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Wohnungskrise | CDU-General Mario Czaja warnt: "Das wird nicht lange gut gehen"


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CDU-General Mario Czaja
"Es wird zu Konflikten kommen"

  • Kati Degenhardt
InterviewVon Kati Degenhardt

Aktualisiert am 20.04.2023Lesedauer: 7 Min.
Mario Czaja (Archivbild): Der CDU-Generalsekretär hat einen Vorschlag zur Hilfe für Kinder gemacht.Vergrößern des Bildes
CDU-Generalsekretär Mario Czaja kritisiert die Bundesregierung für ihr zögerliches Handeln in der Wohnungskrise. (Quelle: IMAGO/Jens Schicke)
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Die Mieten explodieren, Baupreise steigen, die Bürokratie ist gewaltig. CDU-General Mario Czaja macht die Regierung verantwortlich – und erklärt, was besser werden muss.

Die CDU, das ist für viele derzeit Friedrich Merz. In Talkshows, im Bundestag, in der politischen Debatte. Der Mann ist präsent. Doch selbst der medienwirksamste Politiker macht die Arbeit nicht allein. Seit gut einem Jahr steht ihm Generalsekretär Mario Czaja zur Seite. Der 47-jährige Ostberliner ist in dieser Rolle eigentlich dafür zuständig, politische Positionen der CDU besonders pointiert nach außen zu tragen. Und hartnäckig.

Doch der Sozialpolitiker, der seinen Wahlkreis in Marzahn-Hellersdorf nach 30 Jahren den Linken abgeluchst hat, wagt sich vor. Wenn der Chef die aktuellen Themen in scharfer Oppositionsarbeit schon selbst übernimmt, dann setzt Czaja eigene Schwerpunkte.

Einer davon ist das Thema Wohnungsnot und die akuten Probleme am Wohnungsmarkt. Gestiegene Energiekosten, steigende Material- und Baukosten machen das Wohnen für immer mehr Menschen unerschwinglich. Am heutigen Donnerstag diskutiert er darüber in Berlin beim Wohnungsbau-Tag mit Bauministerin Klara Geywitz, Vizekanzler Robert Habeck, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und den Fraktionschefs Katharina Dröge (Grüne), Christian Dürr (FDP) und Dietmar Bartsch (Linke).

Mit t-online hat er vorher über die CDU-Pläne zur Entlastung am Wohnungsmarkt gesprochen – und über sein Verhältnis zu Friedrich Merz.

t-online: In Deutschland fehlen mehr als 700.000 Wohnungen, die Mieten explodieren. Die Regierung hat den Neubau von jährlich 400.000 Wohnungen versprochen, doch gebaut werden 2023 nur weniger als 250.000.

Mario Czaja: Die Bundesregierung hat offenbar nicht verstanden, dass unsere Infrastruktur – Schulen, Kitas, die ärztliche Versorgung und eben das Wohnen – und das Wachstum unseres Landes eng miteinander zusammenhängen. Stattdessen laufen wir hinterher: bei der Planungsbeschleunigung für Schulen, Kitas, öffentliche Infrastruktur und auch beim Thema Wohnen. Das geht alles viel zu langsam. Ich rate der Bundesregierung zur Lektüre der eigenen Bevölkerungsstatistiken. Es leben gegenwärtig über 84 Millionen Menschen – und nicht wie amtlich prognostiziert 80 – in Deutschland. Es wird aber immer noch mit falschen Annahmen geplant und budgetiert. Die Betrachtung der Wirklichkeit ist der Beginn der Problemlösung, wie es Volker Kauder, einer meiner Vorgänger, einmal sagte.

In vier Merkel-Regierungen gab es nie ein eigenes Bauministerium, mit Horst Seehofer und Peter Ramsauer waren sogar zwei Unionsminister fürs Bauen zuständig. Liegt eine Mitverantwortung für die Misere nicht auch bei der Union?

Die CDU hat immer Wert darauf gelegt, Eigentum zu fördern, es gab Baukindergeld und KfW-Förderung. Aber die Lage hat sich verändert und darauf muss reagiert werden. Noch vor ein paar Jahren ging man davon aus, dass das Land kleiner wird. Doch der Druck auf den Wohnungsmarkt hat sich in den vergangenen Jahren enorm erhöht. Jetzt ist eine neue Zeit, die neue Antworten erfordert.

Die Union will Deutschland wieder "zu einem Land der Eigentümer" machen, zum Beispiel hohe Freibeträge auf die Grundsteuer einführen.

