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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Unterstützung am Wahltag Wahlaufrufe für die AfD: Die Alternative fürs Ausland
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Mehr als 20 Prozent der Wähler in Deutschland stimmten für die AfD. Die reichweitenstärksten Aufrufe auf der Plattform X stammten zuletzt aber fast alle aus dem Ausland.
Elon Musk ist vor der Bundestagswahl immer wieder damit aufgefallen, für die AfD zu werben. Auch am Wahlwochenende war die Partei auf seinem Netzwerk X die "Alternative fürs Ausland": Denn wenn Wahlaufrufe für die AfD massenhaft Likes bekamen, dann stammten sie fast nie aus Deutschland. Ein offensichtlicher Zusammenhang zu russischen Kampagnen vor der Wahl ist dabei nicht erkennbar. Diese hatten mithilfe von Bots massenhaft auf verschiedenen Wegen Stimmung für die AfD gemacht hatten.
Dieses Mal lagen überwiegend anonym betriebene Islam-Hasser-Accounts und X-Konten von mutmaßlichen Kriminellen vorn, von denen viele Musks Rückendeckung hatten. Der einzige Post aus Deutschland, der es unter die 20 beliebtesten schaffte, kam von der Parteichefin Alice Weidel. Ein Überblick über die Beiträge, die die größte Resonanz erreichten:
Alice Weidel, die Spitzenkandidatin: Um 8.15 Uhr am Sonntagmorgen schrieb die Politikerin mit Wohnung und Familie in der Schweiz: "Jetzt gilt's." In einem Video forderte sie auf, mindestens zwei Freunde mitzunehmen und ins Wahllokal zu gehen, um der AfD die Stimme zu geben. Knapp 40.000 Herzen bekam der Post bis zur Schließung der Wahllokale. Außerdem luden englischsprachige Accounts das Video neu hoch und bekamen dafür auch Tausende Likes.
Elon Musk, der X-Besitzer und Trump-Berater: Drei Deutschlandfahnen, dann "AfD!" und wieder drei Deutschlandfahnen: 163.000 Likes bekam Musk für diesen plumpen Beitrag von 3.36 Uhr morgens deutscher Zeit. 37,4 Millionen Mal soll dieser Nutzern bis 18 Uhr deutscher Zeit angezeigt worden sein. Musk schickte noch weitere eigene Pro-AfD-Posts und teilte Beiträge anderer User, die aufgrund dessen ebenfalls zu den am häufigsten gelikten Posts zählten. Darunter war auch ein Video einer Höcke-Rede, verbreitet von einem Account mit Namen Inevetablewest.
Inevetablewest, der mutmaßliche Krypto-Kriminelle: Der Account postete etliche Wahlaufrufe für die AfD, die jeweils mehrere Zehntausend Likes bekamen. Ein nicht aktuelles Video mit jubelnden AfD-Anhängern twitterte der Account am Morgen mit dem Hinweis: "The Polls are open" ("Die Wahllokale sind offen"). Der Beitrag bekam rund 40.000 "Gefällt mir"-Angaben bis zur Schließung der Wahllokale. Rund 30.000 Herzen gab es für ein Video, in dem eine junge Frau tanzend durch eine Innenstadt läuft und dabei eine Musikanlage hinter sich her zieht, aus der das Lied "L'Amour toujours" dröhnt. Das ist der Song, den AfD-Anhänger zu "Ausländer raus" umdichten. Elon Musk teilte einen weiteren Post des Accounts, in dem Inevitablewest schrieb, die Deutschen müssten für die AfD stimmen: "Eure Leben hängen davon ab." 8,1 Millionen Mal ist dieser Beitrag Nutzern laut den Zahlen von X angezeigt worden.
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Der Account wurde erst im Oktober 2024 angelegt. Sein Betreiber beschreibt sich selbst als "Verteidiger westlicher Werte und Kultur”. Er sei aus Großbritannien. Indische Medien vermuten hinter Inevetablewest aber einen 30 Jahre alten indischen Krypto-Schwindler, dessen Auslieferung Indien von Dubai fordert. Verraten habe sich Saurababh Chandrakar demnach durch einen versehentlichen Werbe-Post. Die schnell gelöschte Reklame war für eine Wett-App, die zur Geldwäsche mit Kryptowährungen genutzt worden sein soll. Eine Anfrage beantwortete er nicht.
Tristan Tate, der mutmaßliche Vergewaltiger: Er sei kein Deutscher und habe kein Recht, Empfehlungen auszusprechen, schrieb Tristan Tate, dem auf X 3,8 Millionen Menschen folgen, am Samstagmittag. "Aber ich werde jeden Deutschen, der nicht AfD wählt, für den Rest meines Lebens als Idioten betrachten." Mehr als 70.000 Likes gab es dafür bis zur Schließung der Wahllokale.
