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Ukraine-Krieg: Selenskyj bietet Trump Waffenstillstand an


Neues Angebot an den US-Präsidenten
Er greift nach dem letzten Strohhalm


Aktualisiert am 06.03.2025 - 08:12 UhrLesedauer: 5 Min.
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Wolodymyr Selenskyj bei einem Besuch in London (Archivbild): Der ukrainische Präsident macht den USA ein erneutes Angebot. (Quelle: Sean Kilpatrick/dpa)
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Wolodymyr Selenskyj will die USA als Unterstützer nicht einfach ziehen lassen. Er macht US-Präsident Donald Trump ein neues Angebot zur Versöhnung. Doch um welchen Preis?

Nur wenige Tage nach dem Affront im Weißen Haus und dem anschließenden Schock über den Stopp der US-Militärhilfen für sein Land schlägt Wolodymyr Selenskyj versöhnliche Töne an. Der ukrainische Präsident ging am Dienstagnachmittag mit einem Brief auf seinen US-Amtskollegen Donald Trump zu. Unter dessen "starker Führung" sei die Ukraine bereit, auf einen dauerhaften Frieden hinzuarbeiten, schrieb er auch auf der Plattform X. Als Vorbereitung auf mögliche Friedensverhandlungen schlug er eine "Waffenruhe" in der Luft und zur See vor.

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Selenskyj vollzieht mit diesem Brief nicht weniger als eine 180-Grad-Wende in den Beziehungen zwischen Kiew und Washington, die seit Trumps Amtsantritt im Januar arg gelitten haben. Die erste Reaktion des US-Präsidenten deutet darauf hin, dass Selenskyjs Versuch Wirkung zeigen könnte: "Ich weiß das zu schätzen", sagte der US-Präsident bei einer Rede vor dem Kongress in Washington. Selenskyj habe in dem Brief auch seine Dankbarkeit für die Hilfe der USA betont.

Womöglich noch wichtiger könnte für Trump jedoch ein weiterer Punkt sein. Denn Selenskyj bot dem US-Präsidenten erneut ein Abkommen über den Abbau strategisch wichtiger Rohstoffe in der Ukraine an. Man sei "jederzeit und in jedem geeigneten Format" bereit, den Deal mit Washington zu unterzeichnen.

Video | Trump lobt Selenskyjs Versöhnungsversuch
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Quelle: reuters

Das Abkommen, an dem Trump großes Interesse zeigt, ist Selenskyjs letzter Strohhalm. Scheitert es, könnten die USA als wichtigster Unterstützer der Ukraine vollends wegbrechen. Der ukrainische Präsident will das mit aller Kraft verhindern.

"Selenskyj will das Beste aus einer schlechten Situation machen"

In den vergangenen drei Jahren seit Beginn der russischen Vollinvasion in die Ukraine gab es kein Land, das der Ukraine mehr Waffen und Ausrüstung lieferte als die USA. Überdies stellte Washington dem angegriffenen Land Geheimdienstinformationen zur Verfügung, die für ukrainische Angriffe auf russische Ziele essenziell sind. Aber auch das geschehe nun nicht mehr, bestätigte CIA-Chef John Ratcliffe einen Bericht der "Financial Times" am Mittwoch. Selbst wenn die europäischen Unterstützer fortan mehr Waffen und Munition liefern würden – gänzlich ausgleichen könnten sie die militärischen und geheimdienstlichen Kapazitäten der USA nicht.

Der Politikwissenschaftler und Osteuropaexperte Andreas Umland sieht die Ukraine deshalb vor einem Dilemma: "Entweder sie lässt sich auf Trumps Bedingungen ein oder sie bricht mit den USA. Beide Entwicklungen sind schlecht für Kiew", erklärt der Analyst des Stockholmer Zentrums für Osteuropastudien am Schwedischen Institut für Internationale Angelegenheiten im Gespräch mit t-online. "Selenskyj will das Beste aus einer insgesamt schlechten Situation machen." Deshalb gehe er nun auf Trump zu und scheine sich dessen Druck zu beugen. "Der ukrainische Präsident versucht so, zumindest einen Teil der US-Unterstützung zu retten."

(Quelle: imago stock&people/imago-images-bilder)

Zur Person

Andreas Umland (*1967) ist ein deutscher Politikwissenschaftler und Publizist. Er arbeitet von Kiew aus als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Stockholmer Zentrum für Osteuropastudien. Umland gründete die Buchreihe "Soviet and Post-Soviet Politics and Society" ("Sowjetische und postsowjetische Politik und Gesellschaft").

Rohstoffdeal zwischen der Ukraine und den USA

Im Zentrum dessen steht nun der Rohstoffdeal, den die US-Regierung mit der Ukraine abschließen möchte. Eigentlich sollten Trump, sein Vize J. D. Vance und Selenskyj diesen schon am vergangenen Freitag unterzeichnen. Dann aber entschieden sich die US-Amerikaner im Oval Office für einen verbalen Frontalangriff auf Selenskyj. Die Unterzeichnung platzte.

Das bereits ausgehandelte Abkommen hatte Vorteile für beide Seiten. Im Zentrum stand ein Wiederaufbaufonds für die Ukraine, auf den auch die USA Zugriff haben sollten. Im Gegenzug sollten US-Firmen in der Ukraine Rohstoffe fördern dürfen – eine strategisch und wirtschaftlich lukrative Aussicht, immerhin lagern in der Ukraine wohl etwa fünf Prozent der weltweiten Reserven an Seltenen Erden, die kritisch für die Produktion diverser Zukunftstechnologien sind. Einen Nachteil für die Ukraine gab es aber doch: Es fehlten eindeutige Sicherheitsgarantien, Kiew kritisierte das auch immer wieder. Dennoch war Selenskyj dann zur Unterschrift bereit.

