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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ampel-Versprechen nicht erfüllbar? "Es geht nicht mehr, selbst mit allerbestem Willen"
Der Neubau stockt, die Branche steckt in der Krise. GdW-Präsident Axel Gedaschko erklärt die größten Probleme – und wünscht sich mehr Ehrlichkeit von der Regierung.
Die Mieten in Deutschland sind hoch, die Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen lang. Doch Erleichterung ist nicht in Sicht: Weniger als 300.000 Wohnungen wurden 2022 fertiggestellt, wie das Statistische Bundesamt in dieser Woche mitteilte.
Wo hapert es am meisten? Ein Gespräch mit Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbands der deutschen Wohnungswirtschaft (GdW), über explodierende Kosten, überforderte Unternehmen und eine Frage, in der sich die Bundesregierung aus seiner Sicht dringend ehrlich machen sollte.
t-online: Herr Gedaschko, wie ist die Stimmung unter Bauherren zurzeit?
Axel Gedaschko: Total ernüchtert. Immer mehr Unternehmen realisieren: Es geht nicht mehr, selbst mit allerbestem Willen. Das ist frustrierend.
Nur 295.000 Wohnungen wurden 2022 neugebaut. Was sind die größten Hindernisse?
Das größte Problem ist die Finanzierung. Die Baukosten sind explodiert, sie haben sich von der Lohnentwicklung völlig entkoppelt. Diese Schere geht mit jedem Jahr weiter auseinander. Noch dazu sind die Bauzinsen steil nach oben gegangen. Wir stehen gerade mit dem Rücken zur Wand.
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Welche Auswirkungen wird das auf die Mieten haben?
Wenn Sie heute in einer Großstadt eine ganz normale Neubauwohnung ohne Schickimicki bauen, dann müssen Sie Kaltmieten von 15 bis 20 Euro netto pro Quadratmeter berechnen. Das können sich nur sehr wenige Menschen leisten. Man baut so nicht nur an Geringverdienern, sondern auch völlig an der Mittelschicht vorbei.
Was hat das für Folgen für Ihre Arbeit?
Unsere kommunalen Unternehmen bauen oft für eine Zielgruppe, die sich Mieten von 8 bis 12 Euro pro Quadratmeter leisten können. Für diese Zielgruppe können wir im Moment gar nicht mehr neu bauen. Wir versuchen gerade mit Mühe und Not, wenigstens bereits begonnene Bauprojekte zu beenden. Und das ist schon schwer genug.
Zur Person
Axel Gedaschko, 63 Jahre alt, ist seit 2011 Präsident des GdW, des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Er vertritt vor allem gemeinnützige und kommunale Wohnungsunternehmen. Gedaschko ist in der CDU, von 2008 bis 2010 war er Wirtschaftssenator in Hamburg.
Welche Rolle spielen in dieser Lage die Klimamodernisierungen, die Bund und EU planen – wie das umstrittene Heizungsgesetz?
Alles ist miteinander vernetzt. Bauunternehmen und Wohnungsgenossenschaften haben keine Geldsäcke im Keller gehortet. Der Umbau der Heizungen, wie sie der Bund jetzt fordert, verschlingt riesige Summen. Ganz ähnlich wird es bei der Modernisierung der Gebäudehülle sein, die die EU plant. Das kostet Eigenkapital, das unter den aktuellen Bedingungen nicht refinanziert werden kann und dann beim Neubau schmerzlich fehlt.
Das Heizungsgesetz sollte 2024 kommen, jetzt ist ein Start auch 2025 denkbar. Kann man als Bauherr gerade noch verlässlich planen?
Wir haben ein Problem der Gleichzeitigkeit. Die Regierung will möglichst schnell alle Klimaschutzmaßnahmen umsetzen, zugleich musste sie auf die Energiekrise reagieren. Im vergangenen Jahr kamen fast im Wochentakt neue Verordnungen. Da hapert es nicht nur am Geld. Gerade kleinere Unternehmen können das nicht mehr verarbeiten, sie sind völlig überfordert.
Was bräuchte es jetzt von der Politik?
Frankreichs Präsident Macron und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen haben mit Blick auf die Pläne auf europäischer Ebene signalisiert, dass man vielleicht einen Gang zurückschalten will. Sie sehen und respektieren, dass alle am Limit sind, dass es mehr Zeit braucht. Das müsste auch die Bundesregierung dringend realisieren.
Die Pläne der Bundesregierung sehen aber anders aus. 400.000 Wohnungen wollte die Ampel pro Jahr neu bauen lassen, Bauministerin Geywitz will das jetzt 2024 schaffen. Ist das realistisch?
Mich wundert Frau Geywitz‘ Ansage. Wir befürchten, dass die Zahlen im Neubau nicht steigen, sondern weiter zurückgehen. Für dieses Jahr gehen wir nur von 250.000 bis 280.000 neuen Wohnungen aus, denn die besondere Dramatik bei der Finanzierung hat sich 2022 noch gar nicht voll niedergeschlagen. Uns droht in den nächsten Jahren ein Desaster, wenn die Regierung nichts tut.
Was müsste passieren?
Viele Bundesländer haben ihre Unterstützung für den bezahlbaren Wohnungsbau aufgestockt. Es wäre wichtig, dass auch der Bund Geld ins System bringt. Mit zielgerichteten Förderprogrammen, nicht mit der Gießkanne. Das heißt: Nur derjenige kriegt Geld, der es in Form verbilligter Mieten weitergibt. Dann könnten wir den aktuellen Stand beim Neubau zumindest halten. Ansonsten werden die Zahlen noch weiter sinken.
Wäre es angesichts dieser Lage nicht ehrlicher, wenn die Ampel das Ziel der 400.000 neuen Wohnungen jährlich einfach aufgeben würde?
Das Ziel ist eigentlich richtig. Aber das Versprechen wurde in einer anderen Zeit gemacht. Die Regierung müsste den Menschen jetzt reinen Wein einschenken und erklären: Die Rahmenbedingungen haben sich extrem verschlechtert, in nächster Zeit gibt es keine große Hoffnung, dass die Zahlen steigen. Klarheit ist besser, als die Menschen von Jahr zu Jahr erneut zu enttäuschen.
- Gespräch mit Axel Gedaschko