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Corona-Infektionen in Europa: Das muss Deutschland eine Warnung sein


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Corona-Infektionen in Europa
Das muss Deutschland eine Warnung sein


10.03.2021Lesedauer: 5 Min.
Mailand: Das italienische Militär hilft bei Corona-Impfungen.Vergrößern des Bildes
Mailand: Das italienische Militär hilft bei Corona-Impfungen. (Quelle: imago-images-bilder)

In Europa gehört Deutschland zu den Ländern mit den geringsten Corona-Neuinfektionen. Andere haben längst mehr gelockert. Agiert die deutsche Politik zu zögerlich? Einige Beispiele aus dem Ausland sprechen dagegen.

Deutschland konnte sich im Verlauf der Corona-Pandemie zunächst darüber freuen, dass es im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn später dran war. Die erste Infektionswelle traf Italien, Frankreich oder Großbritannien früher als die Bundesrepublik. Das brachte der Politik wichtige Zeit zur Vorbereitung.

Im Jahr 2021 ist Deutschland immer noch "spät dran", aber das ist längst kein Vorteil mehr. Die Impfkampagne lief schleppend an, eine bundesweite Schnellteststrategie ist bislang nicht umsetzbar und die deutsche Bevölkerung verharrt größtenteils im Lockdown.

Andere Länder haben ihre Corona-Maßnahmen schon vor Wochen massiv gelockert. Ihr Plan: Nachdem die Risikogruppen geimpft wurden, lassen sie das Coronavirus die Bevölkerung vermehrt durchseuchen. Doch funktioniert das kontrolliert angesichts der Gefahr durch die britische Mutation B.1.1.7, die ansteckender und tödlicher ist – und in Europa mittlerweile die dominierende Variante?


Vor dem nächsten Bund-Länder-Gipfel am 22. März – und möglichen Lockerungen über Ostern – sollten die Regierungschefs ganz genau ins europäische Ausland schauen.

Im europäischen Vergleich lässt sich die Bekämpfung der Pandemie momentan in vier Fraktionen einteilen – mit unterschiedlichen Effekten. Ein Überblick:

1. Die Vorsichtigen – Beispiel: Deutschland, Dänemark

Im Angesicht der dritten großen Corona-Welle agieren Länder wie Deutschland oder Dänemark sehr vorsichtig. Die deutsche Politik hat zwar auf dem letzten Bund-Länder-Gipfel eine Öffnungsstrategie erarbeitet, aber große Lockerungen der Maßnahmen sind erst möglich, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner unter 50 liegt.

Das sorgt dafür, dass eine Rückkehr zur Normalität momentan eher utopisch wirkt, zumal im Land zu langsam geimpft wird und noch keine bundesweite Teststrategie umgesetzt werden konnte.

Ähnlich vorsichtig tastet sich Dänemark an Lockerungen heran. Die Regierung sieht dank einer Stabilisierung der Corona-Lage erst jetzt Spielraum für mehr Lockerungen. Der R-Wert liege nun bei 1,0 und das bedeute, dass das Infektionsgeschehen nicht zunehme, teilte Gesundheitsminister Magnus Heunicke auf Twitter mit. "Damit haben wir die Grundlage für eine weitere kontrollierte Öffnung."

Dänemark hatte erst ab März den Einzelhandel wieder eingeschränkt geöffnet. Trotz Lockerungen habe sich die Lage nicht verschlechtert, obwohl die als infektiöser geltende britische Virusvariante inzwischen bei etwa 80 Prozent aller positiven Tests gefunden worden sei, so Heunicke.

Dänemark kann sich zudem weitere Lockerungen erlauben, da schneller geimpft wird als in Deutschland. Außerdem gibt es in Dänemark eine funktionierende Teststrategie mit mehr Freiheiten für Negativ-Getestete.

Sieben-Tage-Inzidenz: Deutschland 65, Dänemark 76

2. Dauerhaft im Teil-Lockdown – Beispiele: Frankreich, Österreich

Frankreich blieb in diesem Winter bei einer Teil-Lockdown-Strategie: Geschäfte und Schulen blieben geöffnet, trotz der geografischen Nähe zu Großbritannien und der britischen Mutation. Auch die Impfkampagne lief in dem Land schleppend an, es hat eine niedrigere Impfquote als Deutschland. Die Infektionszahlen blieben die letzten zwei Monate konstant auf einem hohen Niveau, explodierten aber nicht, wie beispielsweise in Großbritannien. Lokal wird mit Ausgangsbeschränkungen auf rasante Anstiege reagiert.

Diese Strategie schont zwar vergleichsweise die Wirtschaft – vor allem den Einzelhandel –, aber die Krankenhäuser in Metropolen wie Paris geraten zunehmend an ihre Belastungsgrenze und müssen Operationen verschieben.

Österreich hat schon vor einem Monat Lockerungen beschlossen. Geschäfte konnten im normalen Regelbetrieb öffnen, auch Schulen laufen mit Präsenzunterricht. Aber für den Besuch in Geschäften oder beim Friseur ist ein negativer Corona-Test Voraussetzung. Die Tests gibt es in Apotheken und Testzentren kostenlos. Die Gastronomie blieb allerdings auch in der Alpenrepublik für Besucher geschlossen.

