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Cannabis: Wer früh anfängt zu kiffen, verändert sein Leben unwiederbringlich


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Cannabissucht
Wie Kiffen das Leben verändern kann


Aktualisiert am 20.07.2024Lesedauer: 6 Min.
Eine Frau raucht einen Joint (Archiv): Die Zahl der Menschen, die problematisch viel Cannabis konsumieren, steigt.Vergrößern des Bildes
Eine Frau raucht einen Joint (Archiv): Die Zahl der Menschen, die problematisch viel Cannabis konsumieren, steigt. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)
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Wer früh beginnt, Cannabis zu konsumieren, verändert sein Leben unwiederbringlich. Ein junger Mann tat dies 15 Jahre lang und fragt sich heute, warum eigentlich?

Am 1. April ist für Cannabiskonsumenten in Deutschland eine neue Zeit angebrochen. Vor dem Brandenburger Tor trafen sich Tausende Menschen, um gemeinsam zu kiffen. Besitz und Anbau von Cannabis sind seitdem in Deutschland für Erwachsene keine Straftat mehr.

Sheeriolife war nicht dabei. Der 34-Jährige hatte kurz zuvor entschieden, mit dem Kiffen aufzuhören. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er sein halbes Leben lang exzessiv Cannabis konsumiert, doch jetzt wollte er endlich loskommen von der Droge.

Albträume und Depressionen im Cannabis-Entzug

Sheeriolife heißt eigentlich anders. Es ist das Pseudonym eines Mannes, der seinen Namen geheim halten möchte. Doch seine Geschichte mit Drogen will er teilen – und erzählt sie auf seinem eigenen YouTube-Kanal. Nach 15 Jahren Dauerkonsum nun 30 Tage ohne "Weed", wie Cannabis unter Konsumenten auch genannt wird.

"Das war sehr unangenehm", sagt er im Video über seinen Entzug. Warum er diesen öffentlich machte, weiß er auf Nachfrage von t-online nicht mehr so recht. Im März nahm er seine Kamera und filmte sich, wie er durch den Wald spazierte und über seine neue Nüchternheit sprach: Dass er schlecht einschlafe und heftige Albträume habe, von denen er schreiend wieder aufwache.

Schlimmer noch seien jedoch die "unfassbaren Depressionen" im Entzug gewesen, die ihm "jegliche Lust am Leben geraubt" hätten. Er lud das Video ins Netz und dort haben es mehr als hunderttausend Menschen angeschaut. Viele teilen darunter ihre eigenen Geschichten mit der Droge. Einige sagten ihm, sie wollten seinetwegen auch aufhören zu konsumieren. "Das motiviert mich, den Entzug weiter durchzuziehen."

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Anstieg von problematischem Marihuana-Konsum in Deutschland

Deutschland verzeichnet seit Jahren einen Anstieg des Cannabiskonsums. 4,5 Millionen Deutsche haben in den vergangenen 12 Monaten Gras konsumiert. So steht es im "Jahrbuch der Sucht 2024" der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). 30 Prozent der Konsumenten schätzen ihren eigenen Konsum als problematisch ein, wobei Männer nahezu doppelt so häufig betroffen sind wie Frauen. Der DHS hat einige Risikofaktoren identifiziert, die zu einer sogenannten "Cannabiskonsumstörung" führen können. Dazu zählen "ein frühes Einstiegsalter, intensiver Konsum und Co-Konsum mit Tabak."

So fing es auch bei Sheeriolife an, der in einer Großstadt in Westdeutschland aufwuchs und seine Jugend als "geile Zeit" beschreibt. Als er mit 15 Jahren betrunken auf einer Party war, bot ihm ein Bekannter zum ersten Mal Gras an: "Ich habe es mit einem Freund ausprobiert und wir hatten viel Spaß dabei", erinnert er sich. Mischkonsum ist gefährlich und kann zu Abstürzen mit akuten körperlichen und psychischen Folgen führen. Doch Sheeriolife erlebte "einen angenehmen Rausch", wie er sagt. Daraufhin rauchte er immer häufiger Cannabis, bis er mit 18 Jahren täglich kiffte.

Kiffen in der Schule und im Studium

Der Cannabis-Wirkstoff THC kann im jugendlichen Gehirn entscheidende Entwicklungsprozesse stören. Mögliche Folgen sind Lernschwierigkeiten, Psychosen, Depressionen und Ängste, sagen Experten. Betroffene sollen außerdem häufiger als andere die Schule oder das Studium abbrechen.

"Ich war kein Fan von Schule und Studium", sagt der Mann heute. Die Schule schloss er ab und begann danach ein Marketingstudium in einer neuen Stadt. Doch im Studium machte er "viel Party", jobbte im Einzelhandel und gab sein ganzes Geld für Gras aus. Nach zehn Semestern brach er das Studium ab, obwohl ihm nur noch zwei Kurse zum Abschluss fehlten.

Danach begann der Mann einen Job in einer großen Unternehmensberatung – und hörte dafür auf zu kiffen. Während er im Großraumbüro saß, seien seine Freunde auf Abenteuerreisen gegangen. "Ich hätte steile Karriere machen können, aber da ist mir der Kopf geplatzt." Er kündigte seinen Job – und begann wieder, Cannabis zu rauchen.

