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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Robert Habeck Mission Porzellanladen
Vier Tage lang reist Robert Habeck durch die USA. Es gibt große Krisen zu lösen und schöne Bilder auf der Weltbühne. Und dann droht auch noch Donald Trump.
Irgendwann kann sich Robert Habeck doch nicht mehr zurückhalten. Es ist Mittwochabend in Washington, der Vizekanzler steht in der Deutschen Botschaft vor einem Strauß von Mikrofonen. Sein erster, langer Tag in den USA ist fast vorbei, gleich wird es noch einen Dessert-Empfang geben, mit Minibrownies auf Silbertabletts. Vorher aber wird Habeck noch deftig.
Ob es eine Katastrophe wäre, wenn Donald Trump im Herbst wieder US-Präsident würde, will ein Journalist wissen. Es ist die Frage, die Habecks Reise überschattet. Mit US-Präsident Joe Biden, sagt Habeck, sei man gut vorangekommen, "ein Miteinander aufzubauen". Die Erfahrungen mit Trump seien "ganz andere" gewesen, da sei alles an Kooperationsformaten "im Grunde kaputt gehauen" worden. "Das kann am Ende auch nicht im Sinne der Amerikaner sein."
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Einer, der alles kaputt haut: Wollt ihr das wirklich noch mal? Es ist eine deutliche Positionierung für jemanden, der sich hier im Wahlkampf gar nicht positionieren wollte. Sich einzumischen gehört sich traditionell nicht für einen Vizekanzler. Deshalb will Habeck eigentlich anders vorsorgen. Er versucht, möglichst unauffällig viele Erfolge der letzten Jahre in Sicherheit zu bringen.
Habeck will gewissermaßen die Teller und Tassen im sprichwörtlichen Porzellanladen vor dem Elefanten im Raum schützen. Vor dem, über den er auf seiner Reise nach Washington, New York und Chicago nur sehr ungern spricht. Und dessen erneute Präsidentschaft doch wahrscheinlicher wird: Donald Trump. Kann das funktionieren?
Der Triumph rückt näher
Als Robert Habeck etwa 13 Stunden zuvor in Berlin am Flughafen vor dem Regierungsflieger "Konrad Adenauer" steht, sieht die Welt noch etwas anders aus. "Ich finde diese Spekulationen ganz falsch", sagt Habeck da. "Lassen Sie uns die Amerikaner doch erst mal ihren Wahlkampf machen." Dessen Ausgang sei viel offener, als wir in Europa denken, glaubt Habeck. "Man sollte nicht den Fehler machen, Trump zum vorzeitigen Sieger zu erklären oder auch dahin zu schreiben."
Das kann man natürlich so sehen, bis zur Wahl im Herbst ist tatsächlich noch Zeit. Als Habeck dann auf 13.000 Metern über dem Atlantik im Flieger sitzt, kommt Trump seinem Ziel aber eben doch wieder einen Schritt näher. Seine einzig übrig gebliebene Konkurrentin bei den Republikanern, Nikki Haley, schmeißt nach dem "Super Tuesday" hin. Nun heißt es endgültig: Trump – oder Biden.
Robert Habeck macht sich keine Illusionen, dass ein deutscher Vizekanzler hier in den USA großen Einfluss auf die Wahl hätte. Jedenfalls keinen positiven, der Joe Biden nutzen könnte. Und dennoch betont er bei jeder Gelegenheit, dass die Beziehungen zur Biden-Regierung so gut seien wie seit Jahren nicht. An ein unabwendbares Katastrophenszenario Trump glaubt Habeck nicht. Oder will nicht daran glauben.
Trotzdem bereitet sich die Bundesregierung auf den Worst Case vor. Nur leise, subtil. Habeck trifft zwar ein paar Republikaner, aber eher, weil sie eben auch da sind, als er mit Abgeordneten frühstückt oder Gouverneuren zu Mittag isst. Es ist nicht so, dass er hergekommen ist, um Kontakte zu Trump und seinen Leuten zu knüpfen. Was durchaus auch eine lohnenswerte Vorbereitung auf den Fall der Fälle sein könnte. Zu Hause aber dürfte sie wütende Schlagzeilen produzieren.
Eine vage Hoffnung
Die Bundesregierung versucht stattdessen auf vielen Ebenen, bis zur Wahl am 5. November noch so viele gemeinsame Projekte wie möglich mit den USA abzuschließen. Und erreichte Formate zur Abstimmung und Kooperation so rechtsverbindlich wie möglich festzuschreiben. In der Hoffnung, dass Recht und Gesetz und Verträge eben doch etwas bringen. Selbst wenn Trump Präsident werden sollte, den Recht und Gesetz und Verträge erfahrungsgemäß wenig interessieren.
Es ist eine vage Hoffnung. Aber versuchen muss man's wenigstens, das ist wohl die Idee.
