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Präsident Macron auf Deutschland-Besuch in Dresden: "Lasst uns aufwachen!"


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Macron in Deutschland
In Dresden erlebt er eine Überraschung


Aktualisiert am 28.05.2024Lesedauer: 6 Min.
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Bei seiner Rede in Dresden spricht Macron Deutsch. (Quelle: reuters)

Der französische Präsident Emmanuel Macron wird bei seinem Staatsbesuch in Deutschland bejubelt. Doch nach seiner Rede in Dresden landen Deutschland und Frankreich wieder auf dem Boden der Realität.

Ein Hauch von Glanz liegt in der Luft. Der französische Präsident Emmanuel Macron beendet am Dienstag seinen dreitägigen Staatsbesuch in Deutschland. Es war ein Festakt für die deutsch-französische Freundschaft. Zum Staatsbankett im Schloss Bellevue am Sonntag erschien sogar Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im feinsten Abenddress. Es war eine heitere Feier mit Erbsensuppe und Sauerbraten, begleitet von Musik der Berliner Philharmonie.

Einen Tag später hielt Macron eine lange Rede vor der Frauenkirche in Dresden, Tausende Menschen applaudierten dem französischen Präsidenten. Es wirkte fast so, als mache Macron Wahlkampf in Deutschland – und das durchaus mit Erfolg.

Macron versteht viel von Inszenierung. Auch bei diesem Staatsbesuch ist alles bis ins kleinste Detail geplant. Er hat ein Gespür für Bilder, weiß in seinen Reden oft, wie er Emotionen bei seinen Zuhörern weckt. Selbst als der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer ihm am Montagnachmittag am Schloss Moritzburg einen Apfelbaum in die Hand drückt, lächelt er staatsmännisch in die Kamera. Dabei sind Besuche in Sachsen selbst für deutsche Politiker nicht immer einfach. Immerhin liegt die AfD in den Umfragen hier bei knapp 35 Prozent. Ein Risiko, auch für Frankreichs Staatschef.

Trotzdem entschied sich Macron dafür, in Dresden eine europäische Grundsatzrede zu halten. Seine Visionen für die EU waren nicht neu: Er sprach über eine stärkere Unterstützung für die Ukraine, eine gemeinsame europäische Verteidigungs- und Wirtschaftspolitik und über den Schutz der Demokratien in Europa vor Rechtsextremen. Alles Themen, die zumindest bei Teilen der sächsischen Bevölkerung nicht auf besonders viel Gegenliebe stoßen. Doch Macrons Auftritt ging gut. Es gab keine Störer, keine "Hau ab"-Rufe, stattdessen Applaus. Das war vielleicht auch für Macron eine Überraschung.

Doch der Staatsbesuch kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zwischen Deutschland und Frankreich in zentralen Fragen Konflikte gibt. Macron inszenierte sich als die zentrale Führungsfigur in Europa, verpasste Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner Rede in Dresden einige höfliche Schubser. Das war freilich schon in der Vergangenheit nicht besonders erfolgreich. Während Frankreichs Präsident in Deutschland viele Highlights gesetzt hat, geht es am Dienstag bei einem Treffen mit Scholz darum, sich auf einen Kurs zu einigen. Nun geht es wieder um konkrete Politik und so kann auch der schöne Schein eines Staatsbesuches die bittere Realität nicht überstrahlen.

Macrons Vision für Europa

Macron wollte in Deutschland vor allem eines: Brücken bauen, das Gemeinsame zwischen Deutschland und Frankreich betonen. Deswegen lag ein Fokus auf dem Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. Daher übte der französische Präsident mit einem Deutschlehrer vor seiner Reise, um einen Teil seiner Rede auf Deutsch halten zu können. Dabei ging es auch viel um Sport, denn während Frankreich im Sommer die Olympischen Spiele ausrichtet, steht in Deutschland die Fußballeuropameisterschaft an. Mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kickerte Macron am Sonntag sogar eine kurze Runde. Ein Spiel, das unentschieden endete, wie der französische Präsident auf X teilte.

Selbst am Kickertisch scheinen die deutsch-französischen Beziehungen im Takt zu sein.

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Die größte Herausforderung bei seinem Staatsbesuch war für Macron sicherlich, Nähe zur Bevölkerung in Deutschland herzustellen. Dafür sprach er nicht nur deutsch, sondern am Anfang seiner Rede in Dresden erzählte der 46-Jährige auch von seiner Kindheit. "Ich lernte die deutsche Sprache und Kultur und tue es immer noch. Ich tue mein Bestes, glauben Sie mir", sagte Macron. Er schilderte, wie er an einem Austausch zwischen seinem Heimatort Amiens und Dortmund teilnahm. "Ich entdeckte Ihr Land, das damals noch durch die Mauer geteilt war. Heute als erster französischer Präsident seit der Wiedervereinigung hier zu sprechen, ehrt mich besonders. Es berührt mich sehr."

In seiner Rede in Dresden ging es also am Anfang um Emotionen und Respekt. Es ging darum, eine Verbindung zu seinen Zuhörern zu schaffen – natürlich nicht ohne Hintergedanken.

Die Botschaft dahinter: Für Macron war Deutschland immer besonders und er wirbt um deutsche Unterstützung, um Dinge in Europa ändern zu können. Denn er weiß, dass dies nur mit der Zusammenarbeit der zwei großen europäischen Mittelmächte – Deutschland und Frankreich – funktionieren kann. Macron will ein Europa, das deutlich autonomer von Großmächten wie den USA oder China wird. "Hören wir damit auf, komplett transatlantisch oder komplett national zu sein. Seien wir entschlossen deutsch-französisch und europäisch", rief er mit Blick auf die unterschiedlichen Haltungen beider Länder zur Rolle der Nato.