Reisen statt Karriere machen

Sheeriolife reiste durch Europa, lebte einige Zeit in Berlin und fuhr zwei Jahre lang mit einem Van durch die USA. Geld bekam er von seinen Eltern oder verdiente es in Minijobs. In Kalifornien arbeitete er auf Cannabisfarmen und war nebenbei selbstständig tätig. Er stand um fünf Uhr morgens auf, rauchte einen Joint und setzte sich dann in ein Café, um Webseiten zu bauen.

Sieben Jahre dauerte Sheeriolifes Reise. Als er zurückkehrte, war er fast 30 Jahre alt. "Ich wollte nicht erwachsen werden". Er habe sich zwar mehr Zeit gelassen als die meisten anderen, doch bereue er nicht, so gelebt zu haben. "Ich hätte früher richtig arbeiten können, aber dann wäre mir eine Menge Spaß entgangen".

Eine Sucht ohne Tiefpunkt

Jahrelang rauchte der 34-Jährige täglich zwei bis drei Gramm Gras in sieben bis zehn Joints. "Ich hab’ das nicht verheimlicht, sondern war da mehr oder weniger stolz darauf", sagt er. Sein Konsum verleitete ihn nicht zu Beschaffungskriminalität, brachte ihm auch keinen Ärger mit den Behörden ein und stand seiner Aussage nach nicht zwischen ihm und seiner Familie – was bei Drogensucht sonst häufig vorkommt.

Ohne echten Tiefpunkt stellte er seinen Lebensstil erst mit 33 Jahren infrage. Er sei ständig pleite gewesen und habe keinen Job lange durchgezogen. "Es ist nicht unmöglich, high zu arbeiten, aber ich war fauler und hatte keine große Arbeitsmoral", sagt er. Sein Profilspruch in einem großen sozialen Netzwerk für berufliche Kontakte lautet "Sheeriolife is working from home".

Sozial kapselte er sich ab, blieb alleine zu Hause und spielte Videospiele. "Der Dauerkonsum ist hinderlich, besonders bei Beziehungen", sagt er. Dabei kiffte er so viel, dass er die Wirkung gar nicht mehr wahrgenommen habe, sagt der Mann.

Video | Teillegalisierung von Cannabis: ein Pro & Kontra
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Quelle: t-online

"Ich will erwachsen werden"

Er entschied sich, etwas zu ändern: "Ich wollte etwas Neues vom Leben – ich wollte erwachsen werden", sagt er. Doch das war schwerer als gedacht. Kurze Zeit nach der Veröffentlichung des Videos über seinen Entzug im März hatte er einen Rückfall – und kiffte wieder wie zuvor. Doch sein Wunsch, nüchtern zu leben, war stärker. Sheeriolife hörte erneut auf – mit noch schlimmeren Entzugserscheinungen.

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Nachts lag er oft wach und stellte sein Leben infrage. Er fragte sich jetzt, ob er schon früher an Depressionen gelitten hatte, die er mit Cannabis einfach nur verdrängt hatte. Er suchte sich therapeutische Hilfe, begann, viel Sport zu treiben und ging oft in die Natur. Seine Gefühle teilte er in immer neuen Videos auf seinem Kanal mit.

"Aufhören ist nur schwer, wenn man es nicht will", sagt Sheeriolife. Jetzt wolle er sich um seine Karriere kümmern. Nach einer kurzen Arbeitslosigkeit gelang es ihm, einen neuen Job im Marketing zu finden, sogar in einer Senior-Position. Auch eine eigene Familie könnte er sich inzwischen vorstellen. Es sei zwar witzig, "die ganze Zeit stoned zu sein, aber Kinder will ich nüchtern haben", erklärt er.

Ex-Süchtige in Schulen

Es sein ein "Zufall", dass seine Entscheidung aufzuhören genau mit der Legalisierung in Deutschland zusammenfiel. Er unterstützt die neue Politik, findet aber, dass Gras erst ab einem Alter von 21 Jahren erhältlich sein sollte. Außerdem wünschte er sich mehr Aufklärung für Jugendliche: "Ex-Süchtige sollten an Schulen gehen und über die Risiken des Konsums sprechen."

Er selbst sei dafür jedoch nicht das beste Beispiel, sagt Sheeriolife. Er sei trotz Dauerkonsum nicht abgestürzt, sondern habe sich vor allem ein entspanntes Leben gemacht. Außerdem wolle er in Zukunft gar nicht nüchtern leben, sondern "ab und zu mal ein bisschen Spaß haben".

Mehr Nebenwirkung als Wirkung

Sheeriolifes Drang, Gras zu rauchen, ist weiterhin groß. Er verspürt den Wunsch, nur ab und zu mal zu kiffen. "Ist das die Sucht?", fragt er sich. Nach zwei Monaten Nüchternheit hat der Mann vor wenigen Tagen erneut nachgegeben, Gras gekauft und einen Joint geraucht. Es habe sich erst gut angefühlt, doch dann kamen Zweifel. "Das Kiffen hat inzwischen mehr Nebenwirkung als Wirkung auf mich", sagt er.

Doch trotzdem will er probieren, weiter Gras zu rauchen. Nur gelegentlich, nicht mehr ständig, denn seine Sucht sei nun vorbei, teilt er in einem neuen Video mit. Das hat bei seiner Zuschauerschaft im Netz Besorgnis und Widersprüche ausgelöst. "In zwei Monaten kann man keine Sucht besiegen" und "du tanzt auf dem Seil", kommentieren Nutzer unter dem Video. Sheeriolife zeigt sich davon unbeeindruckt: "no risk no fun", schreibt er dazu.

Verwendete Quellen
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