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Islamverband in der Kritik | Ditib offenbart das ganze Integrations-Dilemma im Land


Islamverband in der Kritik
Ditib offenbart das ganze Integrations-Dilemma im Land

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

Aktualisiert am 21.09.2018Lesedauer: 5 Min.
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Die Zentralmoschee der Ditib in Köln: Der Verfassungsschutz prüft derzeit, ob die Ditib-Zentrale beobachtet werden soll.Vergrößern des Bildes
Die Zentralmoschee der Ditib in Köln: Der Verfassungsschutz prüft derzeit, ob die Ditib-Zentrale beobachtet werden soll. (Quelle: Archivbild/Guido Schiefer/imago-images-bilder)

Ditib soll Türken helfen, in Deutschland Wurzeln zu schlagen. Doch das Gegenteil ist der Fall – auch weil die Politik nichts dagegen tut. So geht es nicht weiter.

Die Ditib-Zentrale hat sich entschieden. Der größte deutsche Islamverein soll lieber ein Teil der Türkei in Deutschland sein, statt ein Teil Deutschlands mit türkischen Wurzeln. Wäre die Ditib ein Fußballspieler, würde sie zweifelsohne für die türkische Nationalmannschaft auflaufen.

Statt Frank-Walter Steinmeier oder Angela Merkel kommt nächste Woche somit passend Recep Tayyip Erdogan zur offiziellen Eröffnung der DITIB-Hauptmoschee in Köln. Sicher, dem türkischen Präsidenten abzusagen, wäre schwer gewesen. Aber vermutlich stand eine solche Option nie zur Debatte. Im Gegenteil. Die Moschee ist schon seit 2017 geöffnet, es wird dort gebetet, unterrichtet und im Ramadan Iftar gehalten. Es wäre also Zeit genug gewesen für eine feierliche Eröffnung. Doch möglicherweise hat man genau so lange gewartet, bis Herr Erdoğan endlich kommen konnte.

Man mag sich fragen, warum das ein Problem ist. Nun, die Ditib versteht sich als deutscher Islamverband und will Muslime in Deutschland vertreten. Yilmaz Kilic, Vorsitzender des Landesverbands Niedersachsen und Bremen, sagt: "Ditib ist ein deutscher Verein nach deutschem Vereinsrecht." Der frühere Geschäftsführer Mehmet Yildirim sagt: "Aber wir sind keine Auslandsorganisation des Diyanet [Religionsbehörde in Ankara; Anm. der Red.], sondern ein nach dem deutschen Vereinsrecht gegründeter Dachverband." Der einstige Dialogbeauftragte Bekir Alboga spricht in Bezug auf Ditib von "aus Anatolien stammenden, mittlerweile deutschen Muslimen". Und die Vereinssatzung von 2012 besagt, dass der Verein "mit dem Ziel der religiösen, sozialen, kulturellen und sportlichen Betreuung der Muslime in der Bundesrepublik Deutschland" am 5. Juli 1984 "nach deutschem Vereinsrecht" gegründet worden sei.

Eröffnungsfeier wird Jubelsturm für Erdogan

Ein türkischer Staatsvertreter, noch dazu vom Typ Erdogan, hat bei der Moscheeeröffnung eines solchen Vereins nichts zu suchen außer im Publikum; maximal noch als Gast neben einem Bundespräsidenten, einer Bundeskanzlerin oder einem Ministerpräsidenten des beheimatenden Bundeslandes, wenn unbedingt Politiker dabei sein sollen. Alternativ hätte die Ditib die Einweihung der Moschee ja auch mit christlichen, jüdischen und anderen Glaubensgeschwistern feiern können, doch auch das scheint der Führung in Köln zu keinem Zeitpunkt in den Sinn gekommen zu sein.

So wird die Eröffnungsfeier eine Ehrerbietung für den Herrscher aus Ankara, ein Fest für Erdogan mit Jubelstürmen tausender Freudentrunkener. Bei allen Schwierigkeiten, die Rassismus und Islamfeindlichkeit bedeuten, auch die Entscheidungen der Ditib führen zu einer weiteren Belastungsprobe für die Integrationsbemühungen in Deutschland.

Im Bund und in den Ländern bleibt der Politik nichts übrig, als Konsequenzen daraus zu ziehen. So wie in der Vergangenheit kann der Umgang mit der Ditib-Führung nicht weitergehen. Über Jahre durfte sie schalten und walten, wie sie wollte. Aus Angst vor Islamisten hatte sich die Politik stets an ihren Rockzipfel gehangen, weil sie mit Erdogan und seinen Vorgängern vor allem Laizismus verband. Wenn es um Staatsverträge mit Muslimen ging, die Islamkonferenz des Bundesinnenministeriums, Projektförderungen, Uni-Institute, Beiräte für die Religionslehrer- und Imam-Ausbildung, um offizielle Empfänge, stets stand die Ditib ganz weit vorne.