Der Brite Tristan Tate und sein noch bekannterer Bruder Andrew, die einst zusammen mit dem britischen Politiker und Rechtspopulisten Nigel Farage für den Brexit warben, sitzen aktuell in Rumänien fest. Sie dürfen das Land nicht verlassen, weil dort gegen sie wegen Menschenhandels, Vergewaltigung, der Geldwäsche und der Bildung einer organisierten kriminellen Vereinigung ermittelt wird. Die Männer, die auch Kurse angeboten haben, in denen Männern beigebracht wird, Frauen zu "unterwerfen", sollen Rumäninnen Gefühle vorgetäuscht und sie in die Prostitution gebracht haben. Angeblich macht sich die US-Regierung unter Donald Trump aktuell für die Brüder stark. Unlängst gab es zudem in der AfD Diskussionen, weil ihr Abgeordneter Maximilian Krah ein Treffen mit den Tates ins Auge gefasst hat.
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RadioGenoa, der italienische Hass-Account mit Milliarden Abrufen: Zur Bundestagswahl postete der Account RadioGenoa das Video einer jubelnden Menschenmasse von Syrern, die den Sturz des Assad-Regimes in Essen feiert. Zwischenfälle hatte es dabei nicht gegeben. RadioGenoa schrieb dazu am Sonntagmorgen um 8.01 Uhr: "Wenn die AfD nicht gewinnt, wird Deutschland ein islamisches Kalifat. Wählt AfD!" und bekam damit rund 48.000 Likes bis zur Schließung der Wahllokale.
Der Account mit 1,2 Millionen Followern zeigt meist Videos von Migranten ohne weitere Informationen, in denen sie eine Bedrohung darstellen oder als solche erscheinen. Die oft alten und vielfach recycelten Videos etwa von Schlägereien, die irgendwo stattgefunden haben, werden milliardenfach aufgerufen und oft auch von Köpfen der Identitäten Bewegung weitergeleitet. Europaweit haben Medien kritisch über den Kanal berichtet.
Mit der Bezeichnung "Radio" will der Account offenbar vortäuschen, ein Nachrichtenmedium zu sein. Zuvor hieß der Account Radio Savana und davor Antonio Quinto. Das führte zu dem offenbar richtigen Namen des Accountbetreibers, Antonio Mastantuono. Niederländische Journalisten, die der Frage nachgingen, wen der dortige Rechtsaußen-Politiker Geert Wilders ständig weiterleitet, stießen auf Mastantuonos altes Profil, in dem er sich als Anhänger eines "Vierten Reichs" darstellt und auch russische Fakes zur Ukraine teilte. Die "NZZ" schrieb schon 2023, es gebe Anzeichen für ein "russlandfreundliches Desinformationsnetzwerk".
Im Sommer vergangenen Jahres war der Account plötzlich still – wegen einer Hausdurchsuchung. Der Stand ist bis heute unklar. Im Senat danach gefragt, verwies Italiens Justizminister Carlo Nordio von Melonis Partei Fratelli d'Italia Ende Januar auf den Datenschutz im Zuge des Vorermittlungsverfahrens. Der Minister antwortete nur allgemein, dass Meinungsfreiheit Grenzen haben könne, wenn zu Hass aufgestachelt wird.
ThePersistance, Trumps Stimmen-Jäger: "Deutschland, wir haben unseren Teil getan mit der Wahl von Präsident Trump", schrieb der Account "The Persistance" am Sonntag um 6.45 Uhr: "Heute ist Wahltag in Eurem Land. Wählt AfD!" Mehr als 56.000 Likes bekam er dafür, bis die Auszählung am Abend begann.
Hinter dem Account steckt Scott Presler, der in den USA Mitorganisator der sogenannten "Stop the steal"-Bewegung war. Diese machte 2020 mit der falschen Behauptung Stimmung, Trump sei von Joe Biden um den Wahlsieg betrogen worden. Presler bekam von Elon Musk eine Million Dollar für seine Bemühungen, Wähler im Swing State Virginia zu registrieren. Donald Trumps Schwiegertochter Lara wollte Presler in ihr Team holen, was aber offenbar daran scheiterte, dass er zu radikal erschien. Der schwule, langhaarige Presler war auch Mitorganisator eines "Marschs gegen die Scharia", und postete oft Verschwörungsnarrative mit Hahstags der QAnon-Bewegung, welche solchen radikalisierten Ideologien anhängt.
Radio Europa, die Kopie: Dieser Account twitterte ein Foto, das einen Wahlzettel aus dem westfälischen Wahlkreis Lippe mit Kreuzen beim AfD-Direktkandidaten und bei der AfD zeigte. Im Text dazu wurde die absurde Behauptung aufgestellt, Tausende Deutsche würden solche Fotos teilen und die AfD werde deutlich besser abschneiden als in allen Umfragen vor der Wahl. 24.500 Likes bekam dieser Beitrag – und wurde geteilt von Elon Musk*, der den Post mit der in Deutschland verbotenen Veröffentlichung eines ausgefüllten Stimmzettels mit "Cool!" kommentierte.