Wir müssen noch viel weiter gehen. Die hohen Grundstückskosten müssen aus den Baukosten herausgelöst werden, indem Staat oder Kommunen ihre Grundstücke zu jeweils zu sehr günstigen Erbpachtzinsen zur Verfügung stellen. Wir müssen uns den Wust von Bauvorschriften vornehmen und zum Beispiel auch Gebäudeklassen zulassen, die bei niedrigeren Standards nicht gleich zu enormen Qualitätsverlusten führen. Und für Menschen, die bauen wollen, wollen wir neue Wohnformen wie Bauherrengemeinschaften und Wohnungsgenossenschaften unterstützen.

Was aber, wenn man weit davon entfernt ist, sich die eigenen vier Wände leisten zu können?

Wohnen ist so teuer wie nie. Marktübliche Mieten liegen bei 18-19 Euro pro Quadratmeter, ein durchschnittlicher Wohnungsneubau kostet mittlerweile 6.000 Euro pro Quadratmeter. Das kann sich kaum noch jemand leisten. Das betrifft leider immer mehr Menschen und reicht längst bis in die Mittelschicht hinein. In Großstädten können sich häufig nicht mal mehr gutverdienende Paare eine Eigentumswohnung leisten. Wer keine Erbschaft für das Eigenkapital für die Finanzierung hat, sieht alt aus.

Deshalb will die CDU Erbschaften pauschal mit zehn Prozent besteuern, wie gerade bekannt wurde.

Es ist ein Vorschlag aus einem Positionspapier, über das noch zu sprechen sein wird.

Sie fordern Zinsvergünstigungen, Erbpachtmodelle, Mieterschutz, Baukindergeld und wollen ein Programm "Jung kauft Alt" auflegen, um Junge in strukturschwache Gebiete zu locken. Das kostet eine Menge Geld.

Wir müssen die Ursache beheben, anstatt an den Symptomen rumzudoktern. Je mehr Wohnungen wir bauen, desto schneller findet die junge Familie mit Kindern ein passendes Zuhause, finden Studenten und Auszubildende eine bezahlbare Bleibe und kommen Geflüchtete aus Gemeinschaftsunterkünften. Wir sollten ins Wohnen investieren, anstatt den Mangel zu subventionieren.

Neben strukturellen Maßnahmen, die Zeit brauchen: Was ließe sich konkret umsetzen, um die Lage zu beruhigen?

Eine Studie der TU Darmstadt hat vorgerechnet, dass in Deutschland 400.000 Wohnungen durch die Aufstockung von Supermärkten entstehen können. Unabhängig davon, ob diese Zahl realistisch ist – sie zeigt, dass es großes Potenzial gibt. Fakt ist, dass es das Modell vielerorts ja bereits gibt und gut funktioniert. Viele große Supermarktketten sind dafür bereit.

Die Sache hat aber einen Haken …

… Bisher sind Verkaufsflächen oft auf 800 Quadratmeter begrenzt, sonst erfordert es einen umfangreichen Bebauungsplan. Aber schon bei einer Vergrößerung auf 1.200 Quadratmeter Verkaufsfläche wären die Supermärkte dabei – und das würde nebenbei auch das Parkplatzproblem lösen. Unser Vorschlag deshalb: Den größeren Supermarktketten zu erlauben, zeitweise Läden mit größerer Verkaufsfläche nach einfachem Baurecht zu bauen – mit der Verpflichtung, über den Märkten Wohnungen zu errichten.

Eine konkrete Maßnahme wäre auch, Neuverträge mit umstrittenen Indexmieten zu verbieten.

Frau Geywitz erklärt seit mittlerweile einem Jahr, dass auch sie Indexmieten als Problem sieht – nur tut sie nichts dagegen. Aufgrund der stark gestiegenen Inflation sind Indexmieten ein Preistreiber am Wohnungsmarkt und sind damit zu einer enormen Belastung für viele Menschen geworden, insbesondere für Familien mit Kindern. Es ist sozialpolitisch nicht zu verantworten, dass eben diese Menschen unter dem Zwist und der Untätigkeit der Ampel leiden müssen. Dabei gäbe es eine einfache Lösung: Ich schlage vor, die Anwendung von Indexmietverträgen bei Neuvermietungen auszusetzen, bis das mittelfristige Inflationsziel der EZB wieder erreicht ist.

In den ersten drei Monaten dieses Jahres wurden 90.000 Asylanträge gestellt. Die Kommunen kommen mit der Unterbringung der Flüchtlinge an ihre Grenzen.

Zur Wahrheit gehört, dass der Druck auf dem Wohnungsmarkt auch mit der Migration in unser Land zu tun hat. Wenn wir nicht schnell für Entspannung sorgen, wird es zu Konflikten kommen zwischen Menschen mit niedrigem Einkommen und denjenigen, die Zuwanderungsgeschichte haben. Die entgegen der Annahmen steigende Bevölkerung zwingt uns zum Umdenken und zu neuem Handeln. Die Ampel lässt sich aber von Planwirtschaftsideologie leiten, statt sich an der Wirklichkeit zu orientieren. Das wird nicht lange gutgehen.

