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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Test verweigert Seniorenheim kündigt Putzfrau nach Corona-Demo fristlos
Der Rauswurf einer Seniorenheim-Mitarbeiterin bewegt viele Menschen: Samstags war sie bei Corona-Kundgebungen, montags meldete sie sich krank und wollte keinen Test machen. Bleibt da nur die fristlose Kündigung?
Mit einer hemdsärmeligen Kündigung für eine Teilnehmerin der Berliner Corona-Proteste am Wochenende sorgt ein Seniorenheim nördlich von Hamburg für Furore. Das "Haus Itzstedt" hat eine Mitarbeiterin fristlos rausgeworfen, nachdem sie am Montag einen Corona-Test verweigert hatte. Die Einrichtung mit Platz für 65 alte Menschen steht plötzlich im Zentrum eines gesellschaftlichen Konflikts. Sie wird überschüttet mit Reaktionen – zunächst negativen, inzwischen aber auch mit Glückwünschen und Danksagungen.
Öffentlich geworden ist der Rauswurf mutmaßlich durch die Betroffene selbst: Das Kündigungsschreiben tauchte in Gruppen auf, in denen sich "Coronarebellen" und "Querdenker" versammeln oder informieren. Die Adressangaben waren geschwärzt, aber der Nachname der Betroffenen ist erkennbar. Unter der fristlosen Kündigung sind Stempel, Name und Unterschrift lesbar.
Seit Montagabend erhält das Heim deshalb vernichtende Google-Bewertungen. "Gewalt gehört zur Routine", behauptet jemand. "Halten die Alten wie Hamster im Käfig", schreibt ein anderer Nutzer. Nachdem die Kampagne bekannt wurde, äußern sich nun aber auch zahlreiche Nutzer lobend.
Im Kollegenkreis Zustimmung zum Rauswurf
Die Leitung der familiengeführten Einrichtung war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Nach Informationen von t-online.de ist die Kündigung aber echt. Es handelt sich bei der Mitarbeiterin offenbar um eine Reinigungskraft. Im Heim soll die Entlassung von anderen Mitarbeitern mit großer Zustimmung aufgenommen worden sein.
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In dem Papier ist zu lesen, wie es dazu kam: Auf Facebook hatte die Mitarbeiterin demnach gepostet, dass sie an den Corona-Demos teilnimmt. Als die Frau sich dann am Montag mit Erkältungssymptomen krank meldete, forderte die Heimleitung einen Corona-Test. Die Frau verweigerte ihn – und bekam am gleichen Tag noch die fristlose Kündigung ins Haus.
Experte: Kündigung laienhaft – aber gerechtfertigt
"Solche Fälle werden wir künftig häufiger vor Arbeitsgerichten sehen", sagt Arnd Diringer, Jura-Professor an der Hochschule Ludwigsburg und dort Leiter der Forschungsstelle für Arbeitsrecht. Er meint: Die Kündigung sei laienhaft und ungeschickt formuliert – sie könne aber gerechtfertigt sein.
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Einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung habe das Heim: Es hat eine Schutzpflicht für die Bewohner, die eine Risikogruppe sind. "Was soll der Arbeitgeber machen, wenn jemand Patientenkontakt hat und sich trotz Anhaltspunkten für erhöhte Gefahr weigert, einen Test zu machen?", fragt Diringer.
Ein Arbeitgeber könne zwar nicht anlasslos von allen Mitarbeitern verlangen, sich testen zu lassen. "Hier gibt es aber konkrete Hinweise auf ein erhöhtes Infektionsrisiko", betont der Jurist. Die Frau klage schließlich über Symptome, nachdem sie bei einer risikoträchtigen Veranstaltung mit vielen Menschen war. "Das könnte auch eine Hochzeit oder eine Demo für Black Lives Matter gewesen sein", sagt Diringer.
Deshalb handele es sich auch nicht um eine "Gesinnungskündigung". Das behaupten in sozialen Netzwerken Nutzer, die dem "Querdenken"-Lager nahestehen. Eine solche Kündigung sei auch nicht zulässig, erläutert Diringer. "Was jemand außerdienstlich macht, geht den Arbeitgeber nichts an, so lange es sich nicht aufs Arbeitsverhältnis auswirkt."
Wahrscheinlich kommt's zum Vergleich
Aus juristischer Sicht stellt sich schließlich noch die Frage: Gab es keine andere Möglichkeit als die Kündigung? "Eine Abmahnung stellt hier das Problem nicht ab, wenn der Mitarbeiter sich beharrlich weigert", so Diringer.
Fraglich sei zudem, ob es einem Arbeitgeber zuzumuten sei, jemanden ordentlich zu kündigen, der während der Kündigungsfrist keine Arbeitsleistung erbringen könnte. Dafür spiele auch eine Rolle, wie lange die Mitarbeiterin bereits beschäftigt sei und wie das Verhältnis in der Vergangenheit war. Das sind Informationen, die aus der Kündigung nicht hervorgehen und die der Arbeitgeber nicht öffentlich machen darf.
Dass es bei der außerordentlichen Kündigung bleibe, ist laut Diringer eher unwahrscheinlich, wenn die Mitarbeiterin dagegen vorgehe: "Die meisten derartigen Kündigungsschutzprozesse enden mit einem Vergleich." Für beide Seiten geht es um viel Geld, wenn sich ein Prozess lange zieht.
Update, 3. September: Wie das ZDF berichtet, war die Reinigungskraft noch in der Probezeit. Die Heimleitung bestätigte das t-online, ohne weitere Angaben zu machen. "Für eine fristlose Kündigung ändert das aber nichts", erklärt Arbeitsrechtler Diringer. Für eine fristlose Kündigung müsse es auch in der Probezeit gleichermaßen einen wichtigen Grund geben.
In der Praxis sei es deshalb für Arbeitgeber meist sinnvoller, während der sogenannten Wartefrist ordentlich zu kündigen. Nach sechs Monaten - dieser Zeitraum wird als Wartefrist bezeichnet - greift für Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeitern das Kündigungsschutzgesetz, vorher nicht. Ein Kündigungsgrund muss in diesem Zeitraum für eine ordentliche Kündigung nicht vorliegen. Ist auch noch eine Probezeit vereinbart, dann verkürzt das die Kündigungsfrist noch auf zwei Wochen.
- Eigene Recherchen
- zdf.de: Gefeuert nach Demo-Teilnahme: Ist die Kündigung rechtens?