Auch "Radio Europa" ist kein Radiosender, und wirkt mit "nur" 60.000 Followern wie ein kleinerer Abklatsch von "RadioGenoa". Der Account will "Breaking News" liefern unter der Parole "MEGA – Make Europe Great Again".
God save Great Britain (GSGB01), der Farage-Lautsprecher: Das deutsche Volk habe die Macht, den Lauf der Geschichte für ganz Europa zu verändern, schrieb der Account "God safe Great Britain": "Sie wissen, was zu tun ist! Wählt die AfD!" Für den bereits am Samstagnachmittag verschickten Post gab es mehr als 52.000 Herzen.
Der Account mit mehr als 79.000 Followern ist auf X einer der stärksten Verstärker von Nigel Farages rechter Partei "Reform UK", der früheren Brexit-Partei, und seine Posts sind auch schon von Musk geteilt worden. Angesichts seiner Unterstützung für Trump und die AfD gab es Spekulationen, dass Musk "Reform UK" Millionen Dollar zukommen lassen wolle. "GSGB01" schrieb einmal, das Einzige, was sich in Großbritannien niederlasse, ohne Sozialhilfe zu kassieren, sei der Schnee. Nach den ersten Hochrechnungen schrieb der Account: "RIP Germany" – Ruhe in Frieden, Deutschland.
Eva Vlaadingerbrook, das niederländische Poster-Girl der Rechten: Vlaadingerbroek wünschte am Sonntag um 11.45 Uhr in einem Video auf Deutsch einen "Guten Morgen" und rief zur Wahl der AfD auf: 35.000 Likes.
Die Blondine trat als Gesprächspartnerin und "Expertin" in Interviews mit dem rechten Moderator Tucker Carlson und dem Chef des Krawall-Portals "Nius", Julian Reichelt, auf. Als "Reporterin" für "Nius" heizte sie die deutschen Bauern-Proteste vor einem Jahr mit an. Vlaadingerbroek ist befreundet mit Brittany Pettibone, der kanadischen Ehefrau von Martin Sellner, dem österreichischen Gründer und der Galionsfigur der rechtsextremen Identitären Bewegung. Elon Musk hat Vlaadingerbroeks Beiträge mehrfach geteilt. Von Vlaadingerbroek sagte als Rednerin bei einer CPAC-Konferenz internationaler Rechtspopulisten in Ungarn über die EU: "Der Turm von Babel muss zerstört werden."
Naomi Seibt, die verhinderte Anti-Greta: "Liebes Deutschland, ich bin eine von Euch", schrieb die neurechte Influencerin Naomi Seibt, die im vergangenen Jahr in die USA gezogen ist, am Sonntag auf Englisch. Und: "Only the AfD can save Germany. Vote." Rund 15.000 Likes holte ihr Post bis zur Schließung der Wahllokale und war damit erfolgreicher als jeder Beitrag der AfD oder von AfD-Politikern am Wahltag.
In ihrem mitgeschickten deutschsprachigen Video mit englischen Untertiteln ging es zunächst um sie selbst. Dann erzählte die 24-Jährige, es sei "demokratischer Wille", die Brandmauer zu Fall zu bringen, und sie wolle für ein Deutschland kämpfen, das "nicht den Tyrannen" gehöre. Einen menschengemachten katastrophalen Klimawandel gebe es nicht.
Das einflussreiche US-Thinktank Heartland Institute wollte sie zu einer Art Anti-Greta aufbauen, die die Botschaften der Klimawandel-Leugner-Szene verbreitet. Das Heartland Institute sät seit Jahrzehnten Zweifel an den Gefahren des Rauchens und kämpft gegen Klimapolitik. Erstmals aufgefallen war die YouTuberin, als sie einen Gedichtwettbewerb der AfD gewann. Richtig bekannt wurde sie mit ihren libertären und teils rechtsextremen Positionen erst, seit sie eine Art Deutschland-Erklärerin für Musk sein darf. Ihre Beiträge werden von ihm regelmäßig geteilt.
*An dieser Stelle hatten wir in einer früheren Version versehentlich Donald Trump anstelle von Elon Musk geschrieben.
- Eigene Recherchen
- senato.it: Antwort auf die Anfrage zu Radio Genoa
- pointer.kro-ncrv.nl: So verbreitet Radio Genoa hasserfüllte Tweets
- nzz.ch: Radio Genoa: Stimmungsmache mit Videos vcon Migranten
- ft.com: Trump administration presses Romania to lift restrictions on Andrew Tate
- spiegel.de: Wie die Einser-Schülerin Naomi zum Postergirl der Rechten wurde
- ibtimes.co.uk: Elon Musk Keeps Reposting 'Inevitable West's' Attacks On Keir Starmer—But Is An Indian Fraudster Behind The Account?