Derart hofiert, war es dem Vorstand egal, was die Öffentlichkeit dachte. Auch was andere Muslime dachten, interessierte nicht. Ausgestreckte Hände wurden ausgeschlagen oder allenfalls mit der Kneifzange angefasst. Strategisch fuhr die Ditib zweigleisig: Dass sah dann beispielsweise so aus, dass sie sich mal an der ungeliebten Gründung des Koordinationsrats der Muslime (KRM) beteiligte, und dann wieder auf ein alleiniges Vetorecht bestand. Dass eine Zeit lang fast nur Bekir Alboga öffentlich auftrat, selten die Vereinschefs, schien niemanden sonderlich irritiert zu haben.

Ditib-Veranstaltungen ertrinken in türkischen Fahnenmeer

Mit Blick auf die Integration wurde über Jahrzehnte ein Kardinalfehler etabliert. Kritiker haben schon immer darauf hingewiesen, dass die Ditib daran arbeitet, Gläubige an die Türkei zu binden, statt ihnen zu helfen, muslimische Deutsche zu sein; bevor es nach reinem Ditib-Bashing klingt, ähnliches gilt für andere Verbände, doch die sind eben hier jetzt nicht das Thema.

Viele Ditib-Veranstaltungen ertrinken bis heute in den roten Landesfarben der Türkei mit weißem Stern und weißer Mondsichel. Die kleinen deutschen Flaggen, die pflichtschuldig ausgehangen werden, gehen unter. Selbst neben Gebetsnischen hängen mitunter türkische Flaggen, sodass sich die Gläubigen symbolisch vor Gott UND der Türkei niederwerfen. Dieser ausgeprägte Nationalismus hat dem Zusammenleben wahrscheinlich vielerorts mehr geschadet, als die islamistischen Bestrebungen manch anderer Organisation. Und die deutsche Politik hat dies stets gefördert. Dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die Kölner Zentrale nun Medienberichten zufolge zum Prüffall erklärt hat, ist nach den diversen Vorfällen der Vergangenheit evident: seien es Spionage-Aktivitäten für Ankara, Gebete für türkische Soldaten in Syrien oder die Weigerung, eine Anti-Terrordemo zu unterstützen.

Lösungen für einen anderen Umgang müssen her

Was also tun mit der Ditib? 1. Man muss grundsätzlich weg von dem Prinzip, dass man Muslime nur dann in staatliche Prozesse einbinden kann, wenn diese zuvor einen Verein gegründet haben. Man muss beim Islam hin zu einem Schura-Prinzip, also zu Räten oder Beiräten als Entscheidungsorgane mit paritätischen, transparenten und wechselnden Besetzungen. Die Realität der Muslime in Deutschland ist ähnlich wie den Juden eine durch Einwanderung viel pluralistischere als die anderer Religionsgemeinschaften.

2. Ditib-Gemeinden sollten beteiligt werden. Boykotte helfen nicht, dafür vertreten sie zu viele deutsche Staatsbürger. Aber ein Moratorium ist nötig. Die Politik muss sich neu positionieren, der Verein muss sich strukturell vom türkischen Staat trennen oder darauf verzichten, den Islam vertreten zu wollen und künftig als türkischer Kulturverein firmieren.

Auf lokaler Ebene leisten viele Ditib-Gemeinden gute Arbeit. Manche dort bemühen sich redlich um Integration und Aufklärung. Was bei diesen Bemühungen herauskommt, hängt jedoch sehr von den jeweiligen Einzelpersonen ab. Und deren Handlungsrahmen ist stark begrenzt. Die Ditib ist streng hierarchisch organisiert. Wenn der Führung in Köln etwas nicht passt, gibt es keine Kompromisse. In Duisburgs größter Moschee etwa, deren Begegnungsstätte als vorbildlich gilt, wurden Verantwortliche unter merkwürdigen Umständen ausgetauscht. In Berlins größter Moschee ging der Vorstandschef, kurz nachdem er wegen seiner Dialogbemühungen mit Schwulen-Verbänden Aufmerksamkeit erlangt hatte. Der Bundesvorstand der Ditib-Jugend trat geschlossen zurück, als die Zentrale zwei Vorstandsmitglieder ohne Angabe von Gründen geschasst habe, wie es hieß.

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Jüngst schrieb mir jemand anonym, er könne das Rumgehacke auf der Ditib echt nicht mehr nachvollziehen. Sie habe bisher gute Dienste "für uns Türken" geleistet. Ob man allen Ernstes "den Türken hier" nun auch noch die Ditib wegnehmen wolle? Was bleibe ihnen denn dann noch übrig? – In diesen Worten kulminieren die Zerrissenheit vieler Muslime mit Migrationshintergrund und das ganze Drama der Integrations- und Islampolitik in diesem Land.

Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin und Publizistin. Ihr neues Buch heißt "Die Sache mit der Bratwurst. Mein etwas anderes deutsches Leben" und ist bei Piper erschienen. Sie können unserer Kolumnisten auch auf Facebook oder Twitter folgen.

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