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Terror in Halle: Die Politik hat die Alarmzeichen zu lange ignoriert


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Rechtsterror in Halle
Die Politik hat die Alarmzeichen zu lange ignoriert

MeinungEin Gastbeitrag von Meron Mendel

Aktualisiert am 11.10.2019Lesedauer: 3 Min.
Trauernde stellen Kerzen vor die Synagoge in Halle: Es reicht nicht aus, sich nur zum Ziel zu setzen, das jüdische Leben in Deutschland mit Polizei und Stacheldraht zu schützen, meint unser Gastautor Dr. Meron Mendel.Vergrößern des Bildes
Trauernde stellen Kerzen vor die Synagoge in Halle: Es reicht nicht aus, sich nur zum Ziel zu setzen, das jüdische Leben in Deutschland mit Polizei und Stacheldraht zu schützen, meint unser Gastautor Dr. Meron Mendel. (Quelle: Hannibal Hanschke/Reuters-bilder)
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Was muss geschehen nach dem Rechtsterror von Halle? Die Politik will den Schutz der jüdischen Gemeinden erhöhen. Das reicht längst nicht, meint Meron Mendel.

Die Politik verspricht nach dem rechtsextremistischen Terroranschlag von Halle, die Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Gemeinden in Deutschland zu erhöhen. Dabei dürfte eigentlich niemand überrascht sein über die Gewalt, meint der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel. Es gebe eine Kontinuität rechten Terrors in Deutschland. Und mehr Polizei und Stacheldraht löse die eigentlichen Probleme nicht, schreibt Mendel in seinem Gastbeitrag für t-online.de.

Zwischenbilanz: Die Rechten haben gewonnen. Nicht nur auf der Straße, sondern auch und vor allem in unseren Köpfen. Ihre Logik hat gewonnen: die Logik, wonach Juden im normalen Alltag die Kippa verstecken, unter Polizeischutz und hinter Zäunen leben sollen. Diese Logik werden wir nicht allein dadurch durchbrechen, dass wir höhere Zäune, stärkere Türen und bessere Verstecke erhalten. Wir durchbrechen sie ausschließlich dann, wenn wir Verhältnisse schaffen, in denen dieser Schutz nicht mehr nötig ist.

Das Entsetzen und die Trauer über den Anschlag auf die Synagoge in Halle gehen durch alle Bevölkerungsschichten. Inbrünstig werden Solidaritätsbekundungen mit Juden vorgetragen, von Politikern aller Parteien. Diese entsetzliche Tat kann aber niemanden ernsthaft überraschen, der sich in den vergangenen Jahren mit rechter, rassistischer und antisemitischer Hetze und Gewalt beschäftigt hat.

Eine Kontinuität rechten Terrors

Der antisemitische und rassistische Anschlag von Halle steht in einer ungebrochenen Kontinuität rechten Terrors in Deutschland. Seit dem Mauerfall, an den in diesem Herbst erinnert wird, sind in Deutschland rund 200 Menschen durch Rechtsextremisten getötet worden, tausende Angriffe sind registriert. Spätestens seit Auffliegen des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) wissen wir, dass wir es mit gefestigten und hochorganisierten rechtsterroristischen Strukturen zu tun haben.

Der Autor Dr. Meron Mendel ist Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt. Sie engagiert sich unter anderem in der Extremismusprävention. Mendel hat Erziehungswissenschaften und Jüdische Geschichte in Israel und in Deutschland studiert.

Die Forderung nach besserem Polizeischutz für jüdische Einrichtungen wird von Juden und Nicht-Juden geteilt. Es ist natürlich verständlich, dass die Frage gestellt wird, warum die Synagoge an Yom Kippur nicht von der Polizei bewacht wurde. Hinter dieser Frage steckt aber schon die Resignation: Es ist inzwischen unvorstellbar geworden, dass ein jüdisches Gotteshaus ohne bewaffneten Schutz auskommt. Solche Angriffe werden zunehmend zur Normalität. Zur Erinnerung: Als 2014 ein Brandanschlag auf eine Synagoge in Wuppertal verübt wurde, nahm die Politik und die Öffentlichkeit diesen ohne besondere Regung zur Kenntnis. Die Richter empfanden diese Tat sogar als "nicht judenfeindlich".

Mehr Polizei, mehr Stacheldrähte

Mehr Polizeischutz, Stacheldrähte und Metalldetektoren – das wird in Zukunft noch stärker ein Teil des Alltags der Juden hierzulande sein. An dieser Feststellung kann inzwischen keiner zweifeln. Nachdem vor kurzem der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, Juden davon abriet, überall in Deutschland die Kippa zu tragen, liegt jetzt die Idee nah, alle Juden zu Selbstverteidigungskursen zu schicken.

Es ist kaum verwunderlich, dass die Perspektive eines Lebens unter ständiger Bedrohung – von alltäglichen Beschimpfungen bis hin zu Mordanschlägen – für viele Juden immer weniger attraktiv erscheint. Wir Juden stellen uns täglich die Frage, ob diese Bedingungen noch zumutbar sind oder nicht. Wann ist die Grenze überschritten, wann muss dies entschieden werden und wer entscheidet, was das bedeutet?

Viele Politiker versuchen gerade, sich mit Law-and-Order-Phrasen zu profilieren. Ich persönlich empfinde es aber nicht als Gewinn, nur unter hermetischen Sicherheitsbestimmungen am öffentlichen Leben teilnehmen zu können. Ich kann mich über das Versprechen sicherer Türen und höherer Mauern nicht freuen – schon gar nicht als letztes Ziel einer Politik gegen Antisemitismus. Auch die stärksten Sicherheitsmaßnahmen sind überwindlich. Sie nutzen wenig, wenn die Saat des Hasses jeden Tag neu aufgeht.

Den Nährboden bekämpfen

Das Ziel muss es sein, dass Juden und andere Minderheiten nicht mehr stärker gefährdet sind als andere Menschen. Wir müssen aus der Defensive in die Offensive gehen und konsequent gegen jegliche Form von Hass vorgehen, die den Nährboden für rechtsextreme Gewalt bereitet.

Statt jetzt den Hetzern von der AfD die Bühne zu bieten, wohlfeile Krokodilstränen über den Anschlag in Halle zu vergießen, muss ihre Mitschuld durch die Medien deutlich thematisiert werden. Nicht nur die Spitze des Eisbergs, wie der Attentäter Stephan B., sondern die ganze Bandbreite von "gemäßigten" AfD-Politikern, über den Höcke-Flügel bis hin zu White-Supremacy-Anhängern, muss effektiv bekämpft werden.

Dafür sind Politik, Justiz und Bildung gefordert. Es nutzt nichts, mehr Polizei aufzustellen, wenn in rechten Internetforen die Ideologie des Attentäters, das Märchen vom "Großen Austausch", jeden Tag aufs Neue bedient wird – und zwar auch unter "Gemäßigten".


Erst, wenn wir das Übel an der Wurzel packen, werden Juden und andere Minderheiten wieder ein wenig sicherer in diesem Land leben können.

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