Erdoğans Prunksucht Der Mann, der seine Villen wie Staatsgeheimnisse hütet
Die Präsidentenwahl in der Türkei geht wohl in die zweite Runde. Erdoğan könnte nicht nur das politische Aus drohen, sondern auch seine Eintrittskarte in eine Welt aus Prunk und Protz verlieren.
Bei der Präsidentenwahl in der Türkei droht dem seit 2014 amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan eine Stichwahl: Nach Auszählung fast aller Stimmen sah die Wahlbehörde Erdoğan bei 49,4 Prozent, seinen Herausforderer Kılıçdaroğlu bei 44,96 Prozent. Erdoğan verfehlt damit die absolute Mehrheit von über 50 Prozent nur knapp, nun kommt es wahrscheinlich Ende Mai zur Stichwahl.
Nach über 20 Jahren an der Macht könnte Erdoğan nun das politische Aus drohen. Eine Niederlage wäre für den Langzeit-Präsidenten, der das Politische stets mit dem Persönlichen zu vermischen wusste, nicht nur ein politischer Schock, sondern auch ein wirtschaftlicher Abstieg: Denn der Präsident würde auch seine Eintrittskarte zu seinen zahlreichen Prunk- und Prachtbauten verlieren, die er sich in den 20 Jahren an der Macht – mit Steuergeldern – erbauen ließ.
Erdoğans Hang zu Prachtbauten
Erdoğans Hang zu prunkvollen Bauten sorgte immer wieder für Skandale und Kritik in der türkischen Öffentlichkeit. 2015 wurde bekannt, dass der damals neue Präsidentenpalast in der Hauptstadt Ankara rund 37 Millionen Euro an Instandhaltung verschlingt – und das jedes Jahr. Allein die Stromrechnung des 1.100-Zimmer-Palastes soll 400.000 Euro pro Monat kosten. Die Kosten für den Bau betrugen sogar eine halbe Milliarde Euro. Die Opposition warf Erdoğan damals Prunksucht vor.
Im Jahr 2021, mitten in der damaligen Wirtschaftskrise, gelangten Bilder von Erdoğans Sommerresidenz am Mittelmeer an die Öffentlichkeit: Sie zeigten einen Palast im neo-osmanischen Stil, mehrere Pavillons, lichtdurchflutete Räume, Pools und eine riesige Grünlage. Laut Oppositionsmedien handelte es sich um keine echten Fotos, sondern Visualisierungen von Plänen des Architekten.
Das Pikante: Der Bau war zu diesem Zeitpunkt offenbar schon seit zwei Jahren fertiggestellt, doch die Öffentlichkeit wusste nichts. Erdoğans prunkvolle Sommerresidenz wurde wie ein Staatsgeheimnis behandelt.
Doch damit nicht genug: 2018 beschloss Erdoğan, dass ihm drei amtliche Adressen als Präsident nicht reichen: Neben dem 1.100-Zimmer-Palast in der Hauptstadt, der Sommervilla in Marmaris und eines weiteren Amtssitzes in Istanbul gab der Staatschef einen vierten Prachtbau in Auftrag: In Ahlat im Osten des Landes soll ein 1.000 Quadratmeter großer Palast entstehen, der an die Schlacht von Malazgirt im Jahr 1071 erinnern soll, als die Türken ihre Eroberung Anatoliens begannen.
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Der Bau des Palastes wurde 2020 von einem türkischen Gericht untersagt, weil er den öffentlichen Zugang zu Van-See beschränke. Doch Erdoğan setzte sich über das Urteil hinweg und ließ weiterbauen. Laut türkischen Berichte flossen bereits knapp 30 Millionen staatliche Gelder in den Bau.
Die Macht des Erdoğan-Clans
Auch bei seiner Familie sind politische Interessen und persönliche Belange nicht immer klar zu trennen. Seine Tochter Sümeyye ist seit 2016 mit dem Rüstungsunternehmer Selçuk Bayraktar verheiratet. Der Drohnenhersteller hat die Kriegsführung im 21. Jahrhundert verändert, im Ukraine-Krieg haben seine "Bayraktar TB2"-Drohnen den russischen Invasionstruppen vor allem zu Beginn starke Verluste zugefügt.
Auch Erdoğans zweite Tochter Esra hat ein ranghohes AKP-Mitglied geheiratet: Berat Albayrak, der von 2015 bis 2020 Finanzminister unter Erdoğan war. Albayrak wurde viele Jahre als politischer Erbe Erdoğans aufgebaut, doch verlor in der türkischen Wirtschafts- und Währungskrise immer mehr an Rückhalt. Offiziell trat er aus gesundheitlichen Gründen zurück, doch Beobachtern zufolge entzog ihm Erdoğan schließlich das Vertrauen.
Wie der "Spiegel" in Bezug auf Erdoğans Umfeld berichtet, sei es immer der Wunsch des Präsidenten gewesen, einen seiner Söhne als Nachfolger aufzubauen. Doch Bilal und Ahmat Erdoğan fielen bislang eher durch Skandale auf, fallen daher als politische Erben eher heraus. Nach Albayraks Rücktritt als Finanzminister bliebe nur Schwiegersohn Nummer zwei: Selçuk Bayraktar, der "Drohnenprinz". In einer TV-Sendung wies dieser solche Gerüchte als "Klatsch und Tratsch" zurück, aber vielleicht kann ihn Erdoğan noch überzeugen.
- spiegel.de: Der Drohnenprinz
- taz.de: Eine schrecklich erfolgreiche Familie