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Martin Sellner, Marco Kurz: Rechte Führungsfiguren zweifeln an Gelbwesten-Erfolg


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Fantasien vom Umsturz
Rechte Führungsköpfe zweifeln am Erfolg durch Gelbwesten


Aktualisiert am 30.11.2018Lesedauer: 5 Min.
Gelbwesten in Frankreich: Bei Rechtsextremen schwindet der Glaube, dass es in Deutschland zu Protesten ähnlicher Ausmaße kommt.Vergrößern des Bildes
Gelbwesten in Frankreich: Bei Rechtsextremen schwindet der Glaube, dass es in Deutschland zu Protesten ähnlicher Ausmaße kommt. (Quelle: reuters)
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Am Samstag sind erste größere Versuche geplant, den Protest aus Frankreich auf deutsche Straßen zu bringen.

Die Revolution führt jetzt doch über den Gang ins Ordnungsamt. Führende Aufwiegler der rechten Szene raten inzwischen Anhängern, sich streng gesetzestreu zu verhalten, wenn sie in gelben Westen wie in Frankreich Protest auf die Straße bringen wollen. In den kleinen Gruppen auf dem WhatsApp-ähnlichen Dienst Telegram gab und gibt es auch ganz andere Pläne. Blockaden. Etliche Kleingruppen werden am Samstag unterwegs sein, in Berlin ist eine größere Veranstaltung geplant.

Der Samstag war von einem anonymen Account in einem Video zum Beginn einer Revolution erklärt worden. Deutschlandweit sind unter dem Motto "Deutschland macht dicht" Regionalgruppen entstanden. Während in öffentlichen Facebookgruppen und auf Flyern betont wird, keinem Lager anzugehören, schreiben in den Telegram-Gruppen Mitglieder mit Hakenkreuz-Bildern in Profilen oder SS-Runen eifrig mit. Aktuelle und frühere Funktionäre von NPD und von Pegida-Ablegern führen in manchen Gruppen das Wort.

Umweltschützer fürchten rechte Gelbwesten

Es sind aber nicht alle "Neonnazis", wie linke Accounts auf Twitter die Protestler wegen ihrer leuchtend gelben Westen schmähen. Es gibt viele Nutzer, die sich über Berichte wie diesen empören, weil es ihnen nicht um fremdenfeindliche Motive geht und sie andere Botschaften aussenden wollen. Und auch aus der "Linken" hat Sahra Wagenknecht sich für Protest von "Gelben Westen" ausgesprochen, steht damit in ihrer Partei aber weitgehend alleine da.

Auf einer Anti-Kohle-Demo am Samstag vor dem Bundeskanzleramt könnten auch Menschen in gelben Westen zu sehen sein, die dann einem Aufruf einer rechtspopulistische Gruppierung "Wir für Deutschland" gefolgt sind.

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Inzwischen gibt es ein Flugblatt zu den Zielen der "Gelben Westen", auf dem als Verantwortlicher Marco Kurz angegeben wird. Kurz ist der Kopf eines vermeintlichen "Frauenbündnisses" Kandel und hatte 2017 schon einmal einen Marsch von 500.000 Menschen zum Kanzleramt geplant, um die Regierung zum Rücktritt zu bewegen. Der Flyer weicht erheblich von einer früheren Liste absurder Forderungen ab, die auch vom Account der gelben Westen verbreitet wurde.

Leute aus den Ortsgruppen für den nie zustande gekommenen Marsch von Kurz sind nun auch in den Telegram-Kanälen aktiv. Kandel selbst galt in der rechten Szene nach dem Mord an der 15-jährigen Mia durch einen Afghanen als "Hauptstadt des Widerstands" im Westen. Kurz mobilisierte und brachte auch AfD-Politiker dazu, in Kandel zu demonstrieren. Die Resonanz auf die Veranstaltungen dort hat aber deutlich abgenommen.

Franzosen kommen nach Deutschland mit

Bei Beginn der Proteste in Frankreich hatte Kurz die "Gelben Westen" für sich entdeckt. Am Samstag bekommt er Unterstützung von dem rechtsextremen Schweizer Politiker Ignatz Bearth, der häufig bei Kundgebungen in Deutschland dabei ist. Zuerst fahren beide nach Frankreich, dann wollen sie französische Gelbwesten zum Protest nach Kandel mitbringen.

Bearth bekannte in einem Video zu den "Gelben Westen" offen, sie würden unterstützt von "patriotischen Kräften des rechten Establishments". Es habe einige Revolutionen des linken Establishments gegeben – "arabischen Frühling und Putsch in der Ukraine". "Jetzt erleben wir das Gegenteil, dass sie ihre eigene Medizin zu spüren bekommen." Das sagte er am Dienstag.

Kurz bremste später die Euphorie: "In Deutschland befindet sich der Widerstand noch in den Kinderschuhen", sagt er in einer Videonachricht. "Man kann nicht erwarten, dass man in wenigen Tagen die Zustände und den Widerstand auf Deutschland überträgt."

