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Corona-Lockerungen – Angela Merkel: "Der Frühling 2021 wird anders sein"


Opposition kritisiert Beschlüsse
Kehrtwende in der Corona-Politik: "Der Frühling 2021 wird anders sein"

Von dpa
Aktualisiert am 04.03.2021Lesedauer: 5 Min.
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"Frühling 2021 wird anders sein": Nach den Bund-Länder-Beratungen kündigte Angela Merkel weitere Öffnungsschritte an – auch für den Einzelhandel. (Quelle: Reuters)

Hoher Erwartungsdruck in Richtung Lockerungen einerseits, steigende Infektionszahlen und Virusvarianten andererseits. Es dauert lange, bis ein Gipfelergebnis vorliegt. Schnell stößt der neue Öffnungsplan jedoch auf Kritik.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder haben am Mittwoch über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise beraten. Nach drei Monaten Lockdown in Deutschland werden Lockerungen in Aussicht gestellt. Am Abend unterbrachen Bund und Länder die Beratungen zwischenzeitlich wegen vieler Uneinigkeiten. Nun stehen die Beschlüsse fest.

Der Lockdown zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in Deutschland wird angesichts weiter hoher Infektionszahlen grundsätzlich bis zum 28. März verlängert. Allerdings soll es je nach Infektionslage viele Öffnungsmöglichkeiten geben. Anders als bisher vorgesehen sollen Lockerungen nicht mehr an eine Sieben-Tage-Inzidenz von 35 geknüpft werden. Stattdessen wurde ein Stufenplan beschlossen, der Öffnungen schon bei einer Inzidenz von 50 und sogar 100 vorsieht.

Merkel habe dem nur zustimmen können, weil eine "Notbremse" beim Wert 100 eingezogen worden sei, betonte sie nach den Beratungen. Man komme nun in eine "neue Phase der Pandemie". Stecken sich mehr als 100 Personen pro 100.000 Menschen in einer Woche mit dem Coronavirus an, müssen nach dem Beschluss Lockerungsschritte wieder zurückgenommen werden.

Deutschland habe Stärke gezeigt in seiner Reaktion auf die zweite Welle. "Und jetzt liegt die Aufgabe der Politik darin, die nächsten Schritte klug zu gehen. Es sollen Schritte der Öffnung sein und gleichzeitig Schritte, die uns in der Pandemie nicht zurückwerfen dürfen." In Europa gebe es viele Beispiele für eine "dramatische dritte Welle", sagte die Kanzlerin. "Diese Gefahr, da dürfen wir uns nichts vormachen, besteht auch für uns." Merkel betonte aber: "Der Frühling 2021 wird anders sein als der Frühling vor einem Jahr." Inzwischen habe man bei der Bekämpfung der Pandemie zwei starke Helfer: die Impfstoffe und die erweiterten Testmöglichkeiten.

Merkel: Tests sollen Öffnungsschritte absichern

Die Kanzlerin machte deutlich, dass die Impfkampagne beschleunigt werden solle. "Wir glauben, dass wir hier noch Steigerungspotenzial haben", sagte sie. Vereinbart wurde, dass Ende März/Anfang April die haus- und fachärztlichen Praxen umfassend in die Impfkampagne eingebunden werden. Kostenlose Schnelltests – mindestens einer pro Woche für jeden Bürger – sollen von nächster Woche an kommen. Der Bund will die Kosten übernehmen. Bund und Länder erwarten zudem, dass auch Unternehmen als gesamtgesellschaftlichen Beitrag ihren in Präsenz Beschäftigten pro Woche das Angebot von mindestens einem kostenlosen Schnelltest machen.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnte: "Wir haben die zweite Welle besiegt, und die dritte Welle rollt." Die Gefahr und Dimension der dritten Welle hänge von jedem Einzelnen ab. "Deshalb müssen wir sehr aufpassen, dass wir nicht unbedacht in den nächsten großen Lockdown kommen. Wenn viele über Ostern reden, dann haben wir Ostern entweder eine schöne Zeit oder vielleicht den nächsten Lockdown." Deshalb habe man jetzt "einen Dreiklang aus Vorsicht, Vertrauen und Verantwortung" beschlossen. Eine besondere Kontaktregelung für Ostern wurde nicht beschlossen.

Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD) betonte, man sei vielleicht in der "sensibelsten Phase" der Pandemiebekämpfung. "Es ist keine Zeit der einfachen Antworten. Es geht nicht mehr um Aufmachen oder Zumachen, sondern es geht darum, wie wir sehr besonnen mit dieser Situation umgehen."

Kritik bei den Themen Impfen und Testen

Die Kanzlerin sprach von harten Verhandlungen, in der sie am Ende akzeptierte, dass die erst am 10. Februar von den Ministerpräsidenten festgelegte Inzidenz von 35 zugunsten des Wertes 50, wegen der Ausbreitung der Virusvarianten, aufgeweicht wurde. "Es ist eine Phase, die ist mit viel Hoffnung verbunden", sagte sie zu den Öffnungsschritten.

