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Lehrer-Präsident: "Die Impfpflicht ist ein Ablenkungsmanöver"


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Lehrer-Präsident Meidinger
"Die Impfpflicht ist ein Ablenkungsmanöver"

InterviewVon Sebastian Späth

Aktualisiert am 12.11.2021Lesedauer: 4 Min.
Heinz-Peter Meidinger: Der Lehrerverbandspräsident spricht sich gegen eine Impfpflicht für Lehrkräfte aus.Vergrößern des Bildes
Heinz-Peter Meidinger: Der Lehrerverbandspräsident spricht sich gegen eine Impfpflicht für Lehrkräfte aus. (Quelle: dpa)
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Die Corona-Zahlen unter Schülerinnen und Schülern steigen dramatisch. Trotzdem sind noch immer nicht alle Lehrkräfte geimpft.

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina spricht sich dafür aus, die Corona-Impfung für bestimmte Berufe wie Pfleger oder Lehrer verpflichtend zu machen. Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Lehrerverbandes, hält das für den falschen Weg und wirft der Politik fahrlässige Untätigkeit vor.

t-online: Herr Meidinger, die Leopoldina, eines der wichtigsten Beratergremien der Bundesregierung in der Corona-Krise, hat sich in dieser Woche für eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen ausgesprochen. Darunter Lehrerinnen und Lehrer. Wie stehen Sie zu dieser Empfehlung?

Heinz-Peter Meidinger: Der deutsche Lehrerverband ist gegen eine Impfpflicht für Lehrkräfte. So eine Impfpflicht wäre ein tiefgreifender Eingriff ins Persönlichkeitsrecht und nur dann gerechtfertigt, wenn es keine alternativen Eindämmungsmaßnahmen gegen Corona an Schulen gäbe. Wir haben unter Lehrkräften eine sehr hohe Impfquote von rund 95 Prozent, das ergab kürzlich eine repräsentative Befragung. Für die wenigen Ungeimpften sollte die 3G-Regel am Arbeitsplatz greifen, die müssen sich eben jeden Tag testen lassen.

Einer Impfpflicht gegen Masern für Lehrkräfte haben Sie als Verband vor zwei Jahren aber zugestimmt. Wo liegt der Unterschied zu Corona?

Damals hat eine Zunahme der Todesfälle durch Masern zu unserer Befürwortung geführt. Der Unterschied ist aber: Im Umgang mit den Masern gibt es eine jahrzehntelange Erfahrung, darum war auch die Akzeptanz für die Impfung so groß. Im Umgang mit Corona gibt es in der Bevölkerung bei einigen ungeachtet des wissenschaftlich erwiesenen Nutzens noch große Bedenken. Deshalb halte ich es für falsch, jetzt mit Gewalt eine Impfpflicht durchzusetzen.

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Wie bei den Masern spricht aber auch bei Corona das Risiko eindeutig für eine Impfpflicht: Ungeimpfte Lehrkräfte gefährden nicht nur sich selbst, sondern tragen die Viren auch in andere Klassen und nach außen.

Wir empfehlen als Lehrerverband dringend allen Lehrkräften, sich impfen zu lassen. Die entscheidende Frage ist aber doch: Brauchen wir dafür eine Impfpflicht oder ist es an den Schulen möglich, auch mit einer Erweiterung der bestehenden Regeln Schüler vor Infektionen durch Lehrkräfte zu schützen und zu gewährleisten, dass ungeimpfte Lehrkräfte die Viren nicht nach außen tragen? Ich glaube, das ist möglich mit der Kombination aus der sehr hohen Impfquote unter Lehrerinnen und Lehrern und täglichen Tests für die wenigen Ungeimpften. Diese 3G-Regel ist ein gutes Alternativkonzept.

Sie halten die aktuelle Debatte also für überzogen?

Die Impfpflicht-Debatte halte ich für ein Ablenkungsmanöver, um die Untätigkeit der Politik zu kaschieren. Wenn wir in der jetzigen Phase der vierten Welle flächendeckend Raumluftfilter an Schulen, wenn wir überall engmaschige Testkonzepte hätten, wenn mehr niedrigschwellige Impfangebote für die Schülerinnen und Schüler verfügbar wären, die sich vom Alter her schon impfen lassen können, und vor allem, wenn es wieder überall eine Maskenpflicht gäbe an den Schulen, dann wäre das ein weitaus größerer Beitrag zur Sicherheit, als jetzt zu versuchen, die wenigen ungeimpften Lehrer mit gesetzlichem Zwang impfen zu lassen.