Einige Veranstaltungen sind angemeldet

In Frankreich sei das Versammlungsgesetz schlicht durch die Masse an Menschen ausgehebelt worden. Weil er in Deutschland damit nicht mehr rechnet, empfiehlt er inzwischen: "Wer in einer Gruppe auf die Straße gehen will, muss das anmelden beim Ordnungsamt oder der Polizei." Tatsächlich gibt es auch erste Anmeldungen. Andere planen im Geheimen weiter und überlegen sich Strategien, wie sie bei Kontrollen reagieren.

In den vergangenen Tagen mussten schon etliche Gelbwesten erleben, dass sie bei vereinbarten Treffpunkten alleine standen, zu einem tagelang beworbenen Treffen vor dem KaDeWe in Berlin kamen drei Leute. Ein Video eines Gründers von "Hooligans gegen Salafismus" aus Mönchengladbach wird inzwischen in einer "Gangnam Style"-Bearbeitung verulkt.

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Am Samstag werden zu Treffen und Demonstrationen mehr Menschen kommen, weil der 1. Dezember seit Tagen im Mittelpunkt steht. An etlichen Orten in Deutschland haben sich Menschen in Warnwesten verabredet, vielfach auch ohne Einfluss rechter Akteure.

"Deutscher Michel muss erst richtig im Dreck liegen"

Martin Sellner, bekanntestes Gesicht der rechtsextremen "Identitären Bewegung" bekennt jedoch in einem Video: "Ich glaube, im Moment ist Deutschland noch nicht bereit für eine Gelbwesten-Bewegung." Man könne Strategien und Symbole übertragen, Stimmungen aber nur schwer. In einer der Gruppen formulierte das ein Nutzer enttäuscht so: "Der deutsche Michel muss erst richtig im Dreck liegen."

In den Gruppen schreiben viele Leute mit der Überzeugung, dass sie mit einem Umsturz Deutschland vor drohendem Unheil bewahren. Die "Gelbwesten" in Frankreich haben diese Menschen beseelt, doch noch einen Volksaufstand erreichen zu können. Ältere Frauen, die dort vergleichsweise aktiv sind, schreiben, dass sie das für ihre Enkelkinder tun. Der Ton ist oft freundlich, es wird auch viel gelacht.

"Hallo, Ihr Lieben" beginnen viele Audiobotschaften. Um Benzinpreise oder das Auto geht es in den geschlossenen Kreisen allenfalls am Rande, dafür um das Ende des Parteiensystems, der Demokratie, wie wir sie kennen. Regierung, Parteien, Wirtschaft sind dabei alle gelenkt von irgendwelchen Mächten. Das schreiben etliche Leute in den Planungsgruppen und sind froh, Gleichgesinnte getroffen zu haben, mit denen langsam die "Schlafschafe" aufgeweckt werden sollen.

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"Bundestag stürmen auf keinen Fall"

Friedlich bleiben, wird dort ständig appelliert, gerne auch noch Bonbons verschenken, die Menschen für sich einnehmen. "Bundestag stürmen auf keinen Fall", warnt eine Administratorin in einer Audionachricht, nachdem ein radikaler Gruppenteilnehmer solche Fantasien äußert. "Das ist kontraproduktiv. Wir können im Augenblick erst mal nur eine Masse von Menschen sammeln", sagt sie.

In Koblenz wurde eine Kundgebung der "Gelben Westen" abgesagt, nachdem unter anderem die Neonazi-Aktivistin Melanie D. auf Instagram dazu aufgerufen und "Die Partei" eine Gegenkundgebung angemeldet hatte. In einer regionalen Telegram-Gruppe erklärte ein Mitglied dazu, er sei eigentlich gegen Kooperation mit Behörden. "Aber in dem Fall wäre es günstig, weil es sonst dementsprechende Bilder geben wird und dann ist die ganze Gelbe Westen-Nummer durch."

Identitäre: "Migrationspakt hat Widerstand vereint"

Die Strategie der Rechten wird in Sellners Videobotschaft deutlich: "Mit Gelbwesten kann man sich sehr leicht solidarisieren, es können viele mitmachen, und vor allem wird ein Thema gewählt, wo sehr viel Leute zustimmen würden". Man dürfe aber nicht zu viel erwarten. Widerstand sei kein Sprint, sondern ein Marathon.

Die "Gelben Westen" könnten ein Schritt sein, sagt er. Er unterstütze es auch vollkommen, "wenn das eingebaut wird in den Widerstand gegen den Migrationspakt". Mit dieser Kampagne sei es gelungen, die "Widerstandsbewegung" zu vereinigen und zusammenzuführen. Deutschland wird dem UN-Pakt beitreten, der Bundestag hat gerade aber noch einen Beschluss gefasst, dass er keine rechtlichen Folgen für Deutschland haben wird.


Etliche der Telegram-Gruppen wurden auch geschlossen. Streits waren Gründe, "Unterwanderung", in Sachsen waren über Nacht etliche weg. Dort hatte jemand angekündigt, er werde öffentlich machen, dass rechte Polizisten diese Gruppen steuerten. Belege dafür gibt es nicht.

Für die Führungsfiguren der rechten Szene dürfte es aber auch als Erfolg verbuchen, dass deutlich mehr Anhänger nun Telegram nutzen. Der vergleichsweise anonyme Dienst bietet eine Ersatzplattform bei den regelmäßigen Sperrungen in anderen Netzwerken.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Rheinpfalz: Die Verbündetensuche des Marco Kurz
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