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SPD-Politikerin Marx fordert AfD-Verbot: "Die Zeit ist reif"


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Politikerin fordert AfD-Verbot
"Höcke wird mit der Limousine gefahren - das ist absurd"

  • Annika Leister
InterviewVon Annika Leister

13.10.2022Lesedauer: 4 Min.
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Björn Höcke: Er gründete den nur offiziell aufgelösten rechtsextremistischen "Flügel" in der AfD und ist in Thüringen Landes- und Fraktionschef. (Quelle: Bodo Schackow/dpa)
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Björn Höckes Einfluss in der AfD ist groß. SPD-Politikerin Dorothea Marx will seinem Treiben ein Ende setzen.

Dorothea Marx bezeichnet sich selbst als "digitale Verfassungspatriotin". Die gelernte Rechtsanwältin sitzt seit 2009 für die SPD im Thüringer Landtag und war dort unter anderem Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses. Jetzt schlägt sie Alarm: Die staatliche Finanzierung für die AfD müsse ein Ende haben, fordert sie – und ein Verbotsverfahren gegen die Partei gestartet werden.

Ein Gespräch über Björn Höcke, geschichtsvergessene Wähler und die Macht der deutschen Verfassung.

t-online: Frau Marx, Sie fordern ein AfD-Verbotsverfahren. Warum?

Dorothea Marx: Weil die AfD, besonders die AfD in Thüringen, sich mehr und mehr vom demokratischen Staatswesen entfernt. Bei Demonstrationen steht sie Seite an Seite mit Nazis auf der Straße, da gibt es gar keine Berührungsängste mehr. Und sie fordert die Machtübernahme. Herr Höcke benutzt das Narrativ immer wieder: Es stelle sich jetzt die Machtfrage. Das hat auch das Bundesamt für Verfassungsschutz schon interpretiert als die Botschaft: Wenn ihr uns nicht wählt, dann kommt der Umsturz. Das muss ein Staat nicht kampflos hinnehmen.

Dorothea Marx: Die SPD-Politikerin hat lange als Rechtsanwältin gearbeitet.
Dorothea Marx: Die SPD-Politikerin hat lange als Rechtsanwältin gearbeitet. (Quelle: Martin Schutt/dpa)

Zur Person

Dorothea Marx, 65 Jahre alt, ist in Hessen aufgewachsen und hat in Frankfurt am Main Rechtswissenschaften studiert und beide Staatsexamen abgelegt. Von 1990 bis 1998 war sie Mitglied des Deutschen Bundestags. Seit 2009 sitzt sie für die SPD im Thüringer Landtag. Seit 2017 ist sie Vizepräsidentin des Landtags.

Nun ist die AfD aber eine demokratisch gewählte Partei.

Aber sie ist keine demokratische Partei. Sie beschimpft und diskreditiert die Justiz und den Parlamentarismus. Dazu kommen klassisch verfassungswidrige Ziele: die Ausländerfeindlichkeit, der Antisemitismus, die Relativierung des Holocaust.

Sie meinen Höckes Rede in Dresden 2017, als er eine 180-Grad-Wende in der Erinnerungspolitik forderte?

Seitdem sind viele andere Beispiele hinzugekommen. 2018 hat Herr Höcke ein Buch mit dem Titel "Nie zweimal in denselben Fluss" geschrieben. Darin schreibt er sinngemäß, dass die Vergangenheitsbewältigung nur den Nationalstolz mindert. Bei der bundesweiten AfD-Demo in Berlin vorige Woche hat sich der Thüringer Lokalpolitiker Winterstein auf einen Stein des Holocaust-Mahnmals gestellt und mit ausgebreiteten Armen fotografieren lassen. Dazu hat er entsprechende Texte ins Netz gestellt. Der Tenor: Wir sind jetzt über Berlin gekommen und jagen euch alle weg. Das alles bewegt sich weit außerhalb der demokratischen Grundordnung.

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Muss eine Demokratie das nicht aushalten können?

Man hat aus der Nazi-Zeit gelernt und unsere Verfassung zum Glück diktaturresistent ausgestaltet. Deswegen gibt es die Möglichkeit, Parteien zu verbieten. Die Demokratie schützt sich so selbst davor, in eine Diktatur verwandelt zu werden. Ich bin Juristin und gewählte Abgeordnete, ich habe mir über Jahre, auch als Vorsitzende von Untersuchungsausschüssen, meine Meinung zur AfD gebildet. Andere können eine andere haben. Für mich ist die Zeit reif, dass das Bundesverfassungsgericht über ein AfD-Verbot, zumindest in Thüringen, entscheidet.

