Organisation verkündet Neustart Ditib sieht sich unberechtigten Angriffen ausgesetzt
Die Türkisch-Islamische Union reagiert auf die anhaltende Kritik von Politikern und möchte mit einem Neustart wieder Partner werden. Strukturell ändern soll sich bei Ditib aber erst mal nichts.
Der Islam-Dachverband Ditib will nach anhaltender Kritik neu starten und sich wieder als Partner positionieren – dafür allerdings zunächst keine strukturellen Änderungen anpacken. Die Ditib sei zur Zielscheibe geworden, es habe viele "unberechtigte Angriffe" gegeben, aber auch eigene Versäumnisse, sagte der neue Vorsitzende Kazim Türkmen am Mittwoch in Köln. "Es ist dringend eine Deeskalation und eine Rückbesinnung auf Sachthemen nötig." Er beklagte eine vergiftete Atmosphäre in den Debatten. Das habe nicht nur der Ditib geschadet, sondern auch zu einer negativen Wahrnehmung der Muslime geführt.
Die Türkisch-Islamische Union ist wegen ihrer Nähe zur Regierung in Ankara und ihrer Abhängigkeit von der dortigen Religionsbehörde Diyanet seit 2016 unter Druck. Politiker in Bund und Ländern sind auf Distanz gegangen und fordern eine Loslösung von Ankara. NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) hatte betont, dass der Bundesverband kein Partner sein könne, wenn er hierzulande die Politik von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan vertrete.
Türkmen sagte, es brauche Zeit, die größte Islam-Organisation in Deutschland zu verändern. Das könne man bei Arbeit und Struktur nicht abrupt machen. Und Basis für solche Prozesse sollten innere Dynamiken sein, nicht Forderungen von außen. Für die Ditib bedeute der Neustart, sich auf die liegengebliebenen Themen Islamischer Religionsunterricht und angestrebte Anerkennung als Religionsgemeinschaft zu konzentrieren.
Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Neuanfangs
Zu einer umstrittenen Diyanet-Islamkonferenz bei der Kölner Ditib vor einigen Tagen – auch mit radikalen Islamvertretern – sagte Türkmen, die politische Haltung der Teilnehmer sei aus seiner Sicht irrelevant. Denn es habe sich um eine Veranstaltung "rein religiöser Natur" gehandelt. Das bedeute nicht, dass die Ditib mit den Ansichten der Konferenz-Teilnehmer übereinstimme. Auf die Frage von Journalisten, warum sich die Tagung gegen einen deutschen oder europäischen Islam ausgesprochen habe, antwortete der Ditib-Spitzenmann: "Der Islam ist eine globale Religion."
Grünen-Politiker Volker Beck kritisierte: "Die Ditib versucht, ihre Fassade neu zu streichen, hat aber noch nicht mal Farbe mitgebracht." Dem Verband sei auch personell kein glaubwürdiger Neuanfang gelungen. Zur Spitze gehöre nun auch mit dem neuen Vize-Vorsitzenden Ahmad Dilek der frühere Religionsattaché des Kölner Generalkonsulats, aus dem Spitzel-Dossiers über Kritiker und Gegner Erdogans an Ankara geliefert worden sein sollen. "Nicht einmal der überfällige Schnitt zur Spionageaffäre ist gelungen", sagte Beck, der auch Lehrbeauftragte am "Centrum für Religionswissenschaftliche Studien" der Uni Bochum ist.
"Das Thema ist für die Ditib abgeschlossen"
Zur Affäre um spitzelnde Imame erklärte Türkmen dagegen: "Das Thema ist für die Ditib abgeschlossen." Man habe dazu schon alle nötigen Informationen gegeben, es sei damals keine Anklage erhoben worden. Zu seiner eigenen Person sagte der Vorsitzende, er sei vor einem Jahr als Botschaftsrat nach Deutschland entsandt worden, sein Amt als Bundesvorsitzender übe er ehrenamtlich aus und "nicht in meiner diplomatischen Funktion".
- Migranten und Muslime: Realität und Wahrnehmung gehen weit auseinander
- Islam-Diskussion: Die Moscheesteuer ist zum Scheitern verurteilt
- Islamverband in der Kritik: Ditib offenbart das Integrations-Dilemma im Land
Die Ditib vertritt Türkmen zufolge 860 Moscheegemeinden in Deutschland und "unterstützt" 800.000 Muslime. Deutschlandweit wird die Zahl der Muslime auf rund fünf Millionen geschätzt. Die Ditib wolle sich auch wieder verstärkt bemühen, als Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden, kündigte der neue Vorstand an. Grünen-Politiker Beck mahnte: "Ein von einem ausländischen Staat bestimmter und gelenkter religiöser Verein kann keine Religionsgemeinschaft sein."
- Nachrichtenagentur dpa