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Neue Islam-Diskussion: Die Moscheesteuer ist zum Scheitern verurteilt


Meinung
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Neue Islam-Diskussion
Die Moscheesteuer ist zum Scheitern verurteilt

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

Aktualisiert am 28.12.2018Lesedauer: 4 Min.
Die Nuur-Moschee in Frankfurt: Für eine Moscheesteuer ist der Islam in Deutschland zu wenig einheitlich.Vergrößern des Bildes
Die Nuur-Moschee in Frankfurt: Für eine Moscheesteuer ist der Islam in Deutschland zu wenig einheitlich. (Quelle: Ralph Orlowski/reuters)

Dem Land wurde eine neue Debatte aufgezwungen, allerdings nicht von Muslimen. Eine Moscheesteuer kann es nicht geben. Und wenn es sie gäbe, würde sie womöglich den Falschen helfen.

Was würde die Öffentlichkeit bloß ohne den Islam machen? Keinem anderen Randthema und keiner anderen Minderheit in Deutschland wird derart viel Aufmerksamkeit zuteil. Daran hat sich auch 2018 nichts geändert. Der "Bildblog" veröffentlichte an Heiligabend eine interessante Zählung. Demnach kam in der gedruckten Ausgabe der "Bild" im Jahresverlauf der Hinduismus einmal vor, der Buddhismus zweimal, das Judentum siebenmal, das Christentum 28- und der Islam 266-mal!

Kenner des Islamdiskurses überrascht das nicht. Frühere Untersuchungen kamen zu ähnlichen Tendenzen. Bei vielen großen Medienhäusern steht der Islam irrational weit vorn im Ranking.

Passend dazu wurde über Weihnachten eine alte Moscheesteuer-Debatte neu über uns gebracht. Die Zeitung "Die Welt" hatte Politiker sowie die Moschee-Gründerin Seyran Ates befragt und einen Text ins Weihnachtsloch gestopft, wegen der Themenflaute sprangen alle anderen auf. "Sex sells", sagte man früher. Seit einiger Zeit heißt es: "Islam sells"; wobei das ein Trugschluss ist, denn es melden sich bloß immer dieselben aktivistischen Kreise zu Wort, wenn jemand das Wort Islam nur haucht.

So diskutiert die Öffentlichkeit also ausgerechnet am zweiten Tag des Fests zur Geburt Jesu Christi wieder über den Islam. Unpassend in jeglicher Form.

Das falsche Instrument

Verantwortlich gemacht dafür werden "die" Muslime. "Kein Islam in Deutschland! Schmeißt diese Bombenleger und Unruhestifter aus dem Land", kommentiert der eine. "Diese krankhaft devote Art dem Islam gegenüber ist unglaublich", schreibt der andere. Dabei wurde den Muslimen diese Debatte auch aufgezwungen. Allzu laut beschweren dürfen sich Muslime darüber allerdings auch nicht. Wären sie aktiver, würden sie ihre eigenen Belange realistischer betrachten und kooperativer in Angriff nehmen, böten sich Außenstehenden deutlich weniger Gelegenheiten zur Einmischung.

Als Folge dieser Mechanismen und Mängel hecheln nun wieder alle einer künstlichen Debatte hinterher, die zu keinem konstruktiven Ergebnis führen wird. Denn zum jetzigen Zeitpunkt ist die Idee eine Moscheesteuer eine Totgeburt.

Auf den ersten Blick erscheint sie zwar sympathisch. Den Einfluss der Türkei, Saudi-Arabiens, des Irans und anderer Staaten auf deutsche Muslime zu kappen oder zumindest zu begrenzen - sowohl finanziell als auch inhaltlich - muss zweifelsfrei das Ziel sein, um den Islam irgendwann abschließend zu beheimaten. Aber eine Moscheesteuer ist dafür das falsche Instrument - aus verschiedenen Gründen.

Es fehlen die Strukturen

Die Umsetzung einer Moscheesteuer wäre ungefähr der 50. Schritt vor dem ersten. Nachdem die unselige Frage nach der Zugehörigkeit des Islam zu Deutschland inzwischen halbwegs versandet ist, haben die Muslime gerade angefangen, über einen Islam in Deutschland oder einen deutschen Islam nachzudenken. Die Islamkonferenz setzte dazu einen Schwerpunkt. Grundsätzliche Klärungen sind jetzt nötig, wenn es um islamischen Theologie geht, Religionspädagogik oder die Imamausbildung.