2017 scheiterte ein Verbotsverfahren gegen die NPD. Warum sollte es bei der AfD anders laufen?

Die NPD ist für völkische Positionen, die heute auch die AfD vertritt, zur verfassungsfeindlichen Partei erklärt worden. Und das NPD-Verbot ist nur gescheitert, weil die Partei aus Sicht des Gerichts zu klein war, um dem Staatswesen tatsächlich zu schaden. Das ist bei der AfD anders: Sie trommelt sehr laut, auch mithilfe von sozialen Medien, und ist so eine reele Gefahr für die Demokratie.

Welche Folgen hätte ein Verbot?

Im Netz wird mir vorgeworfen, dass ich die AfD-Politiker alle ins Gefängnis sperren will. Darum geht es gar nicht. Wir sind hier nicht in Russland. Herr Höcke und seine Anhänger können weiter ihre Positionen vertreten. Aber die staatliche Finanzierung dieser Partei muss enden. Herr Höcke, der diesen Staat am liebsten abschaffen will, wird auf Staatskosten mit der Dienstlimousine und Personenschutz vom Landeskriminalamt zu seinen Demonstrations-Auftritten gefahren. Das ist absurd! Es darf kein staatliches Stipendium für seine Umsturzpläne geben.

Mit einem Verbot würde der AfD nicht nur die Finanzierung gestrichen. Sie dürfte auch nicht mehr bei Wahlen antreten. In Thüringen aber ist die AfD derzeit die stärkste Partei, knapp 30 Prozent würden ihr Kreuzchen bei der AfD setzen. Haben Sie nicht Sorge vor noch größerem Politikverdruss, Unruhen und Protesten?

Nein. Das Treiben der AfD aus Sorge vor Protesten weiter hinzunehmen, ist für mich keine Alternative. Dadurch ändert sich nichts. Harte Maßnahmen aber können etwas ändern. Seitdem der Verfassungsschutz die AfD in Thüringen als rechtsextremistisch eingestuft hat, müssen Funktionäre und Mitglieder, die beim Staat beschäftigt sind, mit dienstrechtliche Konsequenzen rechnen. Danach sind in Thüringen zwei Polizisten, die auf der Thüringer Landesliste standen, aus der AfD ausgetreten.

Wie stark ist die Tendenz, die Sie bei der AfD in Thüringen wahrnehmen, auf Bundesebene?

Man hat Herrn Höcke einst mit Rauswurf aus der AfD gedroht, man hat Distanzierungen von ihm gefordert – aber das ist alles nicht passiert. Stattdessen hat Höcke seine Leute beim Parteitag im Juni in großer Zahl im AfD-Bundesvorstand platziert. Die Bundespartei ordnet sich ihm zunehmend unter. Auch ein Verfahren für ein Verbot der Bundespartei wäre ein guter Schritt. Aber man sollte erst mal mit der braunsten Stelle anfangen – und das ist der Landesverband Thüringen.

Wie kann so ein Verbotsverfahren auf Landesebene aussehen?

Es muss nicht zwingend der Bund aktiv werden. Auch eine Landesregierung kann ein Verbotsverfahren für ein Parteiverbot auf Landesebene anstrengen.

Würde die AfD aus dem Landtag fliegen, hätte das auch Vorteile für Ihre Partei, die SPD.

Das ist nicht mein Antrieb. Ich werde bei der nächsten Landtagswahl auch nicht mehr antreten, das steht schon fest. Persönlich profitieren würde ich von einem Verbot also definitiv nicht.

Sollte man nicht mildere Mittel wählen und die Menschen anders aufklären – zum Beispiel durch Bildungsinitiativen?

Die AfD-Antreiber in Thüringen, die ich kennengelernt habe, reagieren auf so etwas nicht. Die haben Vorstellungen, die weit außerhalb der demokratischen Ordnung liegen. Denen kann ich nicht sagen: Geh mal in die Volkshochschule und lass dir erklären, wie schlimm das war in der Nazi-Zeit. Das fruchtet nicht. Das kann die Zivilgesellschaft allein nicht mehr richten, da braucht es administrative Maßnahmen.

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Besteht nicht die Gefahr, dass die AfD sich nach einem Verbot im Untergrund weiter radikalisieren würde?

Die NPD hat sich damals auch gegen das befürchtete Verbot gewappnet und den III. Weg gegründet. Natürlich kann das bei der AfD auch passieren. Dann gibt es aber weitere Gesetze und Möglichkeiten, bis hin zur Terrorismusbekämpfung. Die Sorge vor einer Neugründung unter neuem Namen darf kein Grund sein, dass die Demokratie sich weiter auf der Nase herumtanzen lässt.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Dorothea Marx
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