Ein besonders wichtiges Projekt für Robert Habeck: Er will dem Inflation Reduction Act, Bidens milliardenschwerem Subventionsprogramm für eine grüne Wirtschaft, den Protektionismus austreiben. Zumindest ein bisschen. Milliarden gibt es aus Bidens riesigem Fördertopf nämlich in der Regel nur für Unternehmen, die in den USA produzieren. Es ist ein durchaus aggressiver Weg, Firmen anzusiedeln. Und ein Problem für Habeck und die EU, die im Subventionswettlauf mit den USA nicht mithalten können.
Habeck kritisiert dieses handelspolitische "America First" schon lange, auch auf dieser Reise tut er das wieder deutlich. Mit der EU versucht er, Schlupflöcher für europäische Firmen auszuhandeln, durch die sie vom grünen Geld in den USA auch profitieren können, wenn sie weiterhin in Europa produzieren. Eines davon ist das "Critical Minerals Agreement". Es soll grob gesagt möglich machen, dass in Europa gebaute Batterien noch eine Chance in den USA haben.
Einsam in Washington
Es ist nur eines von vielen Problemen, die der Inflation Reduction Act hervorgebracht hat. Und nicht mal das ist bislang gelöst. Es ist eines der Themen, bei dem Habeck in Washington weiterkommen will. Solange die Biden-Regierung noch im Amt ist und ein Weiterkommen möglich ist. Am Donnerstag trifft Habeck deshalb Finanzministerin Janet Yellen, Energieministerin Jennifer Granholm und vor allem Handelsministerin Gina Raimondo.
Journalisten bekommen von diesen Gesprächen nichts mit, Fragen an die US-Seite sind anschließend nicht vorgesehen. Als Robert Habeck am Freitag schon in New York vor dem Gebäude der Vereinten Nationen steht und nach einem Treffen mit UN-Generalsekretär António Guterres wieder einen Strauß von Mikrofonen vor seiner Nase hat, können die Reporter deshalb nur nach seinem Eindruck fragen.
Habeck findet, es sei "sehr gut vorangegangen" in den Gesprächen. Ob es aber bis zur Wahl im Herbst noch etwas wird? Während des amerikanischen Wahlkampfs? Hier in den USA hält das mancher Experte und Beobachter für nahezu ausgeschlossen – und die Verhandlungen anders als Habeck für blockiert.
Unter Trump wären sie vermutlich tot. "Wenn Sie sich in Washington einsam fühlen wollen", sagt Martin Biesel, Chef der Friedrich-Naumann-Stiftung in Washington, "dann müssen Sie nur über Freihandel sprechen. Bei Demokraten und Republikanern."
Dabei würde Habeck das am liebsten sehr grundsätzlich tun. Sein Ziel ist, nicht "immer mal wieder Einzelschritte" wie bei den Batterien zu schaffen, sondern "eine Art Rahmen" mit festen Kriterien für technische Güter, Industrieprodukte, Rohstoffe. So etwas "wie eine gemeinsame Handelszone" statt nur "Stückwerk".
Think big, groß denken – wo sollte man das dürfen, wenn nicht in New York im Schatten des UN-Wolkenkratzers.
Werbetour in eigener Sache
Weil große Ideen mit kleinen Chancen aber eine zweifelhafte Wette sind, hat Robert Habecks Strategie einen zweiten Teil: Seine Reise ist auch eine Werbetour in eigener Sache. Wir haben uns geändert, lautet seine erste Botschaft. Die zweite: Auch ihr habt etwas zu verlieren.
Nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine hatte Deutschland in Washington keinen guten Ruf, um es vorsichtig zu sagen. Zu gierig nach russischem Gas, zu zögerlich bei der Unterstützung der Ukraine, zu naiv in seiner China-Politik. Das aber war einmal, sagt zumindest Habeck. Seine Geschichte ist die einer deutschen Läuterung: Unabhängig geworden von Russland, zweitgrößter Unterstützer der Ukraine, und deutlich kritischer im Umgang mit China.
Habeck dürfte seine Geschichte durchaus selbstbewusst vortragen, zum Beispiel als er mit Bidens Nationalem Sicherheitsberater Jake Sullivan im Weißen Haus spricht. Das mit der Energie und Russland hat tatsächlich er hingekriegt. Waffen für die Ukraine forderte Habeck schon, bevor er Vizekanzler wurde und es nur wenige andere taten. Und es ist sein Ministerium, das bei chinesischen Investitionen inzwischen genauer hinschaut. "Die Amerikaner sehen das sehr wohl", sagt Habeck.
Mancher in den USA ist sich da nicht so sicher. Besonders die Republikaner sollen weiter eher genervt sein von den Deutschen. Sicherheitshalber hat Habeck deshalb seine zweite Botschaft dabei: "Die Welt wird stärker und reicher, wenn sie kooperiert", sagt er. "Nationalismus schadet. Er schadet dem Frieden, er schadet den Menschen, er schadet auch der Wohlfahrt in den Ländern."
Handfestes für hemdsärmelige Republikaner: Auch ihr werdet buchstäblich ärmer, wenn ihr euch abschottet. Allein: Kauft ihm das Donald Trump ab? Oder würde der den Porzellanladen doch einfach wieder kaputt hauen?
- Reise mit Robert Habeck nach Washington, New York und Chicago