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Mit neuem Handeln meinen Sie was genau?

Ich sage klar und deutlich: Eine Begrenzung und Steuerung der Zuwanderung nach Deutschland ist dringend zu machen. Denjenigen, die dann nicht zu uns kommen können, müssen wir freilich dennoch helfen. Wir können globale Probleme nicht dadurch lösen, dass wir sie in Deutschland lösen. Sondern wir müssen vermehrt globale Probleme in der Welt da draußen lösen helfen.

Einmal kurz zu Ihnen: zu unauffällig, zu ausgleichend, geräuschlos. Finden Sie die Beschreibung von sich zutreffend?

Nein, ganz und gar nicht. Die CDU hat im vergangenen Jahr an Relevanz gewonnen, wir haben wichtige Landtagswahlen gewonnen, und der inhaltliche Erneuerungsprozess geht gut voran. Die Partei ist geschlossen und arbeitet an ihrem Profil. Das ist die Aufgabe des Generalsekretärs. Ich verstehe mich als Teammanager, und das Team CDU funktioniert.

Zuweilen entsteht der Eindruck, Parteichef Merz ist für den politischen Krawall zuständig, Vize Carsten Linnemann erarbeitet das neue Grundsatzprogramm und Sie bändigen hinter den Kulissen das Chaos.

Nein, die Arbeit in der CDU ist ein Teamspiel. Und klar, wir haben unterschiedliche Charaktere. Der eine ist eben etwas lauter, der andere etwas leiser. Das Ergebnis zählt: Wir liegen jetzt in den Umfragen stabil bei 30 Prozent, ich sehe uns auf einem guten Weg.

Dennoch wirken Parteichef Merz und Sie nicht immer harmonisch. Als Sie mit der Partei über Klima, Wirtschaft und Energie diskutieren wollten, sorgten seine "Kleine Pascha"-Aussagen dafür, dass Ihr Thema versackte.

Die Berichterstattung ist eben nicht immer auf das fokussiert, was wir uns wünschen. Gott sei Dank aber sind wir ein Land mit freier Presse.

Anderes Beispiel: Merz hat anfangs gesagt, die Union könne ein Drittel der AfD-Wähler zurückgewinnen. Sie warnten davor, dann würde die CDU dreimal so viele Stimmen an SPD und Grüne verlieren.

Das ist so nicht richtig. Wir sind uns in der scharfen Abgrenzung zu Rechts- wie Linksradikalen völlig einig. Die CDU steht in der Mitte – und wir müssen diese Mitte möglichst breit machen.

Aber genau da hat die Union ein Problem, denn um mehr Wähler der Mitte anzusprechen, müsste sie für Frauen, Junge, Menschen mit Migrationshintergrund viel attraktiver werden.

Das ist tatsächlich ein Problem, das uns schmerzlich bewusst ist. Ein Beispiel: Wir erfahren oft von Frauen, aber auch Erstwählern, die den Wahl-O-Mat nutzen und entdecken, dass CDU-Positionen gut zu ihnen passen. Aber sie sind dann überrascht, manche sogar schockiert, weil sie sich emotional von uns nicht angesprochen fühlen und bislang nicht vorhatten, CDU zu wählen. Aber genau daran arbeiten wir. Die CDU ist Volkspartei. Unser Anspruch ist es, allen Bevölkerungsgruppen ein politisches Angebot zu machen.

Also Merz ist für die laute Opposition zuständig und Sie gewinnen mit sanfteren Methoden neue Wähler?

Wir sind ein Team, aber wir sind nicht alle gleich. Sonst wären wir ja kein Team, sondern Kopien. Was die Familienpolitik betrifft, hat die Union vieles mit vorangebracht: den Anspruch auf einen Kitaplatz, Mütter- und Vätermonate, den Ausbau der Ganztagsbetreuung und das Bildungs- und Teilhabepaket. Das war auch mit starken Frauen in der Union wie Ursula von der Leyen verbunden.

Genau solche starken Frauen hat die Union aber derzeit nicht zu bieten.

Das sehe ich anders: Wir haben mit Silvia Breher und Karin Prien starke Fachpolitikerinnen im Team. Wir haben auch Antworten auf die gesellschaftlichen Herausforderungen, aber wir dringen damit in der Öffentlichkeit noch zu wenig durch.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Interview mit Marion Czaja am 18. April
  • Diskussionspapier der CDU "Bauen, Wohnen und die eigenen vier Wände" von Mario Czaja und Frank Imhoff
  • Bauwelt: Bauen und Wohnen im Koalitionsvertrag
  • Positionspapier der Aktion "Impulse für den Wohnungsbau"
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