Ferner müsste es erst feste Organisationsstrukturen geben, denn nur auf deren Basis ließen sich in Deutschland Moscheesteuern erheben. Das ist aber nicht der Fall. Der Islam kennt keine Kirchenstrukturen, wie übrigens das Judentum sie auch nicht kennt. Der Islam in Deutschland ist äußert heterogen, unterschiedlich national gefärbt und wird unterschiedlich von seinen Anhängern verstanden und gelebt. Der Islam in Deutschland bildet im Grunde die gesamte kulturelle und theologische Vielfalt dieser Religion ab - mit der theologischen Bandbreite von liberal bis fundamentalistisch, mit türkischen, bosnischen, albanischen, marokkanischen, syrischen, iranischen, indonesischen und sonstigen Traditionen. Alle kochen bislang ihr eigenes Süppchen.

Unterschied zwischen Deutschland und Österreich

Das unterscheidet den Islam in Deutschland vom Islam in Österreich, auf den die Fürsprecher einer Moscheesteuer als Vorbild verweisen. Die islamische Gemeinschaft in Österreich ist historisch gewachsen durch die territoriale Einbindung von Muslimen auf dem Balkan während der K-und-K-Monarchie. Bereits 1912 wurde dort ein Islamgesetz erlassen. Eine solche Geschichte gibt es in Deutschland nicht. Auch Verweise auf Indonesien, wo die weltweit mitgliederstärksten islamischen Organisationen existieren, helfen nicht weiter. Denn der indonesische Islam ist vergleichsweise homogen.

Der Islam in Deutschland wird sich in absehbarer Zeit nicht zufriedenstellend in die vorhandenen Schemata pressen lassen, die aus dem Christentum kommen und sich im Staatskirchenrecht niederschlagen. Vielleicht wird in 25, 50 oder 100 Jahren eine zentrale deutsche Vertretung der Muslime möglich sein, gegenwärtig ist das für mich nicht absehbar. Deshalb sind Übergangslösungen nötig in Form von Beiräten, Gremien, Ausschüssen, Parlamenten, Schuras oder wie immer man Verbünde nennen möchte, in denen verschiedene Vertreter islamischer Strömungen einen Platz finden und gemeinsam entscheiden können.

Es könnten die Falschen profitieren

Sollte die Politik ungeachtet solcher Einwände dennoch die bestehenden Pfade weitergehen, wird die Sache immer vertrackter.

Derzeit ist vorgesehen, dass eine Gruppierung zunächst den Status einer Körperschaft des Öffentlichen Rechts erlangen muss, bevor sie Moscheesteuern erheben dürfte. Da wären gegenwärtig die großen, konservativen Islamverbände im Vorteil. Eine Moscheesteuer wäre wie eine Art Konjunkturprogramm für Vereine wie die Ditib, die ihre Größe und ihre Strukturen gerade auch wegen der Einflüsse aus dem Ausland etablieren konnten. Das Ansinnen voreiliger Befürworter der Moscheesteuer, kleinere Islamvereine oder Moscheen, die keine Finanzierung aus sogenannten Herkunftsländern erhalten, profitieren zu lassen, liefen somit ins Leere.

Außerdem droht über den Weg des Körperschaftsstatus ein bundesrepublikanischer Flickenteppich mit verschiedensten islamischen Religionsgemeinschaften. Die Zersplitterung des deutschen Islams würde so zementiert, der Staat hätte plötzlich eine Vielzahl an Ansprechpartnern. Es würde ein bürokratisches Monstrum kafkaesken Ausmaßes entstehen. Das wäre völlig aufgebläht, völlig übertrieben, völlig unpragmatisch.


Schließlich, abgesehen von solchen Überlegungen: Wir leben in einem säkularen Rechtsstaat. Müssen da wirklich Behörden das Geld für Religionsgemeinschaften einsammeln? Und darf sich der Staat tatsächlich in deren Angelegenheiten einmischen und bestimmen, welche Imame eingestellt werden? Denn die Moscheesteuer wird von Befürwortern zugleich als Kontroll-Instrument und Präventionsmaßnahme gegen Extremismus gesehen: Geld kriegt nur, wer genehm ist. Das kann attraktiv erscheinen. Doch so ein Konstrukt wäre auf Sand gebaut und dürfte am Ende einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht Stand halten.

Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin und Publizistin. Derzeit leitet sie ein Forschungsprojekt an der Universität Duisburg-Essen. Ihr neues Buch heißt "Die Sache mit der Bratwurst. Mein etwas anderes deutsches Leben" und ist bei Piper erschienen. Sie können unserer Kolumnisten auch auf Facebook oder Twitter folgen.

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