"Ich könnte platzen" Maskenaffäre: Wut und Fassungslosigkeit in der Union
Auch CDU-Abgeordneter Nikolas Löbel soll aus Schutzmasken in der Pandemie Profit geschlagen haben. Aus einem Ausschuss hat er sich zurückgezogen. Doch vielen in seiner Partei ist das wohl nicht genug.
In der Affäre um Geschäfte von Bundestagsabgeordneten der Union bei der Beschaffung von Corona-Masken wächst der Druck auf den CDU-Politiker Nikolas Löbel. Die baden-württembergische CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann fordert ihren Parteifreund indirekt zum Rückzug auf. "Es ist inakzeptabel, wenn sich Parlamentarier in dieser schweren Krise mit der Maskenbeschaffung bereichern", sagte Eisenmann, Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der Landtagswahl in einer Woche, dem "Spiegel". "Das erschüttert das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie. Ich erwarte, dass der Betroffene den Sachverhalt aufklärt und die nötigen Konsequenzen daraus zieht."
Ähnlich scharf kritisierte Dennis Radtke, Mitglied des Europäischen Parlaments für die CDU, Löbels Vorgehen auf Twitter: Er komme aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. "250.000 Euro marktüblich. Sagt ein 34 jähriger. Gibt Ausschuss ab und dann ist alles ok für ihn. Da haut es dich weg". Dem ZDF gegenüber wurde Radtke noch deutlicher: "Ich könnte platzen vor Wut", sagte er.
Baden-Württembergs CDU-Generalsekretär Manuel Hagel schrieb bei Twitter mit Blick auf die Geschäfte: "Es beschämt mich!" Bei der Bewältigung der Corona-Krise trügen Politiker eine besondere Verantwortung. "Wer sich mit lebensnotwendigen Gütern wie Masken die eigenen Taschen vollmacht, vertritt nicht das Volk, sondern niederste Interessen."
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"Zutiefst unanständig"
Der Mannheimer CDU-Abgeordnete Löbel hatte am Freitag eine Beteiligung an Geschäften mit Corona-Schutzmasken bestätigt. Löbels Firma hat demnach Provisionen von rund 250.000 Euro kassiert, weil sie Kaufverträge über Masken zwischen einem baden-württembergischen Lieferanten und zwei Privatunternehmen in Heidelberg und Mannheim vermittelt hatte. Löbel bezeichnete die Summen zunächst als "nach dem Marktüblichen bemessene Vergütung", räumte dann Fehler ein und zog sich aus dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestags zurück. Aus der Union wächst nun aber der Druck, Löbel müsse auch seine Kandidatur für den nächsten Bundestag so schnell wie möglich zurückzuziehen.
Die Führung der Unionsfraktion hatte Geschäfte von Abgeordneten bei der Maskenbeschaffung bereits am Freitag scharf verurteilt. "Ein Tätigwerden im Rahmen des Mandats darf nicht mit persönlichen finanziellen Interessen verbunden werden", schrieben Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt an alle Abgeordneten der Union. "Wir sagen daher sehr deutlich, das Beziehen von Geldleistungen für die Vermittlung von medizinischer Schutzausrüstung im Rahmen der Pandemiebekämpfung von Abgeordneten stößt auf unser vollkommenes Unverständnis und wird von uns entschieden verurteilt."
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak schrieb auf Twitter: "Ich empfinde es als zutiefst unanständig, dass sich Parlamentarier mit der Masken-Beschaffung in der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg bereichert haben." Auch CSU-Generalsekretär Markus Blume reagierte mit scharfer Kritik auf die Masken-Geschäfte. "Es ist empörend, wenn Abgeordnete die Not zum Geschäft machen", sagte Blume dem "Münchner Merkur". "Dies widerspricht den Werten der CSU fundamental."
Löbel kassierte laut Unternehmen Provision von 25 Prozent
Geld für die Vermittlung von Schutzmasken zu erhalten, sei für Bundestagsabgeordnete nicht per se unzulässig, erklärte der Staatsrechtler Markus Ogorek von der Universität Köln. Dies gelte aber nur, "solange das Verhalten nicht auf die Förderung der eigenen, persönlichen Interessen abzielt". Der Rechtsexperte geht davon aus, dass Löbels Verhalten als Verstoß gegen die Verhaltensregeln für Mitglieder des Bundestages anzusehen sei.
Zu Löbels Geschäftspartnern gehörte unter anderem die Seniorenheim-Kette Avendi, die der Zeitung "Mannheimer Morgen" zufolge etwa 100.000 Masken für 60.000 Euro gekauft habe. Löbels Provision habe laut einem Unternehmenssprecher 25 Prozent betragen. Der Zeitung zufolge erwartet die CDU Nordbaden von Löbel, die eingenommenen Gelder für die Maskenvermittlung an eine gemeinnützige Einrichtung zu spenden.
Am Freitag kündigte außerdem der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein, der im Zusammenhang mit dem Ankauf von Corona-Schutzmasken unter Korruptionsverdacht steht, seinen Rückzug aus der Politik an. Er werde sein derzeit ruhendes Amt als stellvertretender Unionsfraktionschef niederlegen und bei der Bundestagswahl im September nicht mehr kandidieren, ließ Nüßlein über seinen Rechtsanwalt in München erklären. Die Generalstaatsanwaltschaft München ermittelt wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit. Nüßlein soll sich für einen Maskenkauf eingesetzt haben, für den 660.000 Euro Provision an eine Firma gingen, an der er selbst beteiligt sein soll.
Weitere CDU-Abgeordnete sollen laut "Spiegel" für Firmen oder Lieferanten von Masken geworben haben. Sie bestreiten mit Ausnahme von Löbel demnach jedoch, Gegenleistungen erhalten zu haben.
Bartsch: "Dass Abgeordnete der Union so gierig und ehrlos sind"
Die SPD dringt auf weitere Aufklärung in der Union. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans nimmt dabei auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn in die Pflicht. "Jeder Anschein von Vetternwirtschaft ist Gift für das so notwendige Vertrauen der großen Mehrheit in die politische Führung. Deshalb müssen die Ungereimtheiten bei der Maskenbeschaffung restlos aufgeklärt werden", sagte Walter-Borjans den Sendern RTL. "Da stehen der Bundesgesundheitsminister, aber auch die Bundeskanzlerin in der Verantwortung", fügt der SPD-Co-Vorsitzende in dem am Samstag veröffentlichten Interview hinzu.
Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, nahm den Unionsfraktionschef in die Pflicht. "Ralph Brinkhaus muss umgehend reinen Tisch machen und erklären, wie viele Mitglieder seiner Fraktion sich in der Krise eine goldene Nase verdient haben oder dies versucht haben", sagte Bartsch den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Außerdem solle das Gesundheitsministerium "jegliche Kommunikation offenlegen, die in der Pandemie zwischen Abgeordneten, Wirtschaft und Ministerium stattgefunden hat".
Bartsch betonte: "Dass Abgeordnete der Union so gierig und ehrlos sind, sich persönlich an dieser Krise zu bereichern, ist unanständig." Den Verzicht des CSU-Bundestagsangeordneten Georg Nüßlein auf eine neuerliche Kandidatur für den Bundestag wertete er als "klares Schuldeingeständnis".
- Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
- Twitterprofil von Dennis Radtke