibungen bis zur zehnten Schwangerschaftswoche straffrei. Mittlerweile dürfen Schwangere bis zur 14. Woche abtreiben, die Kosten übernimmt die Krankenkasse. Ein psychosoziales Beratungsgespräch ist nur für Minderjährige verpflichtend. Angesichts der Verschärfungen von Abtreibungsregelungen anderswo auf der Welt in den vergangenen Jahren hat Frankreich sich dazu entschieden, das Abtreibungsrecht zu stärken und vor möglichen zukünftigen Beschneidungen zu schützen. Vor gut einem Monat stimmte das Parlament dafür, die "garantierte Freiheit", eine Abtreibung durchzuführen, in die Verfassung aufzunehmen.

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Polen hat derzeit eines der strengsten Abtreibungsgesetze in Europa. Seit 2020 ist ein Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche nur noch nach einer Vergewaltigung oder Inzest erlaubt – oder wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist. Weist das ungeborene Kind schwere Fehlbildungen auf, dürfen Frauen keinen Abbruch vornehmen. In der Vergangenheit hat das mehrfach dazu geführt, dass Schwangere mit Komplikationen im Krankenhaus unter ärztlicher Aufsicht starben, weil sich die Mediziner nicht trauten, einen Abbruch vorzunehmen. Das Parlament in Warschau hatte sich jüngst für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts ausgesprochen.

In Italien sind Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche grundsätzlich möglich. Das Gesetz sieht jedoch bestimmte Voraussetzungen vor. Vor einem Schwangerschaftsabbruch ist eine verpflichtende Beratung und eine anschließende Bedenkzeit von sieben Tagen nötig. Innerhalb der ersten neun Schwangerschaftswochen ist eine medikamentöse Abtreibung möglich, bis zur zwölften Schwangerschaftswoche hingegen ein chirurgischer Eingriff mittels sogenannter Absaugung. Die Rechtsregierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in Rom hat seit Amtsbeginn immer wieder betont, keine Änderungen am Abtreibungsrecht vornehmen zu wollen.

In Irland entschied sich die Bevölkerung 2018 in einem Referendum für die Legalisierung von Abtreibungen. Dort dürfen nun Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft vorgenommen werden. Falls Leben oder Gesundheit der schwangeren Frau gefährdet sind oder es wahrscheinlich ist, dass das Baby noch im Mutterleib oder in den ersten vier Wochen nach der Geburt stirbt, ist dies auch später noch möglich. Ein Arzt muss bestätigen, dass die zwölf Wochen noch nicht vorbei sind, drei Tage später kann die Abtreibung durchgeführt werden. Diese gesetzlich vorgeschriebene Zeitspanne soll der schwangeren Frau die Möglichkeit geben, sich ihrer Sache sicher zu sein.

Verwendete Quellen
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