"Europa ist kein Supermarkt"

Eben da beginnen die Probleme. Macron teilte in Dresden ähnliche Visionen für Europa wie in der Vergangenheit – etwa bei seinen Grundsatzreden an der Pariser Universität Sorbonne. Doch damit biss er im Dialog mit Deutschland oft auf Granit. Merkel reagierte in ihren Amtszeiten lange Zeit gar nicht auf die französische Aufforderung, mit Frankreich an einer Vision für Europa zu arbeiten. Auch Scholz tut sich schwer, positioniert die Bundesrepublik fest im Fahrwasser der Amerikaner und hat gleichzeitig Probleme, Deutschland wirtschaftlich von China zu lösen.

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Gerade angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine beschwor Macron die Notwendigkeit einer eigenständigen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Innerhalb der Nato müssten die Europäer als Alliierte agieren. Damit ist er nicht allein, etwa die Grünen in der Bundesregierung vertreten eine ähnliche Vision. Macron weiß genau, dass es in dieser Frage vielleicht ein Momentum gibt, etwas zu verändern. Denn nicht nur Russland wird auch in Deutschland als Bedrohung gesehen, sondern in den USA droht nach der US-Präsidentschaftswahl im November eine neue Amtszeit von Donald Trump. Das könnte auch die Bundesregierung zu mehr Autonomie in Verteidigungsfragen zwingen.

Noch komplizierter sind die deutsch-französischen Unstimmigkeiten in wirtschaftlichen Fragen. "Lasst uns aufwachen! Unser Europa ist kein Supermarkt!", forderte Macron in Dresden. Europa sei nicht nur ein Ort, an dem man sich gemeinsame Regeln gebe. "Es ist eine Säule der Werte, der Kultur, der individuellen und politischen Freiheiten." Man müsse Europa verteidigen und auf die Sorgen und auf die Gründe für die Wut mit einem Europa des Respekts antworten. In der Wirtschaftspolitik müsse Europa souveräner und unabhängiger werden, insbesondere gegenüber der Konkurrenz durch China und die USA, betonte der Präsident. "Europa braucht ein Wachstumsmodell für künftige Generationen."

Das ist als sanfter Schubser für Scholz zu verstehen. China subventioniert beispielsweise massiv eigene Unternehmen, die E-Autos produzieren – zum Nachteil europäischer Firmen. China und die EU-Kommission möchten Sanktionen, Scholz lehnt das ab, weil er Schaden für die deutsche Autoindustrie in China befürchtet. Dieses Problem wird sich wahrscheinlich nicht schnell aus der Welt schaffen lassen.

Demokratien in Gefahr

Auch im Umgang mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine gibt es deutliche Unterschiede. Deutschland liefert viel, während Frankreichs Anteil an der militärischen Unterstützung für die Ukraine immer weiter sinkt. Das ruft in Berlin Ärger hervor, vor allem weil Macron die vergleichsweise wenigen französischen Lieferungen möglichst groß politisch inszenierte. Dazu sagte Macron am Montag lediglich: "Frieden bedeutet nicht die Kapitulation, sondern es soll der Friede sein, den die Ukrainer wählen."

Eine Formel, auf die sich Berlin und Paris sicherlich einigen können. Aber welche konkreten Maßnahmen sich nun davon ableiten lassen, bleibt offen. Darüber werden Scholz und Macron sicherlich am Dienstag diskutieren.

Deutschland und Frankreich ringen außerdem aktuell mit dem Erstarken von in Teilen rechtsradikalen Parteien. "Lasst uns die Faszination für autoritäre Regime anschauen. Lasst uns in Europa den illiberalen Moment anschauen, den wir durchleben", mahnte Macron. "Diese Tendenz ist keine Tendenz, sie ist Realität in Ungarn. Das war Realität bis zu den wunderbaren Wahlen in Polen." Er ergänzte: "Überall in unseren Demokratien gedeihen diese Ideen, denen von den Extremen und besonders den Rechtsextremen Aufschwung gegeben wird."

"Unser Europa ist sterblich"

Das ist vielleicht momentan die größte politische Gemeinsamkeit zwischen Macron und Scholz. Beide kämpfen für die europäische Idee und gegen nationalen Protektionismus. In einer Rede an der Sorbonne warnte Macron zuletzt vor einem sterbendem Europa, das wiederholte er in Dresden. Europa könne sterben, rief er. "Europa ist ein Garant für Frieden. Für viele von uns klang dieses Argument lange Zeit überholt. Doch heute herrscht wieder Krieg in Europa." In einem gemeinsamen Gastbeitrag in der "Financial Times" schreiben Scholz und Macron: "Unser Europa ist sterblich, und wir müssen uns der Herausforderung stellen."

Sein Staatsbesuch in Deutschland ist für Macron also in Teilen durchaus auch Wahlkampf. Wahlkampf für die europäische Idee. Mit dem Bild eines sterbenden Europas zündet er allerdings schon die Endstufe der Dramaturgie.

Das ist ein Appell, vor allem auch an die jüngeren Menschen in Deutschland und Frankreich. Der französische Präsident weiß, dass in der Bundesrepublik nun auch Menschen ab 16 Jahren wählen, und er sieht darin offenbar eine Chance. "Deutschland kann auf Frankreich zählen. Frankreich zählt auf Deutschland. Europa kann auf uns zählen", spricht er jüngere Zuhörer zum Abschluss seiner Rede direkt an. "Sie sind die neue Generation. Ich zähle auf Sie, genauso wie Sie auf mich zählen können." Danach sang ein Jugendchor in Dresden die Europahymne "Ode an die Freude".

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