(Corona-Tote in den letzten 14 Tagen im europäischen Vergleich)

Mit den Lockerungen regierte die österreichische Regierung auf den zunehmenden Unmut der Bevölkerung und auf große Protestbewegungen gegen die Corona-Maßnahmen – allein vergangenen Samstag demonstrierten Tausende in Wien.

Trotzdem hat sich die Sieben-Tage-Inzidenz in Österreich seit Beginn der Lockerungen fast verdoppelt. Die Regierung möchte mit lokalen Maßnahmen darauf reagieren. Kanzler Sebastian Kurz nannte den Anstieg der Corona-Infektionen am Dienstag in der ARD eine "erwartbare Entwicklung". Noch sei die Zunahme der Infektionen aber kontrollierbar.

Sieben-Tage-Inzidenz: Frankreich 228, Österreich 184

3. Die Risikobereiten – Beispiel: Italien

Schon seit Herbst setzt Italien auf ein Corona-Ampelsystem. Für die Ermittlung der Gefahrenstufen ist nicht nur die Sieben-Tage-Inzidenz ausschlaggebend, sondern auch die Intensivbettenauslastung und der R-Wert. Nach insgesamt 21 Kriterien wurde das Land in rote, gelbe und grüne Zonen aufgeteilt.

Anfang des Jahres wurde fast flächendeckend ein "geringes Infektionsrisiko" (gelb) festgestellt, trotz einer Inzidenz von 140. Seit Anfang Februar wurden deswegen die Corona-Maßnahmen gelockert: Schulen unterrichteten im Präsenzunterricht, Geschäfte öffneten, Restaurants konnten bis 18 Uhr besucht werden und auch Museen empfingen wieder Besucher. Anders als in Österreich ist das aber nicht durch mehr Tests abgesichert worden.

Die Folge: Da sich auch in Italien die britische Mutation durchsetzte, stiegen die Infektionszahlen seit Ende Februar rasant an. Die Gesundheitsbehörden in Italien meldeten am Sonntag fast 21.000 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden. Deshalb ging die Ampel in einigen Regionen wieder auf rot, Lockerungen wurden zurückgenommen.

Sieben-Tage-Inzidenz: Italien 240

4. Die Chancenlosen – Beispiel: Osteuropa

Während im Westen und Süden Europas über Lockerungen diskutiert wird, ist das momentan in Osteuropa kein Thema. In vielen Ländern stieg die Zahl der Corona-Infektionen rasant an. Tschechien ist momentan der europäische Corona-Hotspot mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 780. Trotzdem wird auch dort für Lockerungen demonstriert.

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Polen hält Lockerungen erst im Mai für denkbar, sollte das Land den Scheitelpunkt einer dritten Infektionswelle im März und April erreicht haben. Dann werde man sicher einen Pfad zum Abbau von Beschränkungen vor sich haben, sagt Gesundheitsminister Adam Niedzielski. Die Zahl der Neuinfektionen werde am Donnerstag wohl bei 15.250 liegen, fügt er hinzu. Die Zahlen zeigten, dass die dritte Welle an Fahrt gewinne, hatte Niedzielskis Stellvertreter Waldemar Kraska gesagt. Polen hatte im Februar einige Beschränkungen gelockert, allerdings angekündigt, diese wieder zurückzunehmen, sollte sich die Lage verschlechtern.

Weitere Sieben-Tage-Inzidenzen: Estland 730, Polen 241

Der Überblick zeigt, dass es momentan ein sehr unterschiedliches Infektionsgeschehen in den Ländern Europas gibt. Deutschland liegt geografisch im Zentrum des Kontinents und muss momentan allein aufgrund der Grenzen zu Polen und Tschechien vorsichtiger sein. Außerdem steht fest: Die Corona-Mutationen werden sich auch auf dem europäischen Kontinent durchsetzen, was die Gefahr einer dritten Welle mit erneutem unkontrolliertem, exponentiellem Wachstum zusätzlich erhöht.

Italien lockerte die Corona-Maßnahmen voreilig – und muss nun zurückrudern. Dieses Szenario befeuert nicht nur die Wut der Menschen, es besorgt auch Virologen. Sie warnen, dass ein weiterer harter Lockdown nötig werden könnte.

Das stellt die deutsche Politik vor ein Dilemma: Sie muss einer müden Gesellschaft einen vorsichtigen Lockerungskurs verkaufen, möglichst ohne falsche Hoffnungen zu wecken. Als Folge gibt es nun zwar eine Öffnungsstrategie für Deutschland, die aufgrund der noch immer zu hohen Sieben-Tage-Inzidenz kurzfristig jedoch nicht greifen wird. Der Blick ins Ausland zeigt: In diesem Fall könnte es sich auszahlen, dass Deutschland mal wieder spät dran ist.

Verwendete Quellen
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