Peilt Selenskyj also den Ausverkauf seines Landes an die USA an? "Das Hauptinteresse der Ukraine ist derzeit die Sicherheit", sagt Andreas Umland. "Wenn sich die USA dazu bereiterklären, die Sicherheit des Landes zu gewährleisten, ist Selenskyj auch dazu bereit, Trump dafür zu belohnen." Das erneute Angebot des ukrainischen Präsidenten zeige das eindrücklich. Außerdem habe sich in der Bevölkerung die Ansicht durchgesetzt, eine "Teilkolonialisierung" durch die USA der russischen Besatzung gegenüber zu bevorzugen. So zumindest schrieben es einige Ukrainer in sozialen Netzwerken, erklärt Umland.

Geben die USA doch indirekt Sicherheitsgarantien?

Der Hintergedanke der Ukrainer scheint also zu sein, dass die Anwesenheit von US-Firmen in ihrem Land und deren Investments indirekt als Sicherheitsgarantien wirken. Aktuelle Äußerungen von Trump-Vize Vance, dass US-Investments auch eine Sicherheitsdimension hätten, dürften den ukrainischen Präsidenten darin bestärkt haben, das Abkommen zu forcieren.

Das Abkommen über die ukrainischen Rohstoffe sieht zunächst explizit keine solchen Garantien der USA vor, obwohl Kiew darauf seit Monaten pocht. Selenskyj und seine Regierung scheinen also darauf zu hoffen, dass die USA ihre Investments im Falle einer tatsächlichen Bedrohung dann auch schützen würden. Es ist eine Wette auf Trump.

Aber würde US-Regierung wirklich in der Ukraine eingreifen, sollte Putin erneut einen Angriff vorbereiten? Das bezweifeln viele Experten.

Die USA scheinen nun aber darauf zu schielen, die Bedingungen des Abkommens nochmals anzupassen. Das zumindest berichtet der US-Sender CBS unter Berufung auf Quellen in der Trump-Regierung. Der US-Präsident wolle einen "größeren, besseren Deal", heißt es. Die Konditionen könnten sich aus Sicht der Ukraine also verschlechtern.

"Die Bevölkerung stand unter Schock"

"Sicherlich wird die Ukraine versuchen, den völligen Ausverkauf zu vermeiden", sagt Andreas Umland. Angesichts des Krieges stelle die Regierung jedoch ökonomische Interessen hintan, so der Osteuropaexperte. Immerhin hatte Selenskyj selbst im vergangenen Jahr einen Deal über Rohstoffe angeboten.

Dass Selenskyj nun an dem Vertrag festhalten will und ihn Trump erneut anbietet, hat jedoch noch einen zweiten Grund: Das erneute Angebot solle auch die heimische Bevölkerung beruhigen, sagt Umland. "Nach dem Affront im Weißen Haus und der Aussetzung von Waffenlieferung stand die Bevölkerung in großen Teilen unter Schock." Die Ukrainer fragten sich, ob die USA jetzt vollends als Unterstützer wegbrechen würden und ob die Europäer dies im Ernstfall überhaupt ausgleichen könnten.

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"Der Präsident versucht nun, diese Situation etwas zu beruhigen", so Umland. "Selenskyj spielt dabei aber Trumps Spiel mit." Denn der US-Präsident wolle "Frieden um jeden Preis", vor allem, um vor der eigenen Bevölkerung zu glänzen. Im Wahlkampf hatte Trump immer wieder getönt, er werde den Krieg in kürzester Zeit beenden – vor allem aber, damit die USA nicht weiter für Militärhilfen an die Ukraine zahlen müssten.

"Trump will Selenskyj den Schwarzen Peter zuschieben"

Mit Trumps jüngstem Verhalten rückten die USA in den Augen vieler Beobachter jedoch näher an Putins Regimes heran. Der US-Präsident wurde von seinen Kritikern in den USA vielfach als Handlanger des Kremlchefs dargestellt. Und so stehe in Sachen Frieden in der Ukraine aktuell insbesondere eine Teilkapitulation der Ukraine im Raum, "für die Trump nicht verantwortlich sein möchte", sagt Umland. "Trump will deshalb schon jetzt Selenskyj den Schwarzen Peter zuschieben."

Bisher scheint sich der ukrainische Präsident darauf sogar in Teilen einzulassen. Nachdem Trump ihn als "Diktator" bezeichnet hatte, stellte Selenskyj sein Amt im Tausch gegen eine Nato-Mitgliedschaft seines Landes zur Verfügung. Jetzt rudert der ukrainische Staatschef zurück, nachdem Trump und Vance ihn im Oval Office vor den Augen der Weltöffentlichkeit bloßgestellt hatten.

Die Hilfe der USA sei zurzeit das Wichtigste, räumte Selenskyj am Dienstag ein. Den Eklat bei seinem Treffen mit Trump bezeichnete er noch einmal als bedauerlich. "Aber jetzt ist es nötig, die Kraft dafür zu finden, weiterzugehen, einander zu respektieren, so wie wir immer Amerika, Europa und alle Partner respektiert haben, und gemeinsam alles zu tun, um den Frieden näherzubringen", sagte Selenskyj. Den USA dankte er erneut für die bisher bereits geleistete Hilfe.

Nimmt der ukrainische Präsident die Schuld an, die Donald Trump ihm zuschieben will, und beugt sich dem Druck aus Washington? Andreas Umland glaubt, dass er das tun wird: "Um die USA als Unterstützer zu behalten, scheint Selenskyj ein Stück weit bereit, das auf sich zu nehmen."

Verwendete Quellen

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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