Kritik gab es vonseiten der Länder am Bund bei den Themen Impfen und Testen. Bayerns Ministerpräsident kritisierte, dass Deutschland beim Vergleich mit anderen Staaten beim Impfen nicht gut abschneide und nicht ausreichend Schnelltests für einen flächendeckenden Einsatz zur Verfügung stünden. Berlins Bürgermeister Müller widersprach Berichten, dass der Impfstoff von Astrazeneca zu langsam verimpft werde – dies hatte zuvor Söder kritisiert.

Die Bund-Länder-Beratungen zeigten ungewöhnlich heftige Auseinandersetzungen zwischen Söder und dem Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Bei dem Punkt des Härtefallfonds für Firmen habe Scholz nach Angaben von Teilnehmern gesagt, dass es nur eine hälftige Finanzierung Bund-Länder und keinen anderen Deal geben könne. Darauf habe Söder gesagt, dass Scholz nicht Kanzler sei. "Da brauchen Sie nicht so schlumpfig zu grinsen. Das ist nicht Ihr Geld. Ihre Tonalität gefällt mir gar nicht", habe der CSU-Chef hinzugefügt. In der SPD wurde Söders Auftritt als "peinlich" bezeichnet. Söder fügte nach dem Treffen hinzu, dass Differenzen mit Scholz bereits beigelegt seien.

Das Land Sachsen sprach in einer Protokollerklärung davon, dass die Öffnungsschritte "nicht vertretbar" seien. Auch Hamburg hatte Vorbehalte geäußert. Der Deutsche Reiseverband (DRV) kritisierte die Corona-Beschlüsse. "Es ist inakzeptabel, dass wir aufgrund des Fehlen von Tests und des viel zu langsamen Impfprozesses gezwungen werden, weitere Monate im Lockdown zu verharren", sagte der DRV-Präsident Norbert Fiebig der Funke Mediengruppe.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet sieht einen Perspektivwechsel in der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Die Strategie heiße jetzt: Weg vom dauerhaften Schließen hin zu kontrollierter Sicherheit, sagte er am frühen Donnerstagmorgen in Düsseldorf. Auch der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) begrüßte die Beschlüsse. "Wir können das Land nicht über Monate hinweg im Dauerlockdown halten", erklärte Hans in der Nacht zum Donnerstag in Saarbrücken. Aus diesem Grund habe die Rund "behutsame Erleichterungen vereinbart, die mit einer Ausweitung der Tests verbunden sind".

Linken-Chef nennt Ergebnisse einen "Corona-Irrgarten"

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch kritisierte die Ergebnisse des Spitzengesprächs von Bund und Ländern scharf. In den Zeitungen der Funke Mediengruppe sprach Bartsch mit Blick auf den komplizierten Öffnungsfahrplan von einem "Corona-Irrgarten" und von "Inzidenz- und Lockerungswirrwarr". Dies werde "die Bürger und Bürgerinnen weiter verunsichern".

Dagegen habe "das Schlüsselthema des zügigen Impfens" eine zu geringe Rolle gespielt, sagte Bartsch weiter. "Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung beim Impfen, um den Lockdown dauerhaft hinter uns zu lassen", hob er hervor. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse dies zur Chefsache machen, damit nicht "bis Ostern über sechs Millionen Impfdosen rumliegen".

Unzufrieden mit den Beschlüssen äußerte sich auch FDP-Chef Christian Lindner. "Für die Bundesregierung bleibt offenbar der Lockdown das einzig denkbare Rezept", sagte er ebenfalls der Funke Mediengruppe. "Dabei wäre mit innovativen Konzepten mehr gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben möglich." Das beschlossene Angebot von einem Schnelltest pro Woche für alle kritisierte Lindner als "zu wenig".

Hausärzte-Verbandschef befürchtet "bürokratischen Overkill"

Um neben der Versorgung der Patienten auch die Impfungen sowie die zusätzlichen Testungen stemmen zu können, müsse jeglicher vermeidbarer Aufwand wegfallen, sagt der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, den Zeitungen der "Funke Mediengruppe". Er warnt, dass die Atteste, die die Hausärzte im Rahmen der Impfpriorisierung für Patienten ausstellen sollen, den Prozess enorm verlangsamten und "schnell zum bürokratischen Overkill" werden. Stattdessen könnten die Krankenkassen bei der Vorrangprüfung "durch ein flächendeckendes Einladungsverfahren" unterstützen.

Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund übt Kritik an der beschlossenen Teststrategie. Zu unkonkret sind die Beschlüsse zu Teststrategien in Bezug auf Schnell- und Eigentests", sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der Zeitung "Rheinische Post". "Zwar soll es flächendeckend für jeden Schnelltests geben, was richtig und gut ist. Allerdings ist es bedauerlich, dass es offenbar noch einige Wochen dauern wird, bis diese Instrumente flächendeckend in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen werden." Die Organisation liege bei den Ländern und Kommunen. "Wie sich die Eigentests in das System einfügen sollen, wie der Nachweis dokumentiert wird, wie lange er gewisse Zugänge ermöglichen soll, wird leider noch nicht beantwortet."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, afp und Reuters
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