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Bei der Pflicht zum Tragen einer Maske für Schülerinnen und Schüler sind Sie rigoroser als bei der Impflicht für Lehrkräfte und fordern deren bundesweite Wiedereinführung. Messen Sie als Präsident des Lehrerverbandes mit zweierlei Maß?

Man muss da schon die Eingriffstiefe unterscheiden. Und momentan ist eine Maskenpflicht das einzige Mittel, Kinder unter 12 Jahren zu schützen. Selbst wenn alle Lehrer geimpft wären, könnten wir nicht auf Masken verzichten, weil sich das Infektionsgeschehen vorrangig innerhalb der ungeimpften Kinder und Jugendlichen abspielt. Natürlich ist die Maske in gewisser Weise eine Belastung, es ist aber eine Güterabwägung. Welche Einschränkungen sind notwendig, um Schulen offen halten zu können?

Die Gegenseite argumentiert, stundenlanges Maskentragen sei für Kinder eine Tortur.

Die Kinder nehmen es lockerer, als manche Außenstehende meinen. Die militanten Maskengegner sind auch meist nicht die direkten Erziehungsberechtigten, im Gegenteil. Als Lehrerverband erreichen uns derzeit erheblich mehr Nachrichten von Eltern, die sich Sorgen machen, dass der Gesundheitsschutz ihrer Kinder nicht hoch genug sei.

Viele Sicherheitsmaßnahmen an Schulen sind zwar angekündigt, aber noch nicht umgesetzt worden. Nimmt die Politik mit ihrer Untätigkeit eine Durchseuchung an den Schulen in Kauf?

Die Politik nimmt vor allem die ungeimpften Erwachsenen in den Blick. Aber das Infektionsgeschehen macht ja keinen Unterschied zwischen Generationen. Eine politische Strategie nach dem Motto, bei den Schulen machen wir nichts, da riskieren wir eine Durchseuchung, weil die Kinder nicht schwer erkranken können, die wird nicht aufgehen. Wir haben vielleicht weniger schwere Erkrankungen, aber bei rund 7 Millionen ungeimpften Schülern haben wir dann wohl trotzdem Zehntausende Hospitalisierungen. Nicht zu reden von den Long-Covid-Fällen. Und man muss auch den Schutz der anderen bedenken.

Was meinen Sie genau?

Ich gebe Ihnen ein aktuelles Beispiel aus einer Schule, das an mich herangetragen wurde: Da hat ein ungeimpfter Vater seinen Sohn infiziert, der wiederum hat drei Mitschüler angesteckt, die dann wiederum einen Teil ihrer Familien angesteckt haben, darunter auch einen Großvater, der bereits geimpft war. Schulen sind also immer Teil eines umfassenden Infektionsgeschehens. Das kann man von der Gesamtgesellschaft nicht abtrennen.

Wenn das Infektionsgeschehen weiter außer Kontrolle gerät, stehen wir erneut vor der Wahl zwischen Durchseuchung oder Isolation der Kinder durch Schulschließungen. Wofür plädieren Sie?

Wir wollen ein bundeseinheitliches Regelwerk, das vorgibt, ab welchem Infektionsgeschehen an den Schulen welche Maßnahmen notwendig sind. Eine Art Ampel, die die altersspezifischen Inzidenzen, die Impfquoten, die Quarantänezahlen und weitere Faktoren berücksichtigt. Da könnte es auch eine dunkelrote Ampelfarbe geben, die signalisiert, dass nur durch die Wiederherstellung des Mindestabstands das Infektionsgeschehen an Schulen in einer Region noch abgebremst werden kann. Das hieße dann Wechselunterricht, den wir aber möglichst nicht mehr haben wollen. Deshalb sollte die Politik jetzt und nicht erst morgen handeln.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Interview mit Heinz-